Wie viel Religion darf in Kindergärten sein? Dieser Frage ging die ORF-Sendung "Thema" nach. Professor Ednan Aslan warnt darin vor Pädagogik, die Kinder in einer Glaubenswelt versklavt.
Ein Bericht des Instituts für Islamische Studien der Universität Wien sorgt seit mehreren Tagen für Aufregung. Demnach werde in islamischen Kindergärten kaum Deutsch gesprochen, sie seien zu stark religiös geprägt und könnten sogar Extremismus fördern.
Die ORF-Sendung "Thema" fragte am Montagabend in einem Beitrag "Kindergärten unter der Lupe – wie viel Religion darf sein?". Die Redakteure besuchten dafür einen islamischen, einen katholischen und einen jüdischen Kindergarten.
Klarerweise überlieferten dort alle Verantwortlichen das Bild, bei ihren Einrichtungen handle es sich um aufgeschlossene und liberale Häuser. Auch wenn die Religion dort eine bedeutende Rolle spiele.
Dreharbeiten abgelehnt
Nachdenklich macht, dass zahlreiche islamische Kindergärten nicht einmal einem angemeldeten Besuch des ORF-Teams zustimmten. Sie lehnten die Dreharbeiten generell ab.
Ein Kern der Kritik, der durch die aktuelle Studie der Uni Wien ausgedrückt wird, besteht in der starken religiösen Prägung in den Kindergärten sowie in der Entstehung von islamischen Parallelgesellschaften.
Studienautor Ednan Aslan, ein österreich-türkischer Professor für islamische Religionspädagogik, spricht von Einrichtungen, die das Bild eines Gottes vermitteln, der bestraft. "Es ist schwarze Pädagogik, die Kinder in einer Glaubenswelt versklavt", sagt Aslan, der 1996 über die "Religiöse Erziehung der muslimischen Kinder in Österreich und Deutschland" promovierte.
Der Religionspädagoge ist selbst Muslim, gilt aber als liberal. Er warnt vor allem davor, dass indoktrinierte Kinder Verachtung erlernen würden. "Wenn sie verachten, gilt das Gegenüber nicht mehr als Mensch. Dann ist das Töten nur eine Folge", erklärt Aslan.
Kritik an seiner Studie gab es vor allem deshalb, weil lediglich sieben der rund 600 islamischen Kindergärten in Wien untersucht wurden.
Religion als Zusatzangebot
Kulturelle Vielfalt sei das Motto in ihren pädagogischen Einrichtungen, betont die Ägypterin Souher Abada. Sie hat den Verein Donya gegründet, der mittlerweile sieben Kindergärten in Wien führt.
Die Religion sei häufig ein Grund, warum Eltern ihre Kinder in einem der Kindergärten von Abada unterbringen wollen. Der Islam sei dort sozusagen ein Zusatzangebot.
Die erfolgreiche Geschäftsfrau hat nach eigenen Angaben neben der "Kronen-Zeitung" auch Ednan Aslan eingeladen, sich vor Ort ein Bild zu machen. Gekommen sei niemand.
Vergleich mit christlichem und jüdischem Kindergarten
"Thema" besuchte auch einen christlichen sowie einen jüdischen Kindergarten. Religion sei etwas Vereinendes und man wolle selbstbewusste Kinder heranziehen, heißt es von Seiten des katholischen Kindergartens. Und es gehe auch darum, die Kinder für christliche Werte zu interessieren.
Abgesperrt durch einen Zaun und streng bewacht präsentierte sich der jüdische Kindergarten. "Wir kasteln uns nicht ein, es geht um Schutz", erklärt Kindergartenleiterin Petra Kuba.
Antisemitismus und die Angst vor ihm machen es offensichtlich auch 2015 noch nötig, solche Sicherheitsvorkehrungen mitten in Österreichs Bundeshauptstadt vorzunehmen. Dass die Kindergartenkinder, die Schutzmaßnahmen nicht wahrnehmen würden, wie Petra Kuba sagt, ist nur schwer zu glauben.
Studienautor nennt keine Details
Der Integrationsexperte Kenan Güngör kritisiert, dass es generell zu leicht gehe, einen Kindergarten zu gründen. Probleme ergäben sich vor allem dann, wenn diese dazu genutzt werden, Kinder religiös zu indoktrinieren.
Dass diese Gehirnwäsche in manchen islamischen Kindergärten stattfindet, dafür will Studienautor Ednan Aslan Anhaltspunkte gefunden haben. Details könne er allerdings nicht an die Behörden weitergeben.
Das wiederum missfällt Herta Staffa vom Jugendamt Wien: "Wir wissen bis heute nicht, in welchen Einrichtungen es so furchtbar sein sollte." Das Jugendamt könne nur mit genaueren Informationen ein Ermittlungsverfahren einleiten.
Dem ORF-Bericht zufolge führt das Jugendamt über 3.000 Kontrollen in den Kindergärten der Bundeshauptstadt durch. "Aber selbst wenn wir fünfmal zu einer Einrichtung gehen, kann dort etwas anderes gemacht werden, wenn die Türe wieder zu ist", erklärt Staffa.
Vor einem ähnlichen Problem stand wohl das "Thema"-Team. Um die Kindergärten tatsächlich wie angekündigt ausgiebig zu beleuchten, wären wohl investigative Instrumente wie versteckte Kameras notwendig gewesen.
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