Die nationalistische türkische Organisation "Osmanen Germania BC" soll in Deutschland als Handlanger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fungieren. Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Die rockerähnliche Gruppe fällt durch Krawalle, Drohungen und Waffenkäufe auf. Auch Jan Böhmermann soll bereits ins Visier der Schlägertruppe geraten sein.
Wie weit reicht Erdogans Arm nach Deutschland? Wer sind seine Helfer? Hinweise verdichten sich, dass die rockerähnliche türkische Organisation "Osmanen Germania BC" als Handlanger Ankaras fungiert und hinter Krawallen in Deutschland steckt.
Berichten des ZDF-Politikmagazins Frontal21 und der "Stuttgarter Zeitung" zufolge dokumentieren Abhörprotokolle, dass die Gruppe von einem Recep Tayyip Erdogan nahestehenden AKP-Abgeordneten finanziert und gesteuert wird.
Gemeint ist Metin Külünk, ein enger Vertrauter des türkischen Präsidenten. Er soll mehrfach Geld an führende Mitglieder der "Osmanen" übergeben oder übergeben lassen haben. Auf Wunsch des Abgeordneten sollen von dem Geld vollautomatische Schusswaffen gekauft worden sein.
Wer sind die "Osmanen Germania BC"?
Die Gruppe "Osmanen Germania BC" ist Ermittlern bereits 2015 aufgefallen. Gründer ist Mehmet B., der die "Osmanen" öffentlich gern als sozial engagierten Boxclub präsentiert – wie ein auf Facebook hochgeladenes Video verdeutlichen soll.
Burkhard Freier, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, sieht das anders. Im Interview mit Frontal 21 sagt er: "Wir bezeichnen die 'Osmania Germania' als rockerähnliche Gruppe, (…) weil sie die gleichen Handlungsweise haben wie übliche Rockergruppen."
Jugendliche von der Straße zu holen, habe den eigentlichen Sinn, Nachwuchs zu gewinnen. Das Amt beobachtet die "Osmanen" daher intensiv.
Angstmachende Musikvideos
Wie die Gruppe wirklich tickt, verdeutlicht ein Video, welches das ZDF unter mehreren im Netz gefunden hat: "Osmanen Germania – Wir kommen und übernehmen das ganze Land. Männer, die bis zu ihrem letzten Tropfen Blut auf dem Schlachtfeld stehen", heißt es darin.
In dem Film zu sehen sind bewaffnete Kämpfer sowie ein Mann, der andeutet, einer Geisel mit einer Kettensäge den Kopf abzuschneiden.
Videos wie dieses sollen Angst einjagen. Gerichtet sei diese Drohkulisse vor allem gegen die türkeikritischen Organisationen wie die Gülen-Bewegung und kurdische Organisationen.
Dem ZDF-Bericht zufolge hat AKP-Mann Külünk seine Landsleute auch dazu aufgefordert, Kurden "mit Stöcken auf den Kopf zu schlagen". Dies sollte gefilmt und die Videos der Türkischen Regierung zur Verfügung gestellt werden. Auf Nachfrage der ZDF-Redaktion habe Külünk nicht reagiert.
Brutale Auseinandersetzungen mit Kurden
Wie brutal die "Osmanen" vorgehen, zeigen die Auseinandersetzungen in Baden-Württemberg. Dort geraten sie immer wieder mit türkischen Kurden, die in der Gruppe Bahoz ("Storm") organisiert sind, aneinander. Die Streitereien hatten in der zweiten Jahreshälfte 2016 ihren Höhepunkt, flauten aber zuletzt ab.
"Die Leute sitzen teilweise noch in Untersuchungshaft. Darunter auch die gesamte Führungsspitze der 'Osmanen' und eine Anzahl Bahoz-Mitglieder", sagte Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey in Stuttgart.
Es habe massive Gewalttaten und auch Rauschgiftdelikte bis hin zu versuchten Tötungen gegeben. "Wir dürfen diesen Gruppen nicht die Straßen und Plätze überlassen", betonte der Beamte.
Darum solle geschaut werden, ob die Gruppe "Osmanen Germania Box-Club" politisch vom Ausland gesteuert werde. "Deshalb haben wir zum ersten Mal auch den Staatsschutz bei den Ermittlungen gegen diese Gruppierungen ins Boot geholt."
Auch ein Anschlag auf eine Schischa-Bar wird den "Osmanen" nach Angaben des ZDF zugeschrieben. Ziel der Handgranaten-Attacke waren demnach Kurden. Der Saarbrücker Chef der "Osmanen Germania" gilt als mutmaßlicher Täter. Er ist inzwischen wegen Anstiftung zum Mord angeklagt.
Proteste in Berlin offenbar von Erdogan persönlich gesteuert
Außerdem soll den Recherchen nach der PKA-Abgeordnete Külünk daran mitgewirkt haben, die Proteste gegen die Armenien-Resolution des Bundestages im vergangenen Jahr zu organisieren. An denen hatten Angehörige der "Osmanen Germania" teilgenommen. Erdogan, so heißt es weiter, soll sich sogar ausdrücklich vorbehalten haben, über die Proteste selbst zu entscheiden. Das belege ein Telefonat vom 1. Juni 2016 um 22:21 Uhr.
Böhmermann im Visier der "Osmanen Germania"
Auch im Fall Böhmermann ist die Gruppe auf Anweisung offenbar aktiv geworden. Külünk habe der "Stuttgarter Zeitung" zufolge über den früheren Mannheimer UETD-Vorsitzenden Yilmaz Ilkay Arin dazu aufgefordert, den Moderator zu bestrafen.
Brisant: Bei der "Union der Europäisch-Türkischen Demokraten" (UETD) handelt es sich um eine Auslandsorganisation der AKP. "Osmanen"-Mitglieder wie Mehmet B., Selcuk S. und Levent U. sollen engen Kontakt zu UETD gehabt haben und über Kontaktleute instruiert worden sein.
Ein Gruppenfoto, auf dem UETD-Mitglieder, "Osmanen" und AKP-Mitglieder zu sehen sind, soll die Verbindung zwischen den "Osmanen" und der UETD belegen. Auch veröffentlich wurde ein Bild, das den damaligen "Osmanen"-Vizepräsident Selcuk S. mit dem Erdogan-Berater Ilnur Cevik zeigt.
Der FDP-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke, forderte, die UETD vom Landesverfassungsschutz und bundesweit beobachten zu lassen. "Mein Eindruck ist, dass der türkische Staatspräsident Erdogan eine paramilitärische Hilfstruppe zur Durchsetzung seiner politischen Ziele in Deutschland aufgebaut hat", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten". Grünen-Bundeschef Cem Özdemir sagte: "Der lange Arm von Erdogan hat in Deutschland nichts verloren."
Drei Rocker im Zentrum der Ermittlungen
Das Bundesinnenministerium teilte mit, die in den Medien erhobenen Behauptungen stünden teilweise im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren, das bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt gegen Mitglieder der "Osmanen" anhängig sei. Die Sicherheitsbehörden gingen den Hinweisen auf einen möglichen Einfluss staatlicher türkischer Stellen nach. Das gelte erst recht für mögliche geplante Gewalttaten.
Die Ermittler konzentrieren sich vor allem auf den 46 Jahre alten ehemalige "Osmanen-Weltpräsident" Mehmet B., den ehemalige "Osmanen-Vizepräsident" Selcuk S. sowie den Chef der Stuttgarter "Osmanen"-Gruppe Levent U..
2016 gab es bereits mehrere Razzien gegen die türkische Schlägertruppe. Ende 2016 durchsuchten 1.500 Polizisten rund 50 Wohnungen in sechs Bundesländern.
(fab, mit Material der dpa)
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