Der deutsche Wirtschaftsmotor stottert. Das liegt auch daran, dass viel zu viele Stellen unbesetzt bleiben – und das Problem wird sich noch verschärfen. In Berlin will die Politik deshalb nun die Weichen stellen, um den Fachkräftemangel energischer zu bekämpfen.
Das Fehlen von Millionen Arbeits- und Fachkräften bedroht nach Ansicht der Bundesregierung in wachsendem Ausmaß den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Wenn wir uns jetzt nicht kümmern, wird das Problem Arbeits- und Fachkräftemangel zur zentralen Wachstumsbremse in Deutschland", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei einem Fachkräftekongress der Regierung am Montag in Berlin. Deutlich wurde, wie die Regierung hier Fortschritte machen will - und welche Hürden jungen Menschen auf dem Weg in den Job heute im Weg stehen.
Es bestehe wachsender Bedarf, "alle Menschen, die im Land arbeiten wollen, auch in die Arbeit zu bringen, in die Ausbildung zu bringen", sagte Wirtschaftsminister
"Wir arbeiten gegen die Uhr."
Stabile Energieversorgung, Beschleunigung von Planungen und die Sicherung der Arbeits- und Fachkräftebasis nannte
Habeck mahnte unter Verweis auf den jüngsten Jahreswirtschaftsbericht: "Das Potenzial im Wachstum geht herunter." In den 80er Jahren habe das sogenannte Potenzialwachstum, also die Wachstumschancen bei optimalen Bedingungen, bei 2 Prozent gelegen. Habeck: "Jetzt gehen wir auf 0,5 – warum? Es fehlen uns die Hände und die Köpfe."
Sieben Millionen Fachkräfte müssten wegen des Älterwerdens der Gesellschaft bis 2035 ersetzt werden, so Heil unter Berufung auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 1,6 Millionen 20- bis 29-Jährige hätten aber keine berufliche Erstausbildung. Bildungsministerin
Heil für mehr Berufsorientierung
Doch im Gespräch der Minister mit Azubis wurde klar, was jungen Menschen den Weg in die Betriebe erschwert. In der eigenen Schule habe es kaum Berufsorientierung gegeben, klagen die jungen Leute fast unisono. Trotz allen politischen Werbens: "Das Thema Ausbildung hat einen negativen Touch - nach dem Motto: Wir machen nur eine Ausbildung, kein Studium", sagte eine gerade ausgelernte Industriekauffrau. Praktische Hindernisse kommen hinzu: So müssten die jungen Leute Fahrten zur oft weit entfernten Berufsschule selbst organisieren und bezahlen.
Und die Berufsschulen beschrieben die Azubis als oft schlecht aufgestellt. "Wir arbeiten hier immer noch teilweise mit unseren wunderschönen Overhead-Projektoren, weil entweder die moderne Technik nicht da ist oder die Lehrkräfte fehlen, die sie bedienen können", berichtete ein junger Lagerlogistiker. Stark-Watzinger räumte ein, die Berufsschulen seien lange "stiefmütterlich" behandelt worden. Unter anderem ein "Startchancen-Programm" der Regierung mit Förderung allgemeinbildender und beruflicher Schulen solle helfen.
Heil sprach sich für einen starken Ausbau der Berufsorientierung in den Schulen aus - am besten so, dass die Schülerinnen und Schüler mittlerer Klassen diese durchgehend bekommen. "Es geht darum, das Spektrum der Berufe bekannter zu machen."
Appelle und Ankündigungen
Mit Aufrufen und Ankündigungen bemühten sich die Minister um einen positiven Ausblick. So sei die Erwerbsbeteiligung von Frauen im Vergleich zu früher deutlich gestiegen - doch etwa im Vergleich zu Skandinavien sei hierzulande noch viel Luft nach oben, so der Arbeitsminister. Ähnlich sei dies mit der Beschäftigung Älterer - sie geht nach oben. Aber Heil mahnte: "Es ist wichtig, dass Großkonzerne Menschen mit 60 nicht zum alten Eisen packen."
Auch die von vielen Beschäftigten als bedrohlich empfundene Ausbreitung von Künstlicher Intelligenz in den Betrieben soll die Probleme mindern - durch Produktivitätsfortschritte und somit stellenweise sinkenden Arbeitskräftebedarfs. Aber: "Wenn wir das hingekriegt haben, wird es immer noch nicht reichen", sagte Heil. Deswegen brauche es mehr Einwanderung von Fachkräften. Der Minister verwies auf die zweite Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, die an diesem Freitag in Kraft tritt und Erleichterungen für die Beschäftigung von Fachkräften mit Berufserfahrung aus dem Nicht-EU-Ausland bringen. (dpa/thp)
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