Verhängt der Westen wegen der Ukraine-Krise weitere Sanktionen gegen Russland? Die Anzeichen dafür verdichten sich. Die schon beschlossenen Strafmaßnahmen der USA und Europas gegen Putins Reich haben bislang mehr durch die diffuse Angst, die sie ausgelöst haben, gewirkt als durch wirklich schmerzhafte Einschränkungen für die davon Betroffenen.
So melodramatisch und staatstragend in den vergangenen Wochen über die von den USA und Europa gegen Russland verhängten Sanktionen gesprochen wurde, so vergleichsweise harmlos ist doch das, was der Westen Russland unter Präsident Wladimir Putin in der Ukraine-Krise bislang entgegengesetzt hat. Nach dem dreistufigen Sanktionsplan der Europäischen Union zum Beispiel hatte Brüssel in einem ersten Schritt Anfang März Gespräche mit Moskau über Visa-Erleichterungen und ein neues Grundlagenabkommen ausgesetzt.
In einem zweiten Schritt hatte Europa dann im März 33 und vor wenigen Tagen weitere 15 Russen und Ukrainer mit Reisebeschränkungen belegt. Ähnliches hatten die USA getan, weil der Westen Russland vorwirft, die Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen und zum Widerstand gegen Kiew anzustacheln. Auch Washington hatte Einreiseverbote gegen einzelne Russen aus dem Umfeld Putins verhängt, dazu einige Unternehmen wie zum Beispiel die Bank Rossija mit Sanktionen bestraft. Gemessen an der Größe der Ukraine-Krise, die längst nicht mehr nur schwelt, sondern zu einem Konflikt geworden ist, in dem beinahe täglich Menschen sterben, ist all das aber kaum mehr als Symbolpolitik.
Aus dieser Perspektive ist es entsprechend ein Leichtes, wenn westliche Politiker seit Tagen damit drohen, die Sanktionen gegen Russland verschärfen zu wollen. Zuletzt hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama bei einem Treffen in Washington am vergangenen Freitag ihren gemeinsamen Willen dazu bekräftigt, sollte Russland nicht endlich mäßigend auf die prorussischen Separatisten einwirken, die die Ukraine inzwischen an den Rand eines Bürgerkriegs getrieben haben.
Sanktionen zeigen Wirkung
Diese Symbolpolitik blieb allerdings einerseits nicht völlig ohne Wirkung. Denn so vergleichsweise tatsächlich harmlos die bislang beschlossenen Strafmaßnahmen sind, so sehr hat die für alle Arten von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schwingungen hochempfindliche Finanzwirtschaft längst darauf reagiert – zum Nachteil Russlands.
Obwohl die bislang beschlossenen Strafmaßnahmen unter dem Strich nicht viel mehr bedeuten, als dass einige mächtige ukrainische und russische Männer nun nicht mehr in die EU oder in die USA einreisen dürfen und die Kunden von Rossija nicht mehr mit Visa- oder Mastercard-Karten bezahlen können, haben sie doch Wirkung gezeigt: Westliche Ratingagenturen haben inzwischen ernste Zweifel an der Kreditwürdigkeit Russlands angemeldet, die Aktien von russischen Großkonzernen wie Gazprom mussten deutliche Kursverluste hinnehmen, und Anleger zogen bereits große Geldbeträge aus dem Land ab.
Jean-Claude Juncker, der langjährige ehemalige Vorsitzende der Euro-Gruppe, betont: "Man weiß ja jetzt schon, was es an Kapitalabfluss aus Russland in den vergangenen Wochen und Tagen gegeben hat. Das geht nicht wirkungslos an Russland vorbei."
Anders ausgedrückt: Auch wenn die bisherigen, eher symbolischen Sanktionen des Westens nur einen sehr kleinen Personenkreis betreffen, haben sie Folgen, weil sie mit der diffusen Angst verbunden sind, dass sie nur der Auftakt einer noch viel weitreichenderen Serie von Strafaktionen sein könnten. Bislang ist diese Angst die eigentliche Waffe des Westens im Umgang mit Russland.
Mehr Symbolpolitik
Für die Wirtschaft in
Wo großangelegte Strafmaßnahmen zum Beispiel gegen den Energiesektor Russlands auch deutsche Wirtschaftsinteressen massiv beeinträchtigen könnten, hat Moskau bislang eher zurückhaltend auf die Aktionen des Westens reagiert. Alles, was die russische Seite als Reaktion auf die US-Einreiseverbote bislang tat, war ihrerseits Einreisesperren gegen neun amerikanische Politiker zu verhängen – unter anderem gegen den republikanischen Senator John McCain, der als außenpolitischer Hardliner gilt.
Das große "andererseits" in diesem gefährlichen Spiel: So sehr die begrenzten Sanktionen auch schon einige Wirkungen entfaltet haben, ihr eigentliches Ziel haben sie bislang verfehlt. Eigentlich hätten sie Putin zum Einlenken in der Ukraine-Krise bewegen sollen. Das haben sie nicht erreicht.
Ob schärfere Sanktionen das können, wird davon abhängen, wie solche Aktionen im Detail aussehen. Sollen solche Maßnahmen allerdings wirklich greifen, werden sie auch in Deutschland, Europa und dem Westen Spuren hinterlassen. Juncker hatte das vor einigen Tagen bereits eingeräumt: "Wenn wir, was wir sind, auch weiter eine Wertegemeinschaft bleiben wollen, dann müssen wir dies in Kauf nehmen. Angenehm ist das nicht, aber die Verteidigung von Werten hat auch einen Preis."
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