Wie kam es zu den Volten im Fall Sami A., dem ehemaligen Leibwächter von Osama bin Laden? Bei der gescheiterten Abschiebung nach Tunesien kristallisieren sich viele Fragen an das Bundesinnenministerium heraus. Die Bundespolizisten, die A. nach Tunesien brachten, mussten über die Unrechtmäßigkeit der Abschiebung aus Online-Medien erfahren.
Jahrelang streiten Behörden um die Abschiebung eines Islamisten. Dann geht auf einmal alles ganz schnell, und der Mann findet sich in Tunesien wieder. Die wichtigsten Fragen zu dem Fall im Überblick:
Was wusste die Bundesregierung?
Die Führungsebene inklusive Minister
Warum wurde das Flugzeug mit Sami A. nicht gestoppt?
Darauf blieben die Behörden zunächst eine Antwort schuldig. Das Gericht verbot eine Abschiebung noch am Vorabend (Donnerstag). Um 8.10 Uhr am Freitagmorgen wurde das Bamf laut Gericht per Fax darüber informiert. Zu diesem Zeitpunkt war das Flugzeug mit Sami A. nach Angaben der Bundespolizei noch in der Luft. Erst um 9.14 Uhr deutscher Zeit wurde er demnach an die tunesischen Behörden übergeben. Die Bundespolizei hat aber erst nach 10 Uhr "über Onlinemedien" vom Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen erfahren.
Wie gefährlich ist Sami A.?
Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den mutmaßlichen Ex-Leibwächter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden wurden zwar 2007 eingestellt. Aber Sami A. ist seitdem als sogenannter Gefährder im Visier der Sicherheitsbehörden. Laut NRW-Innenministerium durfte er seinen Wohnort Bochum nicht verlassen und musste sich täglich bei der Polizei melden.
Ein Gefährder ist eine Person, bei der laut Definition "bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird". Rechtlich verbindlich ist diese Definition allerdings nicht. Es handelt sich lediglich um eine Bewertung der Sicherheitsbehörden.
War für die Abschiebung eine Folter-Absage Tunesiens notwendig?
Darüber streiten sich Justiz und Politik. Nach Angaben des NRW-Flüchtlingsministeriums ist eine solche diplomatische Zusicherung keine gesetzliche Voraussetzung für die Abschiebung. Grundsätzlich sei aber die Bundesregierung für die Beschaffung diplomatischer Noten, sofern sie benötigt würden, verantwortlich. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen pocht dagegen auf eine verbindliche Zusicherung der tunesischen Regierung, dass Sami A. in der Heimat keine Folter drohe. Diese liege nicht vor.
In diesem Fall hätten die Behörden eine solche Zusicherung nicht für nötig gehalten, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Montag - auch weil das Bundesverfassungsgericht jüngst im Fall des Tunesiers Haikel S. die Abschiebung erlaubt habe. Die Karlsruher Richter hatten im Fall des Terrorverdächtigen S. keine Gefahr gesehen, dass ihm in seiner Heimat die Todesstrafe drohe. (mc/dpa)
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