- Frank Ulrich Montgomery hat bei "Anne Will" wegen zu niedriger Impfquoten gegen das Coronavirus von einer "Tyrannei der Ungeimpften" gesprochen.
- In der Politik erntet er dafür Kritik. Dieser Satz sei wenig hilfreich, sagt etwa der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich dazu am Montag.
- Auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans kritisiert die Formulierung und setzt eher auf "ganz offensive Aufklärung".
Frank Ulrich Montgomery ist ein Freund klarer Worte. So war es auch am Sonntagabend in der Talkrunde von Anne Will: Der Vorsitzende des Weltärztebundes brachte dort eine Impfpflicht gegen das Coronavirus ins Gespräch. "Momentan erleben wir ja wirklich eine Tyrannei der Ungeimpften, die über das Zweidrittel der Geimpften bestimmen und uns diese ganzen Maßnahmen aufoktroyieren", sagte Montgomery.
Er benutze den Begriff sehr bewusst, meinte der Mediziner auf Nachfrage von
Kritik an Montgomerys Wortwahl
In der Politik erntete Montgomery mit seiner Wortwahl am Montag kaum Zustimmung. Der SPD-Vorsitzende
Der Wortwahl von Montgomery will sich Walter-Borjans nicht anschließen: "Es gibt ängstlichere und wenig ängstliche Menschen", sagt der SPD-Politiker. "Und diejenigen, die ängstlicher sind und sich deswegen noch nicht entschließen konnten, sich impfen zu lassen, kann man nicht als Tyrannen bezeichnen."
Um die Impfquote zu steigern, will Walter-Borjans weiterhin auf eine "ganz offensive Aufklärung" setzen. Er wies darauf hin, dass die große Mehrheit der Patienten auf den Intensivstationen Ungeimpfte seien.
AfD-Politiker: Eigenverantwortung statt höherer Impfquote
Deutliche Kritik an Montgomerys Äußerung kommt von der AfD-Bundestagsfraktion. "Die AfD-Fraktion tritt für die Freiheit eines jeden Menschen ein, selber zu entscheiden, ob er sich impfen lassen möchte", teilte der Gesundheitspolitiker Jörg Schneider mit. "Das Wahrnehmen dieser Freiheit kann grundsätzlich keine 'Tyrannei' sein."
Die AfD zweifelt am Sinn einer hohen Impfquote, weil sich auch Geimpfte anstecken und das Virus weitergeben könnten. Mit einer ähnlichen Ansicht hat auch Linken-Politikerin
CDU sieht noch Potenzial für höhere Impfquote
In Deutschland sind derzeit rund 67 Prozent – also zwei Drittel der Bevölkerung – vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Nach Ansicht von Expertinnen und Experten reicht das nicht, um die "Herdenimmunität" zu erreichen und die Ausbreitung des Virus zu stoppen. In anderen europäischen Ländern wie Italien, Spanien, Dänemark und Belgien liegen die Impfquoten bereits deutlich höher.
Die CDU ist jedoch der Meinung, dass die Politik den bisher eingeschlagenen Weg fortsetzen solle. Man müsse Skeptiker motivieren und niedrigschwellige Impfangebote machen, sagte Michael Hennrich, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Hennrich glaubt, dass noch Potenzial vorhanden ist, um die Impfquote auf diesem Weg weiter zu steigern. "Das hat ja auch das Beispiel Österreich gezeigt." Dort bieten Bundesländer unter anderem eine "Impf-Lotterie" an. Von einer "Tyrannei der Ungeimpften" zu sprechen, findet Hennrich falsch. "Ich finde so einen Satz wenig hilfreich, weil er uns in der Sache nicht weiterbringt, sondern eher die Abwehrhaltung verstärkt."
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