Der Weg zum Vorsitz des US-Repräsentantenhauses war steinig für Kevin McCarthy. Nach dem Haushaltsstreit macht ihm der rechte Rand seiner Partei erneut das Leben schwer - und greift zu einem seltenen Mittel.
Von Freundschaft sind die Parteifreunde Kevin McCarthy und Matt Gaetz weit entfernt. Vielmehr führen die beiden Republikaner einen erbitterten Machtkampf, der das US-Repräsentantenhaus in weiteres Chaos stürzen könnte. Der ultrarechte Abgeordnete Gaetz will McCarthy von der Spitze der Kongresskammer stoßen, einen entsprechenden Antrag hat der glühende Anhänger von Ex-Präsident
McCarthy wird nach 15 Wahlgängen neuer Repräsentantenhaus-Chef
Es ist die Fortsetzung - und der vorläufige Höhepunkt - eines Konflikts innerhalb der republikanischen Fraktion, der schon schwelt, seit die Oppositionspartei zu Jahresbeginn die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernahm. McCarthy hatte damals eine Rekordzahl von 15 Wahlgängen gebraucht, um zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt zu werden.
Grund war der Widerstand von Gaetz und anderen Rechtsaußen-Republikanern, die den Politiker aus Kalifornien nicht mittragen wollten. Die aus eisernen Trump-Anhängern zusammengesetzte Gruppierung zwang den 58-Jährigen zu schmerzhaften Zugeständnissen, um ihre Blockade zu beenden.
So stimmte McCarthy einer Regelung zu, wonach schon ein einzelner Abgeordneter einen Antrag auf seine Absetzung stellen kann. Das macht den "Speaker" ("Sprecher"), wie der Vorsitzende des Repräsentantenhauses in den USA genannt wird, besonders angreifbar - und zur Geisel der rechten Hardliner in den eigenen Reihen.
McCarthy: "I will survive"
Jetzt will Gaetz diese Regelung nutzen, um McCarthy aus dem Amt zu kegeln. Hintergrund ist der Streit um die am Wochenende vom Kongress in letzter Minute abgewendete Haushaltssperre. McCarthy hatte mit Hilfe der Demokraten von
Gaetz, ein für polemische Äußerungen bekannter Scharfmacher aus Florida, wirft McCarthy vor, gegen parteiinterne Zusagen zu Einsparungen verstoßen zu haben. Der Repräsentantenhaus-Vorsitzende habe sogar einen "heimlichen Deal" mit Biden vereinbart, um im Übergangshaushalt nicht enthaltene neue Ukraine-Hilfen zu beschließen. "Wir müssen mit einer neuen Führung weitermachen, die vertrauenswürdig ist", sagte der 41-Jährige im Nachrichtensender CNN. "Das eine, was alle gemeinsam haben, ist, dass niemand McCarthy vertraut."
Der so attackierte McCarthy reagierte mit trotziger Unerschrockenheit. "I will survive" ("Ich werde überleben") beteuerte der Republikaner, so wie im berühmten Lied von Gloria Gaynor. Wenn Gaetz wütend darauf sei, dass er - McCarthy - einen Shutdown verhindert habe, "dann lasst uns diesen Kampf führen".
Gaetz und McCarthy geraten immer wieder aneinander
Neu ist die Feindschaft zwischen den beiden Männern nicht. Schon im Januar hatte Gaetz zu jenen Republikanern gehört, die McCarthys Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses verhindern wollten. Er bezeichnete McCarthy als Opportunisten ohne Rückgrat und Teil des Washingtoner Politik-Establishments: "Wenn man den Sumpf austrocknen will, kann man damit nicht den größten Alligatoren beauftragen." In einem Wahlgang stimmte Gaetz sogar für Trump, der sich gar nicht um das "Speaker"-Amt beworben hatte.
Auch in den folgenden Monaten gerieten die beiden Männer immer wieder aneinander. So warf Gaetz McCarthy vor, bei dem von rechten Hardlinern angestrebten Amtsenthebungsverfahren gegen Biden nicht entschieden genug voranzuschreiten. Als Gaetz Mitte September mit einem Antrag auf Absetzung drohte, soll McCarthy in einer Fraktionssitzung hinter verschlossenen Türen an die Adresse seiner Gegner geflucht haben: "Dann reicht den verdammten Antrag doch ein."
McCarthys Absetzung hätte weitreichende Konsequenzen
Genau das hat Gaetz jetzt getan. Ironischerweise könnten es angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus die Demokraten sein, die McCarthy retten. Sollten ausreichend Republikaner gegen den Vorsitzenden stimmen, wäre dieser auf Stimmen der Demokraten angewiesen, um sich im Amt zu halten.
Zwar hegt die Biden-Partei wenig Sympathien für McCarthy, der nach der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021 mit einem Besuch in Trumps Anwesen Mar-a-Lago maßgeblich zur Rehabilitierung des Rechtspopulisten bei den Republikanern beigetragen hatte. Seine Absetzung aber hätte weitreichende Konsequenzen.
Das Repräsentantenhaus wäre bis auf Weiteres handlungsunfähig, ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Demokraten neue Hilfen für Kiew beschließen und nach der Übergangslösung im Haushaltsstreit bis Mitte November ein dauerhaftes Budget verabschieden wollen. Außerdem wäre die Frage, welcher Republikaner auf McCarthy folgen würde.
"So schlecht McCarthy als Speaker auch ist, es kann immer schlimmer werden", sagte der demokratische Abgeordnete Adam Smith am Montag. "Wir müssen einkalkulieren, was als Nächstes kommt." (AFP/dpa/ari) © AFP
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