- Das desaströse Wahlergebnis der Union hat nicht nur unter Politikern wie Experten die Frage aufkommen lassen, ob nicht eine Trennung der Schwesterparteien für einen Neuanfang vonnöten wäre.
- Eine exklusive, repräsentative Umfrage im Auftrag unserer Redaktion kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Realistisch ist ein Bruch aber nicht, sagt ein renommierter Politikwissenschaftler.
Im Bundestagswahlkampf gerieten die Schwesterparteien CDU und CSU einige Male aneinander, vor allem bei der Frage, ob Armin Laschet oder Markus Söder der bessere Kanzlerkandidat ist.
Die Frage, ob der CSU-Chef tatsächlich, wie viele bayerische Abgeordnete meinen, ein besseres Ergebnis bei der Wahl am 26. September erzielt hätte, bleibt hypothetisch. Geschadet hat der Streit jedenfalls beiden Parteien, da sind sich die Experten einig.
CDU und CSU: Anlass für einen Bruch gäbe es
Andreas Rüther beispielsweise formulierte es auf dem Landesparteitag der CDU Nordrhein-Westfalen in Bielefeld vergangenen Samstag wenig diplomatisch.
"Ich muss mir immer anhören: Mit
Rüther brachte bei seiner Rede aufgrund der Streitigkeiten zwischen CDU und CSU gar eine mögliche Trennung der Schwesterparteien ins Spiel. Söders ständige Sticheleien hätten "wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der kommenden Wochen und Monate. Ich hoffe nicht, dass es da zu einem Bruch kommt, aber Anlass dazu hat er genug gegeben".
"Sollten sich CDU und CSU Ihrer Meinung nach als Schwesterparteien voneinander trennen?"
Diese Frage hat das Meinungsforschungsinstitut Civey den Deutschen in einer exklusiven Umfrage im Auftrag unserer Redaktion gestellt (weiter unten lesen Sie, wie das Meinungsforschungsinstitut Civey arbeitet).
Das Ergebnis: 58 Prozent der Umfrage-Teilnehmer sprechen sich klar für eine Trennung aus. Davon votierten 43 Prozent für "Ja, auf jeden Fall", 13 Prozent meinten "Eher ja". 26 Prozent halten hingegen eine Trennung für keine gute Idee, 16 Prozent sind unentschieden in der Frage.
Dass es zu einem Bruch der beiden Parteien mit dem "C" im Namen kommt, ist allerdings aus machtpolitischer Sicht unrealistisch. "Eine Trennung halte ich aktuell für völlig unwahrscheinlich. Sie würde beiden Parteien dramatisch schaden, denn das Haupterscheinungsbild wäre bestimmt vom wechselseitigen Kampf gegeneinander", sagt Professor Werner Weidenfeld, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Europäische Einigung an der Universität München und Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (C.A.P.) in München auf Anfrage unserer Redaktion.
Trennung von CDU und CSU ergäbe einen "blutvollen Kampf"
Die Parteien würden im Falle einer Trennung um die gleichen Wählerinnen und Wähler werben, sagt Weidenfeld und warnt: "Es wäre ein blutvoller Kampf, damit würde ein Untergangsszenario aufgebaut."
Das scheint die Mehrheit der Unionswähler ebenso zu sehen. Wenn man die Umfrageergebnisse nach dem jeweiligen Verbundenheitsgefühl zu einer Partei auswertet, ergibt sich eine ebenfalls sehr deutliche Tendenz: 58 Prozent der CDU/CSU-Wähler, die sich an der repräsentativen Umfrage beteiligten, antworten mit einem klaren "Nein" auf die Frage, ob ich die Schwesterparteien künftig nicht lieber aus dem Weg gehen sollten.
Bei der Auswertung nach der Wahlabsicht bemerkenswert ist darüber hinaus, dass vor allem Grünen-Wähler eine Trennung der Schwesterparteien befürworten würden: Ganze 71 Prozent stimmten mit "Ja".
Weidenfeld fasst den Selbsterhaltungstrieb der Schwesterparteien zusammen: "Der Ärger über das Vergangene ist das eine, aber die Union will ja morgen auch noch erfolgreich sein. Sie weiß: Wenn wir daraus jetzt auch noch eine Feldschlacht machen, dann gibt’s kein Halten mehr."
Wenig Unterschiede ergibt übrigens die Auswertung der Umfrage nach Alter. Über alle Alterskohorten hinweg ergibt sich eine jeweilige deutliche Mehrheit, die mit "Ja" auf die Frage nach einer Trennung geantwortet hat, die Zahlen bewegen sich zwischen 55 und 61 Prozent.
Also alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen in der Union? Yvonne Magwas, CDU-Abgeordnete und gerade frischgewählte stellvertretende Bundestagsvizepräsidentin, sagt dazu gegenüber unserer Redaktion: "Die Stimmung in der Fraktion ist, dass wir die Oppositionsrolle annehmen, der Blick geht nach vorn." Gleichwohl gelte es die innerparteilichen Prozesse zu optimieren: "Wir müssen eine bessere Lösung finden, wie man zu einem gemeinsamen Kanzlerkandidaten kommt", erklärt Magwas.
Weniger euphorisch sieht es Weidenfeld: "Es wird hängenbleiben im Gedächtnis, dass CSU-Generalsekretär Markus Blume nach der Wahl Laschets Söder als 'Kanzlerkandidat der Herzen' bezeichnet hat. Das vergisst man ja nicht einfach so."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld
- Pressegespräch mit Yvonne Magwas (CDU)
- Live-Stream zum Landesparteitag der NRW-CDU
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