Wenn sich in Deutschland alles um die Weltmeisterschaft dreht, packen die Politiker gerne unpopuläre Themen an. Umstrittene Gesetze können dann im Schnellverfahren durchgedrückt werden - ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Was planen die Politiker in diesem Jahr?
Verschwörungstheoretiker könnten die Fußball-WM für eine clever ausgedachte Kampagne von Politikern halten. Das Volk verfolgt wie im Rausch die Fußballspiele des DFB-Teams. Über 26 Millionen Zuschauer schalteten beim ersten WM-Spiel Deutschland gegen Portugal laut "quotenmeter.de" ein, das Publikum auf den Fanmeilen und im Biergarten werden dabei gar nicht mit eingerechnet. Auch in den Medien dreht sich fast alles um Fußball.
In dieser Zeit können die Politiker rasch Gesetze durchdrücken, die andernfalls vielleicht auf großen Widerstand stoßen würden. Während der EM 2012 wurde im fast leeren Bundestag das umstrittene Meldegesetz, das den Datenschutz der Bürger erheblich untergraben hätte, in nur 57 Sekunden verabschiedet. Weniger als 30 Abgeordnete von insgesamt 620 stimmten über den Vorschlag ab. Zeitgleich lief das Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Italien.
Mehrwertsteuererhöhung mitten im Sommermärchen
Der Bundesrat stoppte das 57-Sekunden-Gesetz später nach massiver Kritik. Doch schon zuvor wurde die kollektive Fußball-Euphorie von Politikern ausgenutzt: Der Bundestag beschloss die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent - mitten im Sommermärchen 2006. Zur WM 2010 in Südafrika wurde eine Erhöhung der Krankenkassen-Beiträge festgelegt. Und auch dieses Jahr könnten während der WM unliebsame Themen angepackt werden.
Drohnen haben in Deutschland bei vielen Menschen einen schlechten Ruf. Verteidigungsministerin
Fracking ist ebenfalls umstritten, nicht nur bei Umweltschützern und Bierbrauern. Die Umweltminister der Länder stellten sich erst im Mai gegen die Einführung der riskanten Gasförderung. Durch die Krise in der Ukraine will Energie- und Wirtschaftminister
Wolfgang Schäuble plant großes Reformpaket während der WM
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die PR-Abteilung viele schöne Bilder aus der Kabine der Nationalmannschaft sammelt, schlägt sich ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble mit unerfreulicheren Themen herum: Der CDU-Politiker will derzeit ein umfangreiches Reformpaket für Lebensversicherer auf den Weg bringen. Die Branche leidet unter den Niedrigzinsen, was nun auch Millionen Kunden zu spüren bekommen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert, dass Kunden, die bald kündigen oder deren Vertrag demnächst endet, zu den Verlierern gehören werden. Sie kommen weniger stark in den Genuss von "Bewertungsreserven" und können dadurch Einbußen bis zu mehreren tausend Euro erleiden. Zudem soll der Garantiezins für neue Lebensversicherungsverträge zum 1. Januar 2015 von bisher 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent gesenkt werden. Eine Reform also, die viele Gegner haben wird. Und zwar nicht nur auf dem Fußballplatz.
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