Infektionsrisiko hin oder her. Trotz Coronakrise nimmt US-Präsident Donald Trump seine heiß geliebten Massenkundgebungen wieder auf. Gerade rechtzeitig, denn nach Plan läuft gerade wenig.
Die ersten Fans standen schon vor Tagen an, um sich die begehrten Plätze für die erste Trump-Show seit Monaten zu sichern. TV-Bilder zeigen die Wartenden in Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma, wie sie wahlweise unter US- oder Trump-Flaggen ausharren. Die Halle hinter ihnen fasst etwa 19.000 Plätze - dem US-Präsidenten zufolge wollten über eine Million seiner Anhänger ein Ticket haben.
Einer der Wartenden sagte dem Lokalsender KJRH, er sei hier, um
Nach Monaten, die Trump in der Pandemie meist abgeschottet im Weißen Haus verbrachte, drückt nicht nur der Lagerkoller auf seine Stimmung. In Washington läuft es weniger als 150 Tage vor der Präsidentenwahl im November nicht rund: Bei Corona-Krise und landesweiten Rassismus-Protesten werfen seine Kritiker ihm Totalversagen vor, die Umfragen sind schlecht und ranghohe Ex-Mitarbeiter wie zuletzt John Bolton zeichnen ein verheerendes Bild von Trumps Führungsstil.
Wahlkampf soll auf Touren kommen
Aus Sicht der Wiederwahl-Kampagne des Präsidenten dürfte es höchste Zeit sein, Trump mit dem Auftritt in Tulsa wieder auf Touren zu bringen. Seine Berater sind laut einem Artikel in der "New York Times" besorgt über seine Aussichten im November gegen den designierten demokratischen Herausforderer
Am Samstagabend (Ortszeit) nun ist Trump trotz Pandemie wieder zurück, wo er sich am wohlsten fühlt: Vor seiner treuen Fanbasis. Tausende Bewunderer, die an seinen Lippen hängen, während der Präsident sich in einem Monolog alles von der Seele redet, was auf ihr gerade brennt. Und es hat sich viel angestaut, während Trump im Weißen Haus regelrecht gefangen war. Besucher aus dem Ausland konnte er nicht empfangen, Ausflüge zu seinem Anwesen in Florida waren genauso wie der Golfplatz über Wochen tabu.
Eine Zeit lang machte Trump die täglichen Corona-Pressekonferenzen zu einer Art Wahlkampf-Ersatz, was ihm wegen umstrittener und falscher Äußerungen sowie Angriffen auf die Presse viel Kritik - und vermutlich immer weniger Spaß - brachte. Das Corona-Krisenmanagement des Präsidenten steht am Pranger: Mehr als 2,1 Millionen nachgewiesene Infizierte und über 118.000 Tote werden als verheerendes Zeugnis gesehen.
Weiter steigende Corona-Fallzahlen
Und die Zahlen dürften weiter steigen. Die Regierung ermuntert die Bundesstaaten zu einer weiteren Öffnung - einer neuen Prognose zufolge könnten bis Oktober 200.000 Menschen an Covid-19 gestorben sein. Doch Trump verweist auf die Massenarbeitslosigkeit und die in Trümmern liegende Wirtschaft, die es zu retten gelte. Der ökonomische Zustand wird als ein Schlüssel für seine Wiederwahl gesehen.
Deshalb will Trump auf Biegen und Brechen wieder an die Rekorde bis zum Februar anknüpfen - von stetigem Wachstum bis zur niedrigsten Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten. "Wir werden das Land nicht wieder schließen", bekräftigte er trotz bedenklich steigender Infektionen in einigen Regionen. Das Virus werde schon bald verschwinden.
Und so öffnet das US-Staatsoberhaupt am Samstag in Tulsa die Türen für Tausende in Oklahoma im amerikanischen Kernland. Dort waren die Infiziertenzahlen zuletzt auf neue Höchstwerte geklettert. Trump prahlte trotzdem mit einer möglichen "rekordverdächtigen Menge" an Zuschauern. Es werde sicherlich keine leeren Sitzplätze geben. Die Veranstalter kündigten an, bei den Teilnehmern werde Fieber gemessen, zudem würden Desinfektionsmittel und Masken ausgegeben.
Die Massenkundgebung könnte den Kampfgeist Trumps wieder wecken. Er wird ihn im Wettstreit mit Biden brauchen: Alle Umfragen sehen den ehemaligen Vize-Präsidenten deutlich vorne - teilweise sogar mit mehr als 10 Prozentpunkten. Biden scheint angesichts der landesweiten Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd unter anderem mit einer einfühlsamen Rede bei dessen Trauerfeier den Ton getroffen zu haben. Nicht zuletzt hat er aber auch den Vorteil, in der Krise nicht regieren zu müssen.
Unklare Positionierung zu Rassismus
Anders als Biden wirkt Trump trotz mehrfacher Verurteilung des Todes von Floyd wenig emphatisch. Ihm wird außerdem vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren. Das zeigt sich auch am Beispiel Oklahoma: Die Kundgebung in Tulsa sollte eigentlich am heutigen Freitag stattfinden. An diesem Tag wird in den USA "Juneteenth" begangen und dem Ende der Sklaverei gedacht. Tulsa war zudem am 1. Juni 1921 Schauplatz eines Massakers durch einen weißen Mob an der schwarzen Bevölkerung. Viele hielten das nicht für Zufall. Nach Kritik verschob Trump die Veranstaltung um einen Tag.
Trump hängt außerdem nach, dass Einsatzkräfte eine weitgehend friedliche Demonstration vor dem Weißen Haus Anfang Juni gewaltsam auflösten, damit er vor einer Kirche mit einer Bibel für Kameras posieren konnte. Dass US-Armeechef Mark Milley seine Anwesenheit dabei mittlerweile als "Fehler" bezeichnete, wird auch als Zeichen an Oberbefehlshaber Trump gewertet, das es Grenzen seiner Macht gibt. Der Ex-Verteidigungsminister James Mattis schrieb im Magazin "The Atlantic", Trump sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, Amerika zu einen, sondern das Land spalten wolle.
Die größte Bombe ließ zuletzt der ehemalige Sicherheitsberater Bolton platzen, aus dessen neuem Buch mehrere US-Medien vernichtende Passagen zitieren. In einem Interview mit dem TV-Sender ABC sagte Bolton, Trump sei schlicht nicht fähig, US-Präsident zu sein.
All das könnte auch bei Trumps bevorstehenden Monolog in Tulsa eine Rolle spielen. Er setzt sich dabei nicht der Gefahr unangenehmer Fragen oder Kritik aus. Das größere Risiko in Oklahoma ist das Coronavirus. Doch auch da hat das Team Trump vorgesorgt: Wer sich für die Veranstaltung registrieren wollte, musste einer Regelung zustimmen, wonach die Veranstalter nicht für eine Covid-19-Erkrankung und mögliche Folgen haftbar gemacht werden können. © dpa
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