Die Sozialdemokraten haben die Wahl in Dänemark gewonnen. Hinter dem Triumph steckt ein Spagat zwischen rechter Gesellschafts- und linker Sozialpolitik. Das Prinzip dürfte in Deutschland vorerst keine Schule machen.
Sozialdemokraten können noch siegen – kein einfacher Befund, ob der Krise, in der nicht nur die SPD steckt, sondern auch ihre Schwesterparteien aus Österreich, Frankreich oder Schweden.
Doch nach dem Wahlsieg der dänischen Sozialdemokraten unter der Führung von Parteichefin und Spitzenkandidatin Mette Frederiksen ist der Beweis erbracht, dass die Genossen reüssieren können, wenn sie sich auf das klassische Politikfeld rechter Parteien wagen. Fraglich ist, ob sie dafür noch links sein dürfen.
Mit 25,9 Prozent der Stimmen sind die dänischen Sozialdemokraten nach der Wahl am vergangenen Mittwoch die stärkste Kraft im Parlament in Kopenhagen – sie dürften mit Frederiksen die nächste Regierungschefin stellen.
Der lange Niedergang sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien ist damit um ein Gegenbeispiel reicher, aber auch um eines, das in anderen Ländern die nächsten Jahre wohl keine Schule machen wird.
Denn dass es mit der Sozialdemokratie in vielen europäischen Ländern seit Jahren bergab geht, liegt auch an der Unfähigkeit führender Köpfe, auf Herausforderungen angemessen zu reagieren.
Nebst Klimakrise und Strukturwandel war es die Migrationspolitik, welche die Menschen in den letzten Jahren besorgte. Anders als etwa die SPD zogen die dänischen Sozialdemokraten ihre Energie aus diesem Politikfeld. Das Paradethema ihres Wahlkampfs: die Ausländer.
Auf diesem Feld hat es Mette Frederiksen mit einem programmatischen Spagat geschafft, das einst "klassische" sozialdemokratische Wählermilieu anzusprechen, das sich in anderen Ländern längst in die Arme rechter Parteien geflüchtet hat.
Sie versöhnte eine linke Sozial- und Wirtschaftspolitik mit stramm rechten Positionen in der Migrationspolitik, wie sie die dänischen Sozialdemokraten bereits in den 1980er-Jahren verfolgten und wie sie in weiten Teilen der Politik der bisherigen liberal-konservativen Regierung entsprach.
Die Rechtspopulisten wurden zurechtgestutzt
So forderten die Sozialdemokraten im Wahlkampf schnelle Abschiebungen, Restriktionen beim Familiennachzug und eine "Obergrenze für nichtwestliche Einwanderer".
Unter dem Titel "Fair und realistisch. Eine Einwanderungspolitik, die Dänemark zusammenbringt", veröffentlichte Frederiksen ein Programm, das Auffangzentren für Migranten unter UN-Aufsicht in Nordafrika vorsah und Obergrenzen für "nicht westliche" Migranten – also Muslime.
Das entsprach in Teilen dem Programm der rechten "Dänischen Volkspartei", die ebenfalls für eine restriktive Asylpolitik eintritt und die Migrationspolitik der Dänen seit den 1990er-Jahren entscheidend mitgeprägt hat.
Kein Wunder also, dass die Rechtspopulisten vor vier Jahren noch über 21 Prozent der Stimmen erzielten, am Mittwoch aber auf gerade einmal 8,7 Zähler gestutzt wurden und damit das schlechteste Wahlergebnis seit acht Jahren einfuhren.
Man mag diesen "Dänischen Weg", mit dem sich Frederiksen weit rechts anbiederte, als Verrat an sozialdemokratischen Inhalten sehen. Immerhin waren es nebst den grünen Parteien die Sozialdemokraten, die in den meisten europäischen Staaten als Korrektiv zu reaktionären, einwanderungskritischen Reflexen am linken und rechten Ende des Parteienspektrums Position bezogen. Doch dass es in Kopenhagen so kam, war auch keine große Überraschung.
Denn seit ihrem Antritt an der Spitze ihrer Partei im Jahr 2015 trimmte die einstige Sozial- und Justizministerin ihre Sozialdemokraten auf einen restriktiven Migrationskurs, der in Europa beispiellos ist.
Regelmäßig unterstützten die Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren die rigorose Migrationspolitik der liberal-konservativen Regierung, etwa bei Abstimmungen über ein Burkaverbot und Asyl. Im Wahlkampf zogen sie dann nochmals an, zuweilen über die sozialdemokratische Schmerzgrenze hinaus.
So kopierte Frederiksen nicht nur die Parolen der Rechtspopulisten, sondern ließ beispielsweise plakatieren, anerkannte Flüchtlinge hätten nur bei einer 37-Stunden-Woche Anspruch auf Sozialleistungen. Dafür hagelte es Kritik, die Wähler aber goutierten es.
Eher kein Modell für die deutsche SPD
Doch anders als die Rechtspopulisten verstand es Frederiksen zugleich auch, den Blinker links zu setzen. Obwohl die Migrationspolitik der "Elefant im Raum" war und als Wahlentscheidend wahrgenommen wurde, rückte sie immer wieder die Sozialpolitik ins Zentrum und setzte sich damit von der "Dänischen Volkspartei" ab, die viele als Ein-Themen-Fraktion wahrgenommen hatten.
So versprach Frederiksen den Rückbau einer Rentenreform der jetzt abgewählten Regierung, Schluss mit dem Abbau von Sozialleistungen und Investitionen ins Schul- und Gesundheitswesen. Finanziert werden sollen die Pläne unter anderem mit der Besteuerung von Konzernen und Wohlhabenden.
Allesamt Positionen also, die das Herz des Sozialdemokraten erwärmen und bei einer Bevölkerung, die von dem Sparkurs ihrer Regierung zunehmend frustriert ist, zünden.
Frederiksen preist ihre Taktik mittlerweile als Modell für ihre europäischen Schwesterparteien an. Die Zahlen sprechen für sie. Denn die Wählerwanderung zeigt, dass ihre Taktik gerade in großen Städten mit hohem Ausländeranteile dazu beitragen könnte, die Rechtspopulisten zu dezimieren.
Doch ihre Politik ist gleichzeitig ein Ritt auf der Rasierklinge. Denn das gestärkte linke Lager kommt im Folketing nun zwar technisch auf eine knappe Mehrheit. Doch möglichen Bündnispartnern, wie der sozialistischen Volkspartei, hat sie sich mit ihrem polarisierenden Wahlkampf nicht gerade empfohlen.
Ein größeres Linksbündnis ist deshalb unwahrscheinlich, viel eher wird sie als Regierungschefin einer Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten je nach Politikfeld wirken. Frederiksen könnte mit 41 deshalb nicht nur die jüngste Regierungschefin ihres Landes werden, sondern auch die erste sozialdemokratische von rechten Gnaden.
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