Der Rückzug von Joe Biden aus dem US-Wahlkampf hat das Kampagnen-Team von Donald Trump mit völlig neuen Tatsachen konfrontiert: Binnen kurzer Zeit muss der Republikaner seinen Wahlkampf auf eine neue Gegnerin zuschneiden. Was er dabei vorhaben und wie er vorgehen könnte.
Einen neuen Begriff für sie hat er schon: Als "Border Czar", also "Grenzzarin" bezeichnet
In dem rund 30-sekündigen Wahlwerbespot, den Trump auf "Truth Social" mit den Worten "Crazy Kamala Harris" teilte, wird die 59-Jährige als "gescheitert, schwach und gefährlich liberal" beschrieben.
Angriffspunkt: Migrationspolitik
In einer Version tanzt sie auf einer Party im Weißen Haus zu Hip-Hop und weicht während eines Interviews Fragen zu Grenzbesuchen aus, während der Journalist sie daran erinnert, dass Millionen von Menschen die Grenze illegal überquert hätten und 250.000 Amerikaner "unter Harris' Aufsicht" an Fentanyl gestorben seien.
Etwa zeitgleich teilte Trump auch ein Bild von Harris mit lachender Miene und dem Satz: "Kamala unterstützt es, der Polizei Gelder zu streichen". Die Demokraten haben ihrerseits einen TV-Spot mit dem Titel "Furchtlos" veröffentlicht, in dem Harris porträtiert wird.
Trump muss seinen Wahlkampf komplett neu planen
"Das Trump-Team musste komplett neu planen", sagt Politikberater und Kampagnenexperte Juri Schnöller. Der Wahlkampf in den USA sei sehr von Negativ-Campaigning geprägt: "Beide Seiten reden sehr schlecht über die andere Seite." Das eigene Ansehen wird dadurch erhöht, dass man den Gegner in ein schlechteres Licht rückt.
"Die bisherige Kampagne hatte sich sehr stark auf
Auch die Planung des Wahlkampfs ist betroffen. Das gelte etwa für Fragen wie "In welchen Staaten hält man eine Rede?", erläutert Schnöller. Der neu erschienene Werbespot beispielsweise läuft bis zum 12. August in den Swing States Pennsylvania, Georgia, Arizona, Wisconsin, Michigan und Nevada. Das sind die Staaten, in denen das Rennen zwischen Republikanern und Demokraten besonders erwartet wird.
"Vor allem in diesen Staaten musste die Kommunikation neu geplant werden", sagt Experte Schnöller. Die Reaktionsfähigkeit im Wahlkampf sei in den USA aber generell deutlich höher als hierzulande.
Anhaltspunkte, wie Trump bis zur Wahl im November gegenüber Kamala Harris auftreten wird, liefert sein Auftreten in der Vergangenheit gegenüber Hillary Clinton, sagt Schnöller. "Diese hat er mit Schmähbegriffen überzogen, aber keinen anderen Kommunikationsstil an den Tag gelegt. Daher ist es bei Harris nun auch nicht zu erwarten", urteilt Schnöller.
Auch nach dem Anschlag auf Trump habe es bereits die Debatte gegeben, ob Trump anders auftreten werde. "Das hat sich als nichtig erwiesen. Er ist der Alte geblieben – auch mit Harris ist daher kein Wandel in seinem Auftreten zu erwarten."
Framing als "Linksradikale"
Trump wird sich laut Schnöller politisch auf den Angriffspunkt "Border Control" konzentrieren. "Er wird versuchen, Harris in Sachen Grenzsicherheit und Einwanderung illegaler Migranten über die Südgrenze in die USA als schwach darzustellen."
Auf der persönlichen Ebene werde Trump versuchen, seine Gegnerin als "abgehobene linke Elitenvertreterin" zu brandmarken, die "am Ende des Tages den Kulturkampf in die nächste Runde tragen wird", erläutert Schnöller. Bereits jetzt versuche die Trump-Kampagne, Harris als deutlich linker darzustellen, als sie es eigentlich in ihren politischen Inhalten sei. Bei einem Wahlkampfauftritt in Charlotte in North Carolina hatte Trump sie laut "Aljazeera.com" eine "linksradikale Wahnsinnige" und die "ultraliberale treibende Kraft" hinter der Politik von Joe Biden genannt.
Experte erwartet ein weiteres Kopf-an-Kopf-Rennen
Schnöller ist sich sicher: Der Kandidatenwechsel aufseiten der Demokraten hat ein positives Momentum generiert – welches Trump so schnell wie möglich wieder stoppen will. "Durch Harris ist der Wahlkampf wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen geworden", sagt der Experte. Die Umfragen zeigten, dass ein ähnlich knappes Rennen zu erwarten sei wie 2020 zwischen Biden und Trump. Am Ende werde es um wenige Millionen Stimmen gehen und vor allem um die Frage, wie die beiden Kandidaten in den Swing States abschneiden.
"Es wäre gefährlich für die Demokraten, sich jetzt zu siegessicher zu wähnen", warnt Schnöller. Trump habe in den letzten Jahren immer gezeigt, dass man ihn niemals unterschätzen sollte. Er wisse genau, wie Medienzyklen funktionierten, was die Medien hören wollten, wie man Schlagzeilen produziere und wie man ein Framing einer Person betreibe.
"Bei Joe Biden ist es ihm gelungen, das Narrativ von "Sleepy Joe" aufrechtzuerhalten. Es wird sich nun zeigen, inwiefern ihm so etwas bei Kamala Harris gelingt", sagt der Experte. Es sei in jedem Fall mit einem sehr schmutzigen Wahlkampf zu rechnen, insbesondere auf der Zielgeraden.
"Es kursierten in den sozialen Medien bereits diverse Videos, die Harris mit ihrem doch sehr prägenden Lachen zeigen. Die Trump-Kampagne wird versuchen, sie als ein bisschen verrückt und abgedreht darzustellen", vermutet Schnöller.
Entscheidend werde am Ende sein, welche Kampagne es schaffe, die wichtigsten politischen Fragen zu beantworten und den eigenen Kandidaten als kompetenter zu verkaufen. "Der Attentatsversuch bei Trump hat einen hohen Solidaritätseffekt in der republikanischen Wählerschaft ausgelöst. Gleichzeitig haben wir durch den Kandidatenwechsel bei den Demokraten einen hohen Mobilisierungs-Effekt gesehen." Schnöller rechnet deshalb mit einer historisch hohen Wahlbeteiligung: "Das wird es extrem spannend machen."
Über den Gesprächspartner
- Juri Schnöller hat an der Zeppelin Universität und in Washington D.C. Public Management & Politikwissenschaften studiert. Er berät mit seinem Unternehmen Cosmonauts & Kings zahlreiche führende Spitzenpolitiker, Ministerien, Parteien, Unternehmen und Stiftungen. Er hat an den digitalen Kampagnen von Angela Merkel, Jean-Claude Juncker und Barack Obama mitgearbeitet.
Verwendete Quellen
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