Der Umgang Deutschlands mit dem Migrationspakt der Vereinten Nationen wird derzeit wieder diskutiert. Während die Befürworter einer Unterschrift vor allem Schutz und Rechte von Migranten gewahrt sehen, befürchten Gegner, dass der Pakt eine grenzenlosen Migration fördern wird. Dazu kursieren im Internet zahlreiche Falschinformationen. Zeit für einen Faktencheck.
Aktuell steht Gesundheitsminister
Während er von einigen Kollegen wie Fraktionsvize
So sagte Norbert Röttgen (CDU) gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Die Unterzeichnung des Migrationspakts notfalls zu verschieben, wäre eine doppelte Führungsschwäche, die sich Deutschland nicht erlauben darf."
Bundeswirtschaftsminister
Scharfe Kritik vor allem vom politischen Gegner
Noch schärfer reagiert
Doch was hat es mit dem Migrationspakt der Vereinten Nationen überhaupt auf sich?
Vor allem im Internet kursieren zahlreiche (teilweise absichtlich verbreitete) Falschinformationen dazu. Ein Faktencheck.
Migration ist ein weltweites Phänomen - die Zahlen
Die UN-Sonderbeauftragte für Migration, Louise Arbour, sagte gegenüber dem Tagesspiegel, Kritik am Pakt sei "lächerlich": "Der Vertrag fördert Migration nicht, und er verhindert sie nicht. Er anerkennt, dass sie eine Realität ist."
Tatsächlich ist Migration ein globales Phänomen, von dem alle Länder der Welt betroffen sind. Zum Teil folgen die Wanderungsbewegungen den weltweiten Arbeitsmärkten – ein großer Teil der Menschen befindet sich aber auch auf der Flucht vor Kriegen und Verfolgung.
Laut dem "Migrationsreport" der UN lebten im Jahr 2017 rund 258 Millionen Menschen (78 Millionen davon in Europa) nicht in dem Land, in dem sie geboren wurden. Im Jahr 2000 waren es 173 Millionen. Laut UNHCR sind insgesamt 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht.
Die Ziele des UN-Migrationspaktes
Der "Globale Pakt für Migration" der Vereinten Nationen soll am 10. und 11. Dezember in Marokko unterzeichnet werden. Zentrale Ziele (die Vereinten Nationen formulierten insgesamt 23) daraus sind unter anderem:
- Die Staaten verpflichten ihre Konsulate zu internationaler Zusammenarbeit, um Rechte und Interessen aller Migranten zu schützen.
- Die Lebensbedingungen sind weltweit so zu verbessern, dass Menschen auch in ihrer Heimat bleiben können. Neben sozialen Faktoren steht der Kampf gegen Klimawandel und Umweltzerstörung im Fokus.
- Migranten sollen über den Nachweis einer Identität und entsprechende Dokumente verfügen.
- Arbeitende Migranten sollen besser gegen Ausbeutung, Missbrauch und die Verletzung von Menschen- und Arbeitsrechten geschützt werden.
- Beim Bezug von unterstützenden Leistungen sind Migranten nicht zu benachteiligen. Der Anspruch darauf ist ein Menschenrecht.
- Die UN fordern die vollständige Eingliederung von Migranten in die Gesellschaft - auf Basis gegenseitigen Respekts.
- Schleuserbanden sollen grenzübergreifend stärker verfolgt und bestraft werden, geschmuggelte Migranten aber straffrei bleiben.
- Gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz streben die UN eine öffentliche Debatte über Migranten an, die auf "nachweisbaren Fakten" beruht, und unterstreichen "das Recht der freien Meinungsäußerung".
Welche Staaten wollen nicht mehr unterschreiben?
Die USA lehnten den Pakt von vornherein ab und nahmen gar nicht erst an den Verhandlungen teil. Somit blieben 192 von den 193 in der UN organisierten Staaten übrig.
Doch dann stiegen Australien und Ungarn aus; später folgten Österreich und Bulgarien. Estland und Tschechien haben bereits Nein gesagt.
Aus Polen, Kroatien und der Schweiz sind ebenfalls überwiegend kritische Stimmen zu hören – die Zustimmung aus diesen Ländern ist ungewiss.
Die Kritik und ein Blick auf die Fakten:
1. BEHAUPTUNG: Wenn dem Migrationspakt zugestimmt wird, kommen mehr Migranten nach Deutschland
BEWERTUNG: Höchstwahrscheinlich falsch.
FAKTEN: Der Migrationsforscher Olaf Kleist ist sich sicher, dass eine Zustimmung zum Pakt keine Auswirkung auf die Menge von Zuwanderern haben wird. "Die Anzahl von Migranten weltweit ist seit Jahrzehnten konstant, das wird sich dadurch auch nicht ändern."
