Nach dem schwachen Auftritt von US-Präsident Joe Biden bei der ersten TV-Debatte vor der Präsidentschaftswahl hat ein erster Kongressabgeordneter der US-Demokraten den Staatschef zum Rückzug seiner Kandidatur aufgefordert. Der Abgeordnete Lloyd Doggett aus dem Bundesstaat Texas äußerte am Dienstag in einer Erklärung die Hoffnung, dass Biden "die schmerzhafte und schwierige Entscheidung" treffen werde, aus dem Rennen "auszusteigen". "Ich fordere ihn respektvoll dazu auf", fügte Doggett hinzu.
Biden will an Kandidatur festhalten
Biden versucht indes, die Reihen hinter sich zu schließen. Forderungen nach einem Rückzug erteilt der 81-Jährige eine Abfuhr. Der Präsident setzte am Wochenende äußerlich unbeirrt seinen Wahlkampf fort. Auch sammelte er Spenden bei exklusiven Empfängen in New Jersey und den Hamptons nahe New York - die Hamptons sind als Wochenendreiseziel der Reichen und Schönen bekannt. Dort versuchte
Biden lieferte sich am Donnerstagabend (Ortszeit) ein TV-Duell mit seinem republikanischen Amtsvorgänger
Biden und sein Team gehen in die Offensive
Bidens Lager setzte nach dem TV-Debakel auf Schadensbegrenzung und ging in den Angriffsmodus. Die Daten würden zeigen, dass das Duell nichts an der Wahrnehmung der amerikanischen Bevölkerung geändert habe, hieß es in einer E-Mail an Parteianhänger. "
Biden selbst bearbeite Großspender bei einer Reihe von nichtöffentlichen Veranstaltungen. Zu den Ausrichtern eines länger geplanten Empfangs im Nobelort East Hampton gehörten Hollywood-Stars wie Sarah Jessica Parker, Matthew Broderick und Michael J. Fox. Auf dem Weg zu dem Termin wurde Biden von einigen Demonstranten empfangen. Diese hielten am Straßenrand Schilder hoch, auf denen etwa "Wir lieben dich, aber es ist an der Zeit" oder "Tritt zurück für die Demokratie" stand. Allein bei einer weiteren Veranstaltung in New Jersey sind nach Angaben von Bidens Team rund 3,7 Millionen US-Dollar (rund 3,4 Millionen Euro) zusammengekommen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Biden zieht sich mit der Familie zurück
Biden reiste nach seinem Spendensammel-Marathon weiter nach Camp David - dies ist der Landsitz von US-Präsidenten nahe Washington. Dort wolle Biden die Zukunft seines Wahlkampfs mit der Familie besprechen, berichtete der Sender NBC. Das Weiße Haus reagierte blitzschnell nach Veröffentlichung des Texts und wies die Darstellung zurück. Der Ansatz des Berichts sei nicht korrekt. Die Regierungszentrale betonte, dass der Trip bereits lange vor der Debatte festgestanden habe und ein Familienfoto der Bidens geplant sei. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass das Treffen nun nicht zur Krisensitzung wird.
Eine besondere Rolle dürfte dabei auch First Lady Jill Biden zukommen. Die Bidens sind seit 47 Jahren verheiratet. Jill Biden gilt als engste Vertraue des US-Präsidenten, das Wort der 73-Jährigen hat Gewicht. Sie verteidigte ihren Ehemann nach dem verpatzten TV-Duell demonstrativ. "Joe ist nicht nur die richtige Person für diesen Job", sagte sie am Samstag bei einem Spendensammel-Event. "Er ist die einzige Person für den Job."
Demokraten in Alarmbereitschaft
Bisher steht auch die erste Reihe der Demokraten geschlossen hinter Biden - aber in der Partei rumort es. Tatsächlich dürften die kommenden Tage entscheidend sein. Denn dann dürften Umfragen zeigen, ob sich Bidens schwacher Auftritt bei den Wählerinnen und Wählern niederschlägt. Sollten Bidens Umfragewerte schlechter werden, dürfte das nicht nur Spender verunsichern, sondern auch demokratische Politiker, die im November ebenfalls zur Wiederwahl stehen, in Panik versetzen.
Beim Parteitag im August in Chicago soll Biden offiziell zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei gekürt werden. Die nötigen Delegiertenstimmen dafür hat er bereits bei den Vorwahlen gesammelt - der Krönungsparteitag ist zumindest bisher reine Formsache. Theoretisch ist es aber möglich, dass die Partei kurzfristig umsattelt und Biden aus dem Rennen nimmt. Dafür müsste Biden aber selbst den Weg freimachen und zurückziehen. Beobachter halten das so kurz vor der Wahl für ein bloßes Gedankenspiel. Und selbst wenn dieser Fall einträte, stellt sich die Frage, wer Biden nachfolgen könnte im Duell gegen den 78 Jahre alten Trump.
Keine echte Alternative
Da die Demokraten auf Biden gesetzt haben, haben sie es versäumt, eine Nachfolge aufzubauen. Vizepräsidentin Kamala Harris ist sehr unpopulär. Die 59-Jährige dürfte kaum die erste Wahl sein. Ein Name, der fällt, ist Gavin Newsom. Der 56 Jahre alte Gouverneur des liberalen US-Bundesstaats Kalifornien ist ein eloquenter Vollblutpolitiker. Ob er bei der konservativeren ländlichen Bevölkerung punkten könnte, ist fraglich. Auch Gretchen Whitmer, die 52 Jahre alte Gouverneurin des Bundesstaats Michigan, wird genannt. Die Juristin zählt zum Führungszirkel der Demokratischen Partei. Als Lichtgestalt gilt für viele Demokratinnen und Demokraten Michelle Obama, die frühere First Lady und Ehefrau von Ex-Präsident Barack Obama. Dass sie plötzlich ins Rennen einsteigen könnte, ist eher illusorisch. (mss/dpa/afp)
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