Beim Parteitag der CSU präsentieren sich die Schwesterparteien der Union so harmonisch wie selten. Von Jubel für Merz, jeder Menge Ampel-Schelten und zumindest einem nicht zu leugnenden Dissens.

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Das Publikum würdigt Friedrich Merz' Rede beim Parteitag der CSU in Augsburg mit stehenden Ovationen. Minutenlang klatschen die Delegierten und CSU-Chef Markus Söder, der zum Amtskollegen Merz auf die Bühne gekommen ist, klatscht mit. Und klatscht, und klatscht, und verbeugt sich vor Merz, und klatscht, und klatscht, und klatscht, bis er zu den letzten Applausspendern im Saal gehört. Es ist DIE Botschaft dieses Parteitags: Seht her, wir in der Union sind uns einig. Die Schwesterparteien, sie zeigen sich verbrüdert.

Besuche des Parteichefs beziehungsweise der Parteichefin der CDU bei Parteitagen der CSU waren in der Vergangenheit häufig eine heikle Sache. Unvergessen ist, wie der damalige CSU-Chef Horst Seehofer Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CSU-Parteitag im Herbst 2015 fast eine Viertelstunde lang von oben herab rügte, während sie mit verschränkten Armen und versteinerter Miene neben ihm stand. Abgekanzelt wie ein Schulmädchen – diese Formulierung las man damals häufig. Andere sprachen von Demütigung, davon, dass Seehofer Merkels Ansehen beschädigt habe.

CDU und CSU in Sachen Migration auf einer Linie

Damals ging es um unterschiedliche Ansichten in der Flüchtlingspolitik. Merkels Kurs war den Christsozialen deutlich zu lasch. Und so begründet Söder die neue Einigkeit am Samstag in Augsburg auch prompt damit, dass man sich in der Union in Sachen Migration nach jahrelangem Streit nun einig sei. "Wir haben eine Sache komplett verändert: Dieses Schisma, der Streit in der Migrationspolitik, ist von Friedrich Merz und mir gelöst worden", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion und betont: "Damit sind wir so einig wie noch nie." Später verspricht er, der bekanntlich auch gerne Kanzlerkandidat geworden wäre, dem Kanzlerkandidaten Merz seine Unterstützung für den Wahlkampf und darüber hinaus.

Auch Merz lobt das "neue Miteinander" und umreist in seiner rund 50-minütigen Rede, wie die Migrationspolitik der Union zehn Jahre nach Merkels "Wir schaffen das" aussieht: Wer vor Krieg flüchtet, dem müsse weiterhin geholfen werden, so Merz. Sogenannte irreguläre Migration gelte es aber massiv einzudämmen. Das jüngst von der Ampel-Regierung beschlossene sogenannte Sicherheitspaket geht ihm nicht weit genug. Zurückweisungen an den Grenzen seien dringend notwendig. Es gebe eine "überproportionale Kriminalität durch jene, die in den vergangenen zehn Jahren gekommen sind", sagt Merz. Vor allem junge Männer ohne Fluchtgrund machten "die allergrößten Probleme". "Und über diese Probleme müssen wir sprechen."

Der Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst 2025 dürfe sich jedoch nicht allein um das Thema Migration drehen, forderte Merz. Er spricht von einer gemeinsamen Lösung mit den Parteien der Mitte – jedoch nicht ohne hinterherzuschicken, dass sich die Grünen bestimmt eh querstellen werden und Einwanderung so wohl doch Wahlkampfthema sein wird.

Merz verspottet Habeck als "Bundeswärmepumpenminister"

Was sonst noch? Die Wirtschaftspolitik. Merz will entbürokratisieren und die Konjunktur mit tiefgreifenden Reformen des Sozialstaats nach dem Vorbild von Gerhard Schröders Agenda 2010 ankurbeln. Die Union will die Ukraine weiter unterstützen und die Bundeswehr stärken. Auch hinter die von Söder geborene Idee einer allgemeinen Dienstpflicht als Ersatz für die abgeschaffte Wehrpflicht stellt sich Merz. Den größten Zuspruch aus dem Publikum bringt ihm die Forderung nach einem schlankeren Staat. Es gehe dabei nicht um normale Beamte, sondern "um den Berliner Wasserkopf einschließlich dieser ganzen Beauftragten der Bundesregierung, die da herumlaufen und uns versprechen, Probleme zu lösen, die wir ohne sie gar nicht hätten".

Ampel-Schelte kommt bei so einer Veranstaltung natürlich gut an. Besonders auf die Grünen hat es die Union abgesehen. Großes Gelächter also, als Merz Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als Bundeswärmepumpenminister und Bundes-E-Auto-Minister tituliert. "Mit diesen Grünen, so wie sie heute da sind, ist auch aus meiner Sicht eine Zusammenarbeit nicht denkbar und nicht möglich", sagt Merz.

Mit dieser Formulierung vermeidet er es – anders als Söder – eine Koalition mit den Grünen kategorisch auszuschließen. Zwischen all der zur Schau gestellten Einigkeit klingt so doch noch ein wenig Dissens durch. Auch Söders Selbstbewusstsein ist noch das alte: "Ohne die CSU gibt es keine stabile Mehrheit für die Union in Deutschland", betont er gegenüber unserer Redaktion. Mal sehen, wie lange der Familienfrieden anhält.

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