Ähnlich äußert sich die Professorin für Völkerrecht Anne Peters. Zwar könne aus einem Dokument wie dem UN-Migrationspakt ein sogenanntes Völkergewohnheitsrecht entstehen, dies funktioniere jedoch nur, wenn eine Rechtsüberzeugung erkennbar werde. Kein Migrant könne vor einem deutschen Gericht auf Grundlage des Pakts klagen.
2. BEHAUPTUNG: Migration wird weitgehend positiv dargestellt
BEWERTUNG: Richtig.
FAKTEN: Bereits zu Beginn des Entwurfs findet sich folgender Satz: "Wir erkennen an, dass sie [Migration] in unserer globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung darstellt und dass diese positiven Auswirkungen durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden können."
Risiken kommen fast immer in Bezug auf die Gefahren zur Sprache, denen Migranten ausgesetzt sind. Nur in einem Fall geht es um Risiken innerhalb der Zielländer: "Dieser globale Pakt [...] folgt der Erkenntnis, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, um [...] die Risiken und Herausforderungen anzugehen, die sich den einzelnen Menschen und den Gemeinschaften in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern stellen", heißt es in dem Entwurf.
Doch es geht nicht nur um den Schutz der Zuwanderer, auch die Sicherheit innerhalb der Zielländer soll garantiert werden - unter anderem sollen die Herkunftsstaaten schnell und unbürokratisch Ausweise ausstellen.
Zudem beinhaltet der Entwurf ein Bekenntnis zur zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im Grenzschutz. Es werden also auch explizit die Herkunftsländer in die Pflicht genommen.
3. BEHAUPTUNG: Migranten erhalten die gleichen Rechte wie Flüchtlinge
BEWERTUNG: Falsch.
FAKTEN: Die Präambel des Pakts betont, dass nur Flüchtlinge ein Recht auf Schutz im Sinne des internationalen Flüchtlingsrechts haben. Eine Gleichstellung von Migranten und Flüchtlingen findet sich nur mit Blick auf die Menschenrechte. Diese beinhalten jedoch keinen Anspruch darauf, dauerhaft in einem anderen Land wohnen und arbeiten zu dürfen.
Kritiker des Paktes wenden ein, eine mögliche Stärkung der Rechte und Ansprüche von Migranten in den Aufnahmeländern biete einen zusätzlichen Anreiz für Wanderungsbewegungen.
4. BEHAUPTUNG: Medien sollen nur über die Vorteile der Zuwanderung berichten
BEWERTUNG: Dieser Vorwurf lässt sich nicht aus dem UN-Migrationspakt ableiten. Allerdings ist die Androhung von Sanktionen gegen Medien durch ein internationales Dokument in dieser Form ungewöhnlich.
FAKTEN: Der Migrationspakt sieht vor, die Übereinkunft in Zusammenarbeit mit Medien und anderen Institutionen umzusetzen. Dabei müsse die Medienfreiheit unbedingt gewahrt bleiben. Die Unterzeichner des Paktes sollen aber auch bereit sein, unter bestimmten Umständen "staatlich finanzierten" Medien die Unterstützung zu streichen.
Dieser Fall trete ein, wenn jene aus öffentlichen Geldern finanzierten Medien "systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern".
"Ich gehe davon aus, dass dieser Passus für autokratische Regime bestimmt ist, aber nicht für die Bundesrepublik Deutschland", sagt der Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes, Hendrik Zörner. "Bei uns gibt es keine Medien, die vom Staat finanziert werden, von daher gilt diese Aussage für Deutschland nicht."
5. BEHAUPTUNG: Deutschland verpflichtet sich, Migranten aufzunehmen
BEWERTUNG: Falsch.
FAKTEN: Sogar das Gegenteil ist der Fall: Die Herkunftsstaaten verpflichten sich, Emigranten aus ihren Ländern "eine sichere und würdevolle Rückkehr und Wiederaufnahme zu ermöglichen".
Eine Verpflichtung zur Aufnahme von Migranten gibt es nicht. Genauso bleibt die Souveränität der einzelnen Staaten unangetastet. Der Migrationspakt stellt sich also keinesfalls über nationales Recht, wie unter anderem auch von der AfD behauptet wird. Er hat rechtlich unverbindlichen Charakter.
Im Entwurf sind zudem keine Sanktionen vorgesehen, sollte sich ein Staat nicht an den Pakt halten. Der Generalsekretär der UN soll alle zwei Jahre berichten, inwieweit der Pakt bereits umgesetzt wurde. Zudem ist die Umsetzung alle vier Jahre etwa durch Regierungsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und UN-Vertreter zu überprüfen. (dpa/dh)
Verwendete Quellen:
- DPA
- UN-Migrationspakt
- UNHCR-Statistiken
- UN-Migrationsreport
- Bundeszentrale für politische Bildung "Migration weltweit"
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