Schottland hat sich entschieden – gegen die Unabhängigkeit. Für den schottischen Ministerpräsident Alex Salmond und sein "Ja"-Lager ist dies dennoch keine Niederlage. Im Gegenteil. Und auch der Regierung in London bleibt ein Fiasko erspart.
Für die schottische Unabhängigkeitsbewegung ist der Traum von der Abspaltung geplatzt. Sie hat das Referendum über die Loslösung von Großbritannien verloren. Mit klarer Mehrheit haben sich die Schotten für die Fortsetzung der seit 307 Jahren bestehenden Union mit England sowie mit Wales und Nordirland entschieden.
Alex Salmond kein Verlierer
Die Gründe sind dabei wohl ökonomischer Natur, vermutet Roland Sturm, Professor für politische Wissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. "Die Überlegung war wahrscheinlich, dass Schottland auf der sicheren Seite bleibt, wenn das Land sich nicht vom United Kingdom abspaltet", sagt der Experte im Gespräch mit unserem Portal. Es gab vor dem Referendum viele Unentschlossene, gibt der Experte zu bedenken. "Die sind in der Regel weniger enthusiastisch als die Wähler aus dem 'Ja'-Lager."
Zudem habe die öffentliche Debatte der "Yes"-Aktivisten sicher das Bild im Vorfeld etwas verzerrt. Gegner hätten sich vielleicht nicht getraut, öffentlich Nein zu sagen – aus Angst vor Rechtfertigung.
Sturm sieht die schottische Regierung aber nicht als Verlierer. Im Gegenteil. "Für Ministerpräsident Alex Salmond ist das Nein zur Unabhängigkeit dennoch ein Sieg. Denn die britische Regierung hat im Vorfeld viele Zugeständnisse an Schottland gemacht." Und die will David Cameron einhalten.
David Cameron kündigt umfassende Reformen an
Der britische Premierminister hat diesbezüglich gleich nach dem Wahlergebnis eine umfassende Verfassungsreform für ganz Großbritannien angekündigt. Eine Ausweitung der Machtbefugnisse für das schottische Regionalparlament in Edinburgh solle noch im November verhandelt werden, kündigte Cameron in der Downing Street an. Ein Gesetzentwurf solle im Januar 2015 vorliegen. "Aber der entscheidende Teil, der bisher fehlte, ist England", sagte Cameron zur Föderalismus-Debatte in Großbritannien.
Es solle künftig "englische Stimmen für englische Gesetze geben", sagte David Cameron ohne dies näher zu erläutern. Die oppositionelle Labour-Partei hatte ein eigenes Parlament für den weitaus größten Teil Großbritanniens gefordert.
Wird es ein neues Referendum geben?
Cameron war wegen des Referendums unter Druck geraten. Kritiker hatten ihm vorgehalten, er habe sich bei der Vorbereitung des Referendums von den Befürwortern der Unabhängigkeit über den Tisch ziehen lassen. Für Politikexperte Sturm hat sich der Premier damit arg verspekuliert. "Er machte damit das Thema erst zu einem seriösen Thema", das Großbritannien beinahe einen herben Verlust bescherte.
Sturm denkt, dass es ein weiteres Referendum geben könnte. Dazu bedürfe es aber erneut der Zustimmung des britischen Parlamentes. Das müsste das Schottengesetz erneut ändern. "Die Briten würden es sicher nicht ablehnen", so Sturms Einschätzung.
David Cameron äußerte sich diesbezüglich anders. Er verteidigte zunächst seine umstrittenen Entscheidungen zum Schottland-Referendum. "Wir hätten versuchen können, es zu verhindern", sagte er am Freitagmorgen in der Downing Street in London. "Aber es wäre nicht richtig gewesen, sich wegzuducken." Es sei auch richtig gewesen, eine klare Frage auf dem Stimmzettel zu stellen.
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