Angela Merkel im ARD-Sommerinterview. Von Martin Schulz über die Türkei bis zur CSU werden viele Themen angerissen. Die Kanzlerin beantwortet die Fragen wie erwartet: emotionslos, souverän - teils langweilig. Merkel lässt sich auch weiterhin nicht aus der Reserve locken.
Knapp 20 Minuten Live-Interview – für Angela Merkel ganz offensichtlich ein Kinderspiel.
Routiniert, unaufgeregt und sachlich beantwortete die Bundeskanzlerin die Fragen von
Falls die beiden Interviewer vorgehabt haben sollten, Merkel aus der Reserve zu locken, falls sie gar emotionale Reaktionen erwartet haben sollten, wären sie kläglich gescheitert.
Ohne mit der Wimper zu zucken übernimmt Merkel souverän Mitverantwortung für die Hamburger Krawalle und rückt auch gleich die Gewichte zurecht: Sie sei schließlich die Gastgeberin gewesen (und nicht etwa
"Misslich, ausgesprochen misslich"
Man mag der Kanzlerin gar nicht ankreiden, dass vieles an ihrem staatsmännischen Wesen abzuperlen scheint: Auch die aktuelle Zuspitzung des Konfliktes mit der Türkei bringt die "Teflon-Kanzlerin" nicht im geringsten Maße aus der Fassung.
Dass nun Bundestagsabgeordnete auch keinen Zugang mehr zu den von der Nato in Kanya stationierten deutschen Soldaten erhalten, sei zwar "misslich, ausgesprochen misslich" – doch seien weiterhin Gespräche wichtig.
Tina Hassel gibt bekannt, die ARD wisse "aus sicherer Quelle", dass die Türkei "politische Forderungen gestellt" habe, um über das Besuchsrecht zu verhandeln - zum Beispiel die Auslieferung von Türken, die in Deutschland Asyl beantragt haben.
Ob denn nun aus der Parlamentsarmee mit Besuchsrecht für die Abgeordneten eine "Parlamentsarmee light" werde, fragt sie nach.
"Nein", entgegnet die Kanzlerin sehr entschieden, will aber trotzdem nicht von ihrem Prinzip abweichen, "dass man noch ein wenig versucht zu sprechen", gerade jetzt, wo der Kampf gegen den IS im entscheidenden Stadium sei.
Merkel bleibt harmlos und unangreifbar
Merkel gibt sich staatsmännisch, ein bisschen langweilig – aber letztlich halt vernünftig und so, dass ihre Antworten nicht angreifbar werden.
Auch den Vorwurf, die international geschätzte "Klimakanzlerin" komme zu Hause nicht so recht voran mit den Klimazielen, kontert Merkel routiniert: Da ist der Klimaschutzplan für 2020, da sind die Klimaziele bis 2050, und Ende des Jahrhunderts sollten wir dann "weitgehend CO2-frei" leben.
Dazwischen will sie das mit der Reduktion der Braunkohleförderung regeln, sich um Arbeitsplätze für die Kumpel kümmern und sich die nächsten Schritte im kommenden Jahr überlegen, damit Deutschland bis 2020 bereits die 40 Prozent Reduktion schafft. Schön Schritt für Schritt, eigentlich alles ganz einfach.
Zum Nachhaken bleibt den Journalisten wenig Zeit. Könnte es daran liegen, dass knapp zwanzig Minuten "Sommerinterview" einfach zu kurz sind? Hassel und Baumann müssen ihre Fragen unterkriegen.
Vor allem Fragen zum viel kritisierten Stil der Kanzlerin werden eher abgehandelt. Merkel hatte kürzlich auf die Kritik ihres Vizekanzlers, G20 sei ein "totaler Fehlschlag" gewesen, sehr lapidar geantwortet: Sie freue sich, dass Gabriel dabei gewesen sei, er habe "zum Erfolg beigetragen".
Merkel: "Ich weiß nicht, was Sie mit Masche meinen"
Ob das Merkels Masche sei, will Thomas Baumann wissen. "Ich weiß nicht, was Sie mit Masche meinen", antwortet Merkel. Nachdem Baumann nachfragt: "Sie haben sich doch geärgert, sicherlich", lächelt Merkel: "Nein, ehrlich gesagt, ich habe mich nicht geärgert." Nur gewundert habe sie sich: "Er war ja bei der Vorbereitung dabei."
Die coole Masche der Kanzlerin? Merkels Stil? Oder doch einfach nur: Merkels ureigenes, unverstelltes, unaufgeregtes Wesen? Sie ließ Gabriel genauso hilflos ins Leere laufen, wie nun zwei versierte ARD-Journalisten.
Gegen Ende des Interviews kommt Martin Schulz und sein Zukunftsplan zur Sprache: Deutschland liege bei der Digitalisierung zurück, sagt der SPD-Kandidat.
"Warum haben Sie, Frau Merkel, in zwölf Jahren Regierungszeit nicht mehr fürs Breitbandnetz getan?"
"Unglaublich viel" habe man getan, kontert Merkel, Milliarden habe man investiert, gerade erst das "Onlinezugangsverbesserungsgesetz" verabschiedet. Und trotzdem müsse man doch manchmal feststellen, "dass andere noch schneller sind."
Seitenhieb gegen Sigmar Gabriel
Merkel vergisst in diesem Zusammenhang auch nicht, ihre Zusammenarbeit mit Wirtschaftsminister Gabriel zu erwähnen. Das tut sie jedoch so lapidar und nebenbei, dass man den kleinen Seitenhieb gegen die SPD beinahe überhört hätte