• Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger will sich nicht gegen Corona impfen lassen.
  • Eine plausible Begründung für diese Entscheidung bleibt der "Freie Wähler"-Chef aber schuldig.
  • Es ist nicht das erste Mal, dass Aiwanger mit populistischen Aussagen versucht zu punkten.
Eine Analyse
von Ralf Isermann

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Mehr aktuelle News

Treibt Hubert Aiwanger ein politisches Spiel oder meint er es mit seinen Äußerungen ernst? Die Frontfigur der in den Bundestag strebenden Freien Wähler gibt sich zunehmend als Sprachrohr der Impfgegner in Deutschland.

Wegen "massiver Impfnebenwirkungen" in seinem Bekanntenkreis wolle er selbst sich nicht impfen lassen, argumentierte er - allerdings ohne Beispiele zu nennen. Der Stellvertreter von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spielt damit mal wieder mit Populismus.

Dass Aiwanger sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen will, ist seit Wochen bekannt. Anfangs erklärte er das im eher zurückhaltenden Ton und lieferte als Begründung eine gewisse Unsicherheit über Wirksamkeit und Folgen der Impfung.

Doch im Laufe der Zeit legte er immer weiter nach, bis er sich am Mittwoch im Deutschlandfunk zu der Behauptung verstieg, die Corona-Impfungen verursachten massive Impfnebenwirkungen: "Da bleibt einem schon das eine oder andere Mal die Spucke weg."

Aiwanger will mit den "Freien Wählern" in den Bundestag

Einen Beweis der Behauptung blieb Aiwanger schuldig. Der Niederbayer sieht sein Nein zum Impfen aber auch als Vorgehen gegen das "politische Establishment". Warum er sich diesem nicht selbst zurechnet, lässt sich allerdings nur schwer begründen.

Der 50-Jährige sitzt seit 2008 im bayerischen Landtag, ist seit 2018 bayerischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident und fährt selbstverständlich im repräsentativen Dienstwagen zu seinen Terminen. Und wie die CSU gerieten zuletzt auch die Freien Wähler wegen Maskengeschäften unter Druck - der bayerische Wirtschaftsminister musste sein Agieren wiederholt rechtfertigen.

Aiwanger wurde lange als reine One-Man-Show der Freien Wähler wahrgenommen. Inzwischen ist die Partei etwas breiter aufgestellt und in drei Landtagen vertreten. Mit seinem Kurs als Corona-Skeptiker schafft es der Bundesvorsitzende der Freien Wähler regelmäßig, auch über Bayern hinaus für Schlagzeilen zu sorgen.

Eine wichtige Voraussetzung für sein großes Ziel, die Freien Wähler im September in den Bundestag zu führen. In den Umfragen allerdings spielt die Gruppierung weiter keine nennenswerte Rolle.

Aiwanger kam am 26. Januar 1971 in Ergoldsbach in Niederbayern zur Welt. Manchen erscheint er schon wegen seines ausgeprägten niederbayerischen Dialekts hinterwäldlerisch. Doch er steht für einen der größten Erfolge in der bayerischen Politik der jüngeren Geschichte: Aiwanger führte die Freien Wähler 2008 in den Landtag und etablierte sie dort; seit 2018 sind sie Regierungspartei.

Volksnähe gepaart mit Holzhammer-Populismus

Der studierte Agraringenieur, der einen kleinen Bauernhof betreibt und Hobbyjäger ist, punktet dabei in Bayern vor allem mit Volksnähe. Geht es um große Themen, versucht es Aiwanger allerdings immer wieder mit einem leicht durchschaubaren Holzhammer-Populismus.

Im Wahljahr 2013 versuchte er die Freien Wähler zum Unmut anderer Landesverbände als Anti-Euro-Partei zu etablieren, da lag er auf einer Linie mit der AfD. In der Flüchtlingskrise suchte Aiwanger lange einen Kurs, bis er voll und ganz auf die merkelkritische Linie der CSU einschwenkte.

Massiv populistisch und mehr als grenzwertig waren Äußerungen, mit denen sich Aiwanger als Law-and-Order-Mann darzustellen versuchte. Aiwanger sagte 2019 bei einer Jagdmesse, Bayern und Deutschland wären sicherer, "wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte".

Nach solchen Äußerungen hagelt es Kritik an Aiwanger, der mit der Freie-Wähler-Landrätin Tanja Schweiger liiert ist und zwei Kinder hat. Doch die Kritik lässt er scheinbar ungerührt an sich abperlen.

Und auch vor seinem bayerischen Regierungspartner Markus Söder scheint er keine Angst zu haben. Der bayerische Ministerpräsident rüffelte Aiwangers jüngste Impfaussage zwar knapp mit dem Satz: "Ich habe für die Argumente kein Verständnis." Doch Söder scheint nicht an einen Rauswurf Aiwangers zu denken - trotz der lahmenden bayerischen Impfkampagne und des Negativbeispiels seines Stellvertreters. (afp/thp)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.