Die Italiener nannten ihn "Ritter". Im Ausland war er als dreister Frauenheld bekannt. Silvio Berlusconi ist im Alter von 86 Jahren verstorben.
Federica Panicucci ringt mit den Worten, holt tief Luft. "Francesco, kannst du bitte übernehmen?", bittet die Moderatorin im Morgenprogramm "Mattino Cinque News" ihren Kollegen am Montagvormittag. Unter Tränen hat sie wenige Sekunden zuvor die Nachricht verkündet, die viele Italiener in diesen Stunden bewegt: "Silvio Berlusconi ist tot."
Überall im italienischen Fernsehen spielen sich am Montag emotionale Szenen ab. Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi ist am Morgen in der Mailänder San Raffaele-Klinik an einer chronischen Leukämie verstorben. Der Rechtspopulist hat in dem Mittelmeerland eine Ära geprägt.
So viel ist sicher, der kleine Mann mit dem stets breiten Grinsen war eine streitbare Person. An Selbstvermarktung konnte ihn niemand schlagen. "Ich bin ein Gesalbter Gottes, der Jesus Christus der Politik", hat Berlusconi 1994 bei seinem ersten Wahlsieg als italienischer Ministerpräsident gesagt. Danach folgten noch drei weitere. Berlusconi bestimmte zwei Jahrzehnte lang die italienische Politik. Seine Mitte-Rechts-Partei "Forza Italia" ist seit 2022 wieder in der Regierung beteiligt. Gerne hätte Berlusconi Italien noch ein fünftes Mal regiert. Stattdessen saß er dann im Senat.
Zuletzt sorgte Berlusconi für großes Unbehagen in der eigenen Partei, indem er sich im Krieg gegen die Ukraine mehrfach für die Seite Russlands aussprach. Bei einer Versammlung von "Forza Italia" sagte er, der russische Präsident Wladimir Putin, habe ihm zu seinem Geburtstag 20 Flaschen Wodka und einen "sehr süßen Brief" zukommen lassen. Im Gegenzug habe er Putin Lambrusco-Wein geschickt und "einen ebenso süßen Brief". Aus seiner Verbundenheit mit Putin machte Berlusconi nie ein Geheimnis.
"Wenn ihr gegen Inter gewinnt, schicke ich euch Prostituierte"
Berlusconi hat in Italien den "Berlusconismus" erfunden. Sein Populismus, eine Mischung aus Polit-Management und oft vulgärem Entertainment, löste in den frühen 1994 das zusammengebrochene Parteiensystem der Nachkriegszeit ab. Trotz zahlreicher Skandale und Prozesse verehrten ihn viele, weil er dem chronisch krisenzerrütteten Italien zu einer Identitätspolitik verhalf. Die, die ihn hassten, kamen gegen diesen Kult kaum an.
Ein paar Beispiele für seine Manier: Dem deutschen EU-Abgeordneten
Salvini: "Ich weine selten, aber heute ist so ein Tag"
Das rechtsnationale Regierungsbündnis reagierte am Montag höchst betroffen. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) sagte in einem Video auf Twitter: "Mit Silvio Berlusconi hat Italien gelernt, sich niemals Grenzen setzen zu lassen. Sich niemals besiegt zu zeigen. Mit ihm haben wir viele Kämpfe gewonnen und verloren." Ihr Regierungspartner Matteo Salvini (Lega) verkündete: "Heute verliere ich einen großen Freund. Ich bin zerstört und ich weine selten, aber heute ist so ein Tag." Der ehemalige Cheftrainer des AC Mailand, Arrigo Sacchi, weint während einer Live-Schalte mit dem Sender "Sport Mediaset": "Es geht mir schlecht, ich habe das trotz allem nicht erwartet. Gegenüber der Nachrichtenagentur Ansa sagte er: "Silvio Berlusconi war ein großzügiger Mann. Und er hat versucht, dieses schwierige Land zu verändern, das aus Individualisten besteht. War er auch einer? Nein, er hat an das Gemeinwohl gedacht und immer vorausgeschaut."
Ein Vermögen von knapp sieben Milliarden US-Doller
Am 29. September 1936 in Mailand geboren, übte sich der Sohn eines Bankiers bereits während des Jurastudiums als Staubsaugerverkäufer und Unterhalter auf einem Kreuzfahrtschiff. Später wurde er Milliardär. Das Vermögen des einflussreichen Unternehmers wird heute auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Mit Mitte 20 gründete er in den frühen 1960ern eine Immobilienfirma, mit der er in Mailand Tausende Wohnungen baute. Dort etablierte er einen lokalen Fernsehsender, der sich in den 1970ern zum ersten italienischen Privatsender mit überregionaler Reichweite entwickelte. Eine mediale Revolution, denn bis dahin war so eine Reichweite nur staatlichem Fernsehen erlaubt. Darauf baute Berlusconi sein milliardenschweres Medienimperium Mediaset auf (seit 2021 MediaforEurope), das heute das gesamte italienische Trash-TV auf elf Sendern umfasst. Berlusconi war auch Eigentümer der Verlagsgruppe Mondadori. Zudem war er 20 Jahre lang Präsident des Fußballvereins AC Milan.
"Bunga-bunga"-Partys und Steuerhinterziehung
Trash-TV, das hieß in Italien lange vor allem: tanzende, halbnackte Showgirls in Glitzer-Bikini. TV-Sternchen und schöne junge Frauen scharte Berlusconi auch privat gerne um sich. Mit dieser Vorliebe schaffte es Berlusconi regelmäßig in die Schlagzeilen. Ungebrochen beliebt war er bei vielen Italienern trotzdem. Nach zwei gescheiterten Ehen heiratete er das Showgirl Francesca Pascale und verschaffte er ihr einen Posten in der Regionalpolitik Neapels. Überhaupt kandidierten immer wieder Showgirls und Models auf Listen seiner Partei. Internationale Schlagzeilen füllte der "Cavaliere" mit den sogenannten "Bunga-Bunga"-Partys: 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauch und Sex mit minderjährigen Prostituierten gegen ihn. Berlusconis Verhältnis zur Mafia, das sein frühes hohes Vermögen erklären könnte, wurde nie geklärt. Im Jahr 2013 löste ein Urteil wegen Steuerhinterziehung eine Regierungskrise aus. Berlusconi konnte für sechs Jahre keine politischen Ämter mehr bekleiden.
In den letzten Jahren hatte Berlusconi immer wieder mit seiner Gesundheit zu kämpfen. Nach Herzbeschwerden und einer Lungenentzündung als Folge von Covid-19 hieß es im Frühjahr, er leide an einer chronischen Form von Leukämie. Vor wenigen Wochen erst hatte er das Krankenhaus nach einem längeren stationären Aufenthalt verlassen. Am Freitag erst war er für eine Untersuchung zurückgekehrt.
Der berühmteste Showman und Rechtspopulist Italiens hinterlässt fünf Kinder, die nun sein Medienimperium erben. Seine 50 Jahre jüngere Partnerin, die 33-jährige Marta Fascina, wird sich als Abgeordnete bei "Forza Italia" dafür einsetzen, dass die Partei auch ohne ihren Gründer politisch mächtig bleibt.
Verwendete Quellen:
- tg24.sky.it: Berlusconi, "l'unto del Signore" tradito "come Gesù"
- spiegel.de: Berlusconis Entgleisungen Die Ausfälle des »Cavaliere«
- sportmediaset.it: Addio Berlusconi, Sacchi in lacrime: "Amico geniale al quale devo tutto"
- forbes.com: Silvio Berlusconi & family
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