Die BND-Affäre setzt Thomas de Maizière gehörig zu. Erste Kritiker fordern den Rücktritt des Bundesinnenministers. Die Kanzlerin steht aber beharrlich zu ihrem Vertrauten. Aus strategischen Gründen, erklärt ein Parteienforscher im Gespräch mit unserem Portal. Angela Merkel wolle den Skandal selbst unbeschadet überstehen.
Thomas de Maizière ist unkündbar. So wirkt es zumindest. Jede noch so heikle politische Affäre in verschiedenen Ämtern hat der Bundesinnenminister bisher überstanden. Das Debakel um die Drohne "Euro Hawk" etwa konnte ihm nichts anhaben. Zuletzt zog sich der 61-Jährige auch bei den Peinlichkeiten um das nicht für Afghanistan taugliche Bundeswehr-Sturmgewehr G36 rechtzeitig aus der Mitverantwortung.
"Für die Kanzlerin wäre es nicht sinnvoll, ihn bereits jetzt fallen zu lassen"
Doch nun könnte es auch ihn erwischen, meinen Kritiker. Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes NSA mehrere Jahre die EU-Kommission und die französische Regierung ausspioniert haben. Und De Maizière hat angeblich alles gewusst. Erste Stimmen nach einem Rücktritt des CDU-Politikers werden laut. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stärkt ihm aber beharrlich den Rücken. De Maizières weitere Karriere hängt einzig von ihrer Machtstrategie ab. "Noch ist der Druck nicht so groß", sagt Politologe Carsten Koschmieder von der Freien Universität Berlin. "Für die Kanzlerin wäre es nicht sinnvoll, ihn bereits jetzt fallen zu lassen."
Die Frage der Schuldigen
Es wird also taktiert, von allen Beteiligten. Ihre Prämisse: Wann fällt für mich der größte Nutzen ab. "In den kommenden Wochen kommt noch eine Menge raus, wenn die Affäre vor den Untersuchungsausschuss geht", erläutert Parteienforscher Koschmieder. "De Maizière rauszuschmeißen ist die finale Möglichkeit." Der 31-jährige Wissenschaftler erklärt die Motive der Kanzlerin. Demnach könne die Regierungschefin immer noch "kleinere Fische" wie Staatssekretäre abschenken. Gehe es dem Minister an den Kragen, bleibe bei der Frage nach den Schuldigen nur noch sie selbst, schildert der Parteienforscher. "Deshalb wäre es unklug, ihn jetzt schon zu opfern." Auch der Opposition gehe es per se nicht darum, den Minister loszuwerden, sagt er und erklärt warum: Ein Rücktritt zu einem frühen Zeitpunkt einer Affäre sei kontraproduktiv, weil die Gesellschaft einen Schuldigen präsentiert bekäme.
Die Folge: Ihr Interesse an der politischen Affäre schwinde. Entscheidend sei nun, erklärt er, wie De Maizière den Skandal managt. Koschmieder nennt zur Veranschaulichung die Diskussionen ums Sturmgewehr G36 als Beispiel: "Der Minister ist kein Waffenexperte oder prüft das Gewehr selber. Er muss sich immer darauf verlassen, was ihm andere sagen. Das ist bei allen Ministern so", sagt er. Fatal werde es, wenn nicht alle Informationen stimmen oder das Ministerium gegen ihn arbeite. "Ein Minister muss nicht vom Fach sein. Er muss aber organisieren können und seinen Laden im Griff haben", erklärt er. "Die meisten Politiker treten nicht wegen des Skandals an sich zurück, sondern wegen des schlechten Skandal-Managements im Nachhinein. Zum Beispiel, weil sie das Parlament belügen oder herauskommt, dass sie jahrelang etwas vertuscht haben." In Deutschland seien Minister schon für viel weniger zurückgetreten, es seien aber ebenso Ressortchefs für viel mehr nicht gegangen worden, erzählt er.
De Maizières Rückendeckung
De Maizière habe einen maßgeblichen Vorteil auf seiner Seite: "Er gilt als Vertrauter der Kanzlerin und ist ihr gegenüber loyal. So lange er die Rückendeckung der Kanzlerin hat und sich nicht ungeschickt anstellt, kann er das aussitzen", meint Koschmieder. Doch irgendwann sei der Punkt erreicht, an dem ihm die Kanzlerin nicht mehr den Rücken stärken könne. "Das wissen beide, auch, dass das dann nichts Persönliches ist. Sie wird versuchen, ihn zu halten. Wenn das aber nicht mehr geht, ist sie nicht bekannt dafür, dass sie sentimental wird. Dann wird sie ihn relativ emotionslos rausschmeißen." Hinter dieser mutmaßlichen Strategie stecke Selbstschutz. Ergo: Die Kanzlerin will sich nicht selbst angreifbar machen oder gar in den Strudel an Rücktrittsforderungen geraten. "Bisher hat es
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