In der Affäre um mutmaßlichen Betrug bei Klimaschutz-Projekten in China hat das Umweltbundesamt den für diesen Bereich verantwortlichen Mitarbeiter vom Dienst suspendiert. Das bestätigte ein Sprecher des Umweltbundesamtes (UBA) der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte bereits UBA-Chef Dirk Messner den Umweltausschuss des Bundestags in einer Sondersitzung über den personellen Schritt unterrichtet.

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"Mit sofortiger Wirkung" freigestellt

Laut dem UBA-Sprecher handelt es sich um eine "mitarbeitende Person aus der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt)", die "mit sofortiger Wirkung und für zunächst drei Monate freigestellt" worden sei. Hintergrund für diese Freistellung seien die derzeit laufenden Ermittlungen zu möglichen Betrugsfällen im Zusammenhang mit Klimaschutzprojekten in China. Das Umweltbundesamt ist verantwortlich für die Genehmigung dieser Projekte.

Das UBA weise darauf hin, dass "bislang keinerlei Beweise für ein persönliches Fehlverhalten der betroffenen Person vorliegen", sagte der Sprecher. Mit dem Schritt solle lediglich "die lücken- und vorbehaltlose Aufklärung der derzeitigen Vorwürfe vorangetrieben werden".

Klimabeiträge haben wohl in vielen Fällen nie existiert

Wie kürzlich bekannt wurde, haben sich deutsche Mineralölkonzerne möglicherweise mehrfach einen Beitrag auf ihre CO2-Bilanzen anrechnen lassen, der auf Projekte in China zurückging, die es wohl so nie gegeben hat. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die am Mittwoch im Umweltausschuss des Bundestags zu den Vorgängen Rede und Antwort stehen musste, sprach von einem "Betrugsgeflecht" und "schwerer Umweltkriminalität".

Lemke sagte, dass alle Neuanträge für die besagten Projekte gestoppt worden seien. Insgesamt gehe es um 40 von 69 Projekten in China, die derzeit unter Betrugsverdacht stünden. Zwei dieser Projekte würden wegen Verstoßes gegen die Vorgaben bereits rückabgewickelt. Auch sei Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt worden.

Ermöglicht wurde der Betrug durch einen Mechanismus, der es Mineralöl-Konzernen in Deutschland erlaubt, mithilfe von Klimaschutzprojekten in China gesetzlich vorgegebene Klimaziele zu erreichen. In dem System können Konzerne ihre Treibhausgasquoten verbessern, wenn innerhalb der Lieferkette CO2-Emissionen eingespart werden.

Sie können also Projekte, bei denen im Öl-Sektor Emissionen reduziert werden, finanzieren, und bekommen sie bei Anerkennung entsprechender Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben. Diese "Upstream Emission Reduction"-Projekte (UER) werden dann auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet.

Kritik aus Union und SPD

In einer Sondersitzung befasste sich der Umweltausschuss des Bundestags auch am Freitag mit den Betrugsfällen. Eigentlich sollte auch Lemke erneut persönlich befragt werden. Sie wurde nach Angaben von Sitzungsteilnehmern aber von ihrem Parlamentarischen Staatssekretär Jan-Niclas Gesenhues vertreten.

Die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber, kritisierte das Fehlen der Ministerin. "Der Skandal um gefälschte Klimaprojekte zieht weiter Kreise, und die Bundesumweltministerin kommt weiter unter Druck. Dennoch stellte sie sich nicht den Fragen des Umweltausschusses", sagte Weisgerber. Das zeuge von Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament. Nach Angaben des UBA gab es bereits im Sommer 2023 erste Hinweise auf Betrug. Diese Hinweise hätten sich aber erst Monate später konkretisiert.

Auch aus der SPD-Fraktion kam die Forderung nach Aufklärung. Das UBA habe die Kontrolle der Projekte in erheblichem Umfang vernachlässigt", sagte SPD-Umweltpolitiker Daniel Rinkert. Die Suspendierung des Mitarbeiters zeige eine "völlig neue Dimension der Vorgänge, die schnellstmöglich aufgeklärt werden muss". Lemke sei hier in der Verantwortung.  © dpa

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