• Im Herbst stehen in den USA die sogenannten Midterms an.
  • Dabei wählen die Amerikanerinnen und Amerikaner viele Sitze im Kongress neu, außerdem werden mehrere Gouverneurs- und Bürgermeisterposten neu besetzt.
  • Auch Ex-Präsident Donald Trump hat bei dem wichtigen Stimmungstest wieder Machtambitionen.
  • Bei den parteiinternen Vorwahlen will er seine Unterstützer auf die Posten hieven. Doch es läuft nicht alles nach Plan.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen der Autorin bzw. der zu Wort kommenden Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Es gab eine Zeit, da bestimmte Donald Trump täglich das Mediengeschehen. Ohne Präsidentenamt und Twitter-Account ist es deutlich ruhiger um ihn geworden. Doch er will wieder von sich reden machen: Trump hat angekündigt, dass er bei der US-Wahl 2024 erneut für das Präsidentenamt kandidieren will.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin sind die Zwischenwahlen im Herbst. Bei diesen sogenannten Midterms stimmen die Amerikaner und Amerikanerinnen über das gesamte Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten neu ab, außerdem wird ein Drittel der Sitze des Senats neu gewählt. Zur Wahl stehen auch Gouverneurs- und Bürgermeisterposten.

"Trump versucht so viele loyale Kandidaten wie möglich durchzusetzen", beobachtet Politikwissenschaftler Martin Thunert. Er sei noch immer ein starker Machtfaktor innerhalb der Republikanischen Partei. "Für manche dieser Kandidaten ist die Unterstützung von Donald Trump Gold wert", sagt der Experte im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Erfolg "seiner" Kandidaten sei aber sehr gemischt.

Gemischter Erfolg für Kandidaten von Trumps Gnaden

"Man kann nicht von einem Durchmarsch der Trump-Kandidaten sprechen, aber auch nicht von einem vollen Versagen", analysiert Thunert. Ein beispielhafter Blick in zwei Bundesstaaten: In Ohio konnte Anfang Mai der Kapitalmanager und Bestsellerautor J. D. Vance das Rennen um die Kandidatur für die Senatswahlen für sich entscheiden. 32 Prozent stimmten für Vance, sein größter Konkurrent Josh Mandel kam mit rund 24 Prozent auf den zweiten Platz. "Das war ein Triumph für Trump", kommentiert Thunert. Vance habe über lange Strecken zurückgelegen, mit Trumps Ankündigung, ihn zu unterstützen, habe sich der Wind aber gedreht.

Ein anderes Bild in Georgia: Dort droht Trump im Rennen um den Gouverneursposten ein herber politischer Rückschlag. "Die Chancen von Amtsinhaber Brian Kemp, wieder aufgestellt zu werden, sind gut", sagt Thunert. Sehr zum Ärger von Trump – denn der hat Kemp zum Feind erklärt. Der Grund: Nach der Präsidentschaftswahl 2020 hatten sich Kemp (der ebenfalls der Republikanischen Partei angehört; Anm.d.Red.) und sein Innenminister Brad Raffensperger geweigert, das Wahlergebnis in Georgia zu Donald Trumps Gunsten zu manipulieren.

Der Rückhalt von Trump sei in der Partei nach dem Sturm auf das Kapitol zunächst stark zurückgegangen, habe sich aber schnell erholt, so Thunert: "Ein substanzieller Teil der Trump-Wähler und -Anhänger glaubt nach wie vor seine Geschichte, die Wahl sei gestohlen worden." Dennoch ist die republikanische Parteibasis in Georgia bereit, Trump in einem Bundesstaat, in dem die Partei während seiner Präsidentschaft zum ersten Mal seit Mitte der 1990er-Jahre zwei Sitze im Senat, zwei Sitze im Repräsentantenhaus und die Stimmen im Wahlmännerkollegium verloren hat, eine schallende Ohrfeige zu erteilen.

Trumps Programm ist für die Republikaner nach wie vor attraktiv

Der Kandidat von Trumps Gnaden, David Perdue, der bis vor einem guten Jahr als Senator für Georgia im US-Kongress saß, hat daher schlechte Karten. "Kemp führte souverän in den Umfragen und gewann die Vorwahl am 24. Mai 2022 deutlich", erklärt Thunert: "Kemps klarer Sieg über Perdue zeigt, dass man sich auch gegen die Wahlempfehlungen Trumps innerparteilich behaupten kann." Die Vorwahlniederlage des Trump-nahen Kandidaten gebe republikanischen Politikern einen Anreiz, sich von Trump und dessen Unwahrheiten abzusetzen, ohne sich komplett vom Programm des "Make America Great Again" zu distanzieren.

Denn für Bestandteile dieses Programms, wie etwa für die harte Linie in der Einwanderungspolitik und die expansive Wirtschaftspolitik, gebe es bei den Republikanern noch immer viele Unterstützer. "Aber selbst in Trumps Lager gibt es Zweifel, ob er angesichts seines hohen Alters und erratischen Regierungsstils der richtige Kandidat ist, um dieses Programm umzusetzen", so der Experte. Stimmen würden laut, es gebe vielleicht jüngere Kandidaten und solche, die das Regierungsgeschäft besser verstünden.

Wer Trump innerhalb der Partei gefährlich werden kann, wird sich aus Thunerts Sicht erst nach den Zwischenwahlen zeigen: "Dann sehen wir, wer sich aus der Deckung wagt." Der Ausgang der Midterms sei aber für beide Parteien, Republikaner wie Demokraten, entscheidend. Aktuell sprechen die Umfragen dafür, dass sich die Mehrheitsverhältnisse drehen. Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten derzeit nur eine dünne Mehrheit. "Auch beim Senat sprechen die Umfragewerte dafür, dass er an die Republikaner fällt. Aber es ist noch Zeit bis November", sagt Thunert. Ohne Mehrheit in den Kammern würde Bidens Politik noch mehr ins Stocken geraten.

Rematch Biden vs. Trump 2024?

Derzeit sind die Beliebtheitswerte des Präsidenten im Keller. Nach einer aktuellen Umfrage der Quinnipiac University im Bundesstaat Connecticut liegt die Zustimmungsrate für Biden derzeit bei 33 Prozent und damit sogar noch unter den meist niedrigen Zustimmungswerten von Trump. "Inflationsängste und die Einwanderungssituation an der Südgrenze werden eine wichtige Rolle bei der Wahl spielen", ist sich Thunert sicher. Davon hänge auch ab, ob Joe Biden noch einmal antrete oder ob er bei einem schlechten Abschneiden der Demokraten innerparteiliche Konkurrenz bekomme.

"Sollte sich abzeichnen, dass der Kandidat der Demokraten 2024 Präsident Joe Biden heißt, wird dies Trumps Motivation auf ein Rematch, um einen Begriff aus dem Boxsport aufzugreifen, mit dem Mann, der ihn 2020 schlug, enorm beflügeln", meint Thunert. "Die Republikanische Partei wird sich in diesem Fall schwertun, Trump diese Revanche zu verwehren, es sei denn, die von ihm unterstützten Kongress-Kandidaten schneiden bei den Zwischenwahlen 2022 sehr schlecht ab", prognostiziert der Experte.

Wenn Biden auf eine zweite Amtszeit verzichte, wonach es momentan nicht aussehe, würden sich auch die Republikaner vermutlich anders orientieren, meint Thunert: "All das hängt ganz entscheidend vom Ausgang der Zwischenwahlen im November 2022 ab."

Über den Experten:
Dr. Martin Thunert ist Politikwissenschaftler und Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

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