Der Bund hätte das Betreuungsgeld nie erlassen dürfen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Politik ist gespalten über das Urteil: Die SPD begrüßt es, die CSU reagiert bockig – und will das Geld in Bayern weiter zahlen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Die acht Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe waren alle derselben Meinung: Einstimmig erklärten sie am Dienstag das Betreuungsgeld für nichtig. Der Bund hätte das Gesetz nie einführen dürfen, da er nicht dafür zuständig sei, so das Urteil. Laut Ferdinand Kirchhof, dem Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts, verstößt das Betreuungsgeld gegen das Grundgesetz. Aber worum geht es bei dem Streit um das Betreuungsgeld genau? Und was bedeutet das Urteil nun? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was ist das Betreuungsgeld und wer erhält es?
Eltern von rund 455.000 Kindern bekommen mittlerweile das Betreuungsgeld, einen Anspruch darauf haben sie seit August 2013. Die Voraussetzung: Sie betreuen ihren Nachwuchs zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat zu Hause und schicken ihn nicht in eine Kita oder zu einer Tagesmutter. Dafür erhalten sie 150 Euro pro Monat. Für 2015 sind im Bundeshaushalt rund 900 Millionen Euro für die Leistung eingeplant.
Wie urteilte das Bundesverfassungsgericht jetzt darüber?
Das Gericht hat das Betreuungsgeld in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt, weil es vom Bund erlassen wurde: Die Richter befanden, dass nicht der Bund für die Leistung zuständig sei, sondern die Länder. Denn der Bund dürfe nur dann eingreifen, wenn er mit einer Regelung gleichwertige Lebensverhältnisse über Ländergrenzen hinaus herstellen wolle. Das sei beim Betreuungsgeld jedoch nicht der Fall, so die Richter. Den Ländern steht es aber frei, zukünftige ein eigenes Betreuungsgeld oder eine ähnliche Leistung zu erlassen.
Was bedeutet das Urteil für Familien, die bereits Betreuungsgeld bekommen?
Wer bereits vom Betreuungsgeld profitiert, muss nicht fürchten, dass die Überweisung nun vom einen auf den anderen Tag ausbleibt. Die Richter setzten keine Übergangsfrist, was nun mit der Regelung passieren soll. Damit können der Bund und die Verwaltung selbst entscheiden, wie mit bereits erteilten Bescheiden umgegangen wird. Neue Anträge dürften jedoch keine Aussicht mehr auf Erfolg haben.
Für wen ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine politische Niederlage?
Vor allem für die CSU. Sie hatte seit jeher auf das Betreuungsgeld gepocht und es in der schwarz-gelben Koalition durchgesetzt. Doch nach den ständigen Querelen um die Autobahnmaut ist es nun schon das zweite Projekt, bei dem die Partei baden geht. Umso weniger überraschend kündigte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer an: "Es wird in Bayern weiter Betreuungsgeld geben." Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt: "Um Eltern Wahlfreiheit zu ermöglichen, sollten wir gemeinsam in der Koalition nach Lösungen suchen, wie das Betreuungsgeld weiterhin gezahlt werden kann." Geht es nach der CSU, soll nun der Bund den Ländern die Mittel dafür überweisen.
Und was hält die SPD als Koalitionspartner der Union vom Betreuungsgeld?
Anders als die CSU: wenig. "Das Betreuungsgeld ist Vergangenheit – nun muss in die Zukunft investiert werden", bilanzierte die stellvertretende Fraktionschefin Carola Reimann nach dem Urteil. Und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer begrüßte das Urteil: "Das Betreuungsgeld hat gerade Frauen mit kleinen Kindern aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen", sagte sie der "Bild"-Zeitung. Sie plädierte dafür, das eingesparte Geld nun für neue Kita- und Betreuungsplätze zu verwenden – also für etwas ganz anderes als die CSU. In der Koalition könnte es deshalb noch ordentlich krachen.
Welche Kritik gab es am Betreuungsgeld?
Kritiker argumentierten meist ähnlich wie Malu Dreyer und spotteten über die "Herdprämie", die falsche Anreize schaffe. Denn vor allem Frauen würden wegen des Geldes lieber zu Hause bleiben und auf eine Beschäftigung verzichten – tatsächlich kamen 95 Prozent der Anträge auf Betreuungsgeld von Frauen. Auch Erziehungswissenschaftler haben ihre Zweifel: "Der Satz, dass das Kind sich nur am besten entwickelt bei der Mutter, der gilt so nicht mehr", sagte Thomas Rauschenbach, Leiter des Deutschen Jugendinstitut, im Gespräch mit dem "Bayerischen Rundfunk".
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