- Zwischen 2016 und 2018 hat die AfD anonyme Wahlkampfhilfen von mehr als drei Millionen Euro erhalten.
- Das geht aus Buchungsdokumenten des Werbeflächenvermarkters Ströer hervor.
- Auffällig ist, dass die AfD bei einem Großteil dieser Aufträge in den Unterlagen des Plakatwerbers als "Direktkunde" eingetragen ist.
Die AfD hat zwischen 2016 und 2018 anonym finanzierte Wahlkampfhilfen im Wert von über drei Millionen Euro erhalten. Das geht aus internen Buchungsdokumenten des Werbeflächenvermarkters Ströer hervor, die das Recherchezentrum CORRECTIV (ausführliche Fassung), ZDF Frontal und der SPIEGEL auswerten konnten. Konkret geht es um mehr als 9.400 Großplakate, die vor der letzten Bundestagswahl und acht deutschen Landtagswahlen bei Ströer in Auftrag gegeben wurden und die in etwa 70 deutschen Städten zur Wahl der AfD aufriefen. Offiziell zeichnete ein Stuttgarter "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" für die Plakate verantwortlich.
Dennoch ist bei einem Großteil dieser Aufträge die AfD in den Unterlagen des Plakatwerbers als "Direktkunde" eingetragen. Ströer verwendete für diese Buchungen sogar dieselben Kundennummern wie bei offiziellen Plakatkampagnen der AfD. Damit waren beide Kampagnen innerhalb des Unternehmens zusammengefasst.
AfD weist Verbindungen zurück
Nach Ansicht von Experten könnte es sich bei den Plakaten um illegale Parteispenden handeln: Entgegen wiederholter Beteuerungen der AfD, nichts mit der Kampagne des anonym finanzierten Vereins zu tun zu haben, liegen CORRECTIV, ZDF Frontal und SPIEGEL Hinweise vor, dass AfD-Funktionäre von einer Koordinierung der Kampagnen bei Ströer gewusst haben. Die AfD teilt auf Anfrage mit, dass es keine Absprachen zur Koordinierung mit einer Unterstützerkampagne gegeben habe und es auch keinen Auftrag von offiziellen Parteigremien an einzelne Mitarbeiter gab, Absprachen oder Koordinierungen zu vereinbaren.
AfD intern als "Direktkunde" bei Unterstützerkampagne geführt
Den Buchungsdokumenten zufolge wurde bei zahlreichen Aufträgen für Vereinsplakate nicht der Verein als "Direktkunde" geführt, sondern die "Alternative für Deutschland". Erstmals zeigen die Recherchen von CORRECTIV, ZDF Frontal und SPIEGEL auch die Dimension der möglicherweise rechtswidrigen Finanzierung der Kampagnen: Die größten Aufträge betrafen demnach die Bundestagswahl 2017 mit rund 1,9 Millionen Euro für rund 4.900 Plakate, gefolgt von den Landtagswahlen in NRW (521.000 Euro) und Baden-Württemberg (221.000 Euro).
In zahlreichen Aufträgen taucht in den Unterlagen neben der AfD die Schweizer PR-Firma Goal AG als Werbeagentur auf, die bereits mehrfach im Zusammenhang mit illegalen Wahlkampfhilfen zugunsten von AfD-Politikern auffiel. Allein in dieser Konstellation umfasst das Auftragsvolumen rund 2,5 Millionen Euro.
Im Auftrag der AfD teilt ein Anwalt mit: Zu "internen Vorgängen" bei Ströer habe die AfD keine Kenntnis. Dass sie bei der umstrittenen Kampagne als Direktkunde erfasst wurde, sei ihr nicht bekannt. Eine "falsche Zuordnung einer anderen (angeblichen) Kampagne zu unserer Mandantschaft" liege allein im "Verantwortungsbereich des Unternehmens Ströer", schreibt der Anwalt.
Neben den internen Unterlagen liegen CORRECTIV, ZDF Frontal und dem SPIEGEL eidesstattlich versicherte Aussagen ehemaliger AfD-Politiker und SMS-Verläufe vor, die Verabredungen und Treffen zwischen AfD-Wahlstrategen und Mitarbeitern der Außenwerbefirma Ströer bezeugen. Die Aussagen und Dokumente legen nahe, dass die offiziellen AfD-Kampagnen und Unterstützerkampagnen enger miteinander verknüpft waren als bisher bekannt.
Der Ströer-Konzern lässt einen Fragenkatalog von CORRECTIV, ZDF Frontal und SPIEGEL unbeantwortet und gab stattdessen am 15.9. eine Pressemitteilung heraus mit Bezug auf die Anfrage. Darin weist Ströer eine Verantwortung von sich. Es verstehe sich als "neutraler Dienstleister". Als Dienstleister der Außenwerbung müsse das Unternehmen unterstellen, dass die Finanzierung von Aufträgen durch die Kunden rechtmäßig erfolge, heißt es in der Mitteilung. Rechtliche Vorgaben und Transparenzregeln des Deutschen Bundestages seien "allein von den zuständigen Stellen" zu überprüfen.
Ermittlungen gefordert
Nach Ansicht der Parteienrechtsexpertin Sophie Schönberger müssten Staatsanwaltschaft und Bundestagsverwaltung Ermittlungen gegen die AfD aufnehmen. "Wir haben jetzt die Nachweise, dass die Kampagne jedenfalls beim Plakat-Hersteller koordiniert wurde", sagt die Juristin. Schönberger sieht "sehr starke Indizien dafür, dass die AfD da eingebunden war oder jedenfalls sehr viel davon wusste. Wenn das so ist, dann hätten wir eine illegale Parteispende".
Bisher musste die Partei wegen anonym finanzierter Wahlplakate in zwei ähnlichen Fällen eine Gesamtsumme von rund 400.000 Euro zahlen. Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen und der Europapolitiker Guido Reil hatten rechtswidrige Unterstützung in Form von Plakaten und Anzeigen angenommen. Das Geld dafür war über die Schweizer Goal AG geflossen, in Meuthens Fall rund 89.000 Euro, in Reils um 44.500 Euro.
Sollte die AfD von der Koordination gewusst haben, müsse die gesamte Kampagne der Unterstützer der AfD zugerechnet werden, sagt Ulrich Müller von der Organisation Lobbycontrol. Da die AfD die mutmaßlichen Zuwendungen nicht meldete, könnten ihr nun "nochmal Strafbescheide in zwei- bis dreifacher Höhe des Budgets" drohen. (Correctiv)
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