Die Nato trainiert die Verlegung von Material und Personal an ihre Ostflanke. Damit will das Verteidigungsbündnis ein Zeichen der Abschreckung an Russland senden. Auch in Deutschland wird die Übung in den kommenden Wochen Auswirkungen haben.
Man werde den Menschen in den kommenden Wochen einiges zumuten, sagt Carsten Breuer am Montag in der Bundespressekonferenz. "Es wird lauter und es wird voller auf Deutschlands Schienen und Straßen." Mehr Flecktarn auf der Autobahn – das sei für viele Menschen immer noch gewöhnungsbedürftig. Aus Sicht des Generalinspekteurs der Bundeswehr ist es aber auch nötig.
Reaktion auf russischen Überfall in der Ukraine
Die Annexion der Krim 2014 und der russische Großangriff auf die Ukraine seit 2022 haben die Nato in Alarmbereitschaft versetzt. Damit sind auch die militärischen Großübungen aus der Zeit des Kalten Krieges zurückgekehrt. Im Juni 2023 organisierte Deutschland mit "Air Defender" bereits die größte Luftübung in der Geschichte der Nato – mit Operationen von mehr als 200 Flugzeugen.
Die Bundeswehr müsse in diesen Zeiten "üben, üben und nochmals üben", sagt Breuer. Jeder Handgriff müsse sitzen. "Wir müssen üben, schnell und wirksam zu reagieren."
Seit Anfang dieses Jahres läuft daher die Übung "Steadfast Defender", der Nato zufolge das größte Manöver seit Ende des Kalten Krieges. 90.000 Soldatinnen und Soldaten nehmen daran teil. Sie trainieren die schnelle Verlegung von Panzern, Kriegsschiffen, Flugzeugen an die Außengrenze im Osten des Nato-Gebiets. Der Übungsraum reicht von Nordnorwegen über Polen bis nach Rumänien. Dort sollen "schlagkräftige Verbände" zusammengeführt werden. Eine Übung für den Ernstfall: ein Angriff auf das Gebiet der Nato-Staaten.
12.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr beteiligt
Ein "Stresstest" soll das sein – und vor allem ein Zeichen der Abschreckung an Russland. Die Nato will damit ihre militärischen Muskeln und ihre Schnelligkeit zeigen. Nur wenn die Nato schnell genug Kräfte verlegen könne, wirke die Abschreckung, sagt Breuer. Die russische Regierung wirft dem westlichen Verteidigungsbündnis dagegen vor, mit der Übung die internationale Lage zu destabilisieren.
Als großes Land in der Mitte Europas ist die Bundesrepublik ein militärisches Drehkreuz. "De facto führen alle Wege über Deutschland", sagt Breuer. Deswegen beteiligt sich auch die Bundeswehr im großen Stil an "Steadfast Defender": mit 12.000 Soldaten und Soldatinnen, 3.000 Fahrzeugen und 30 Flugzeugen. Die vier Teilübungen mit deutscher Beteiligung tragen den Titel Quadriga 2024.
"Grand Quadriga": Viele Schwertransporte auf den Straßen
Deutschland werde im Rahmen der jetzt beginnenden Teilübung "Grand Quadriga" zusammen mit den Niederlanden und Frankreich die zehnte Panzerdivision nach Litauen verlegen, kündigt Breuer am Montag an. Das soll unter anderem innerhalb eines niederländisch-deutsch-polnischen Korridors Richtung Osten passieren. Auch durch den Süden des Landes werden allerdings Wege führen.
Das bedeutet: Es wird ab sofort bis Ende Mai Schwertransporte mit gepanzerten Fahrzeugen auf Tiefladern geben. Es wird lange Lkw-Kolonnen mit niedrigen Geschwindigkeiten und Rasträume jenseits der Autobahnen geben.
Spezielle Offiziere sollen dafür sorgen, dass Schäden zum Beispiel an Ackerflächen oder Verkehrswegen möglichst gar nicht erst entstehen. Falls es doch dazu kommen sollte, seien die Landratsämter die richtigen Ansprechpartner, sagt Carsten Breuer.
Schon im Voraus war genaue Planung nötig. Denn Straßen, Schienen, Brücken sind in Deutschland bekanntlich nicht überall auf dem neuesten Stand. Die Bundeswehr sei aber auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen, sagt Breuer. Im Vorfeld hat die Truppe daher Korridore ausgemacht, auf denen sich die Transporte bewegen sollen – und können.
Dietmar Bartsch spricht von "Kraftmeierei"
Doch nicht jeder in der Politik ist begeistert von der Übung. Dietmar Bartsch, Obmann der Gruppe "Die Linke" im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags, hält "Steadfast Defender" für "wenig sinnvoll". "Diese Großübung hat nichts mit Abschreckung gegen Russland zu tun, sondern ist zuerst Kraftmeierei", sagt Bartsch am Montag unserer Redaktion.
Die Nato-Staaten würden inzwischen zwölf Mal mehr für das Militär ausgeben als Russland, meint der Linken-Politiker. "Das Geld, welches bei solchen Manövern verpulvert wird, sollten wir lieber für Infrastruktur und Bildung in unserem eigenen Land verwenden. Der mächtigste Militärblock auf unserem Planeten muss niemanden abschrecken."
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz der Bundeswehr in der Bundespressekonferenz
- Stellungnahme von Dietmar Bartsch, Die Linke
- Bundeswehr.de: Quadriga 2024: Landstreitkräfte üben den Bündnisfall
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