Keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch des Wann und Wie: So oder so ähnlich äußern sich CSU-Politiker über einen möglichen Abgang von Parteichef Seehofer. Der übt sich in kämpferischen Andeutungen.
Es ist eine Rücktrittsandeutung im lockerer Plauderrunde.
Dass er sich das nicht gefallen lassen will. Dass er sich von seiner Partei nicht zum alleinigen Sündenbock für die Landtagswahlpleite machen lassen will, nicht schon wieder, wie nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr.
"Noch einmal mache ich den Watschnbaum für meine Partei nicht - eher stelle ich mein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung", sagt der 69-Jährige. Später ergänzt er, klarer könne man sich ja wohl nicht ausdrücken.
Horst Seehofer, der Getriebene
Klar aber ist damit für die CSU noch nichts: Schmeißt Seehofer diesmal wirklich hin und tritt als Parteichef und Bundesinnenminister zurück? Zu gut erinnern sich alle noch an jene denkwürdige Nacht im Sommer, als Seehofer seinen Rücktritt ankündigte - und am Ende doch nicht ging. Oder versucht Seehofer mit der Andeutung, die wie eine Drohung klingen soll, sich nicht zum Getriebenen machen zu lassen?
Fakt ist: Seit dem Absturz auf nur noch 37,2 Prozent und dem Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag ist die CSU in heller Aufruhr. Zwar versucht der alte und auch neue Ministerpräsident
Doch Fakt ist auch, dass Seehofer längst der Getriebene ist. In Vorstandssitzungen von Kreis- und Bezirksverbänden bricht sich der Zorn über den 69-Jährigen Bahn. Wahlkämpfer schimpfen, Seehofer habe die Landtagswahl verhagelt, mit seinem Asyl-Kurs, seinen Streitereien mit der Kanzlerin, seinem Rücktritt vom Rücktritt, dem Fall Maaßen.
Forderung nach Sonderparteitag mit Neuwahlen
"Vater aller Probleme" ist fast schon zum geflügelten Wort geworden. Unisono, so berichten Vorstandsmitglieder von überall, sei die klare Forderung, die klare Erwartung, dass es einen Sonderparteitag mit Neuwahlen geben, dass Seehofer zurücktreten müsse. Die Schwaben-CSU fordert explizit eine Entscheidung über die künftige "Aufstellung", andere halten sich nur wegen der laufenden Regierungsbildung zurück.
Und nicht nur das: Sogar ein Großteil CSU-Bundestagsabgeordneten hat sich bereits von Seehofer abgewandt. Das sei in einer denkwürdigen Sitzung am Dienstag überdeutlich geworden, berichten Teilnehmer. Seehofer müsse gehen. "Es geht längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann und Wie", berichtet ein Landesgruppen-Mitglied. Hinzu kommt: Auch der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hat inzwischen Konsequenzen gefordert, "inhaltlich, strategisch und personell".
"Im Vulkan brodelt die Lava ganz gewaltig", fasst ein Mitglied des CSU-Vorstands die Debatte in seiner Partei zusammen. "Die Frage ist nur noch, wann er explodiert." Jemand anders aus der Parteispitze sagt: "Sobald Söder im Landtag vereidigt ist und das "so wahr mir Gott helfe" gesprochen hat, wird es kein Halten mehr geben."
Doch so einfach ist die Sache nicht. Seehofer ist bis Ende 2019 gewählt, und formal-juristisch gibt es offenbar keine Möglichkeit, ihn abzuwählen. Doch die Partei hofft, dass es nicht zum Äußersten kommt, dass Seehofer vorher ein Einsehen hat. Die große Hoffnung ist, dass der 69-Jährige nach Söders Wahl im Landtag seinen Rücktritt erklärt. "Ich hoffe es - für ihn", meint ein CSU-Vorstandsmitglied.
Seitenhiebe gegen Markus Söder
Doch einfach so gibt Seehofer nicht auf, das macht er auch am Sonntag im Bayerischen Fernsehen deutlich. "Das ist halt ein einfaches Geschäft: Wenn man auf einen anderen zeigen kann, muss man sich nicht mit sich selbst beschäftigen", schimpft er. Doch weder bei der Bundestagswahl noch bei der Landtagswahl sei er zur Wahl gestanden. Er sei in keiner einzigen Wahlsendung gewesen, auf keinem Wahlplakat.
Und natürlich sind auch mehrere Seitenhiebe auf Söder dabei. Wenn Seehofer darauf verweist, dass er weder den Wahlkampf gemanagt noch strategisch bestimmt habe. Wenn er konstatiert, die CSU schaffe es ja nicht einmal, einen "kleinen dritten Nationalpark" zu beschließen - dieses von ihm angestoßene Projekt hatte Söder wieder einkassiert.
Und natürlich betont Seehofer - und das zurecht -, dass im Asylstreit mit der Kanzlerin lange alle einer Meinung gewesen seien: Partei, Landtagsfraktion, Staatsregierung, Landesgruppe.
Das war tatsächlich ja auch einer von Söders großen Fehlern im Wahlkampf: dass er diesen Streit mit auf die Spitze trieb - nicht bis zum Ende, aber fast. Und dafür, dass Söder sich in einem halben Jahr im Amt nicht plötzlich zum großen Sympathieträger entwickelt hat, kann Seehofer auch nichts.
Söders hat gute Chancen auf Parteivorsitz
Doch Söders Wiederwahl im Landtag ist so gut wie sicher. Und nicht nur das. Sollte Seehofer den Weg tatsächlich frei machen, hätte Söder wohl beste Chancen, auch neuer Parteivorsitzender zu werden - wenn er denn will. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gilt als chancenlos.
Und so dürfte sich diese Frage zwischen zwei Männern entscheiden: Söder und dem EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber, der bekanntlich gerne neuer EU-Kommissionspräsident werden will.
Söder hat in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass für ihn das Ministerpräsidenten-Amt Priorität habe. Ob sich daran etwas ändert, wenn es nach der Hessen-Wahl zu bundespolitischen Eruptionen kommen und die CSU im Bund vor ganz neuen Problemen stehen sollte?
Nach Schilderungen aus verschiedenen CSU-Bezirken wäre eine Mehrheit derzeit eher für Söder - beide Spitzenämter gehörten wieder in eine Hand. Andere Gruppen in der Partei argumentieren aber auch, mit Weber als Parteichef könne man nicht nur bei der Europawahl im kommenden Jahr wieder Boden gutmachen, sondern eine Doppelspitze Söder-Weber könne auch die CSU in ihrer größtmöglichen Breite abdecken.
So sagt es etwa die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Die klare Erwartung in der CSU ist jedenfalls, dass sich Söder und Weber, wenn Seehofer tatsächlich geht, absprechen. Doch noch ist es nicht soweit. © dpa
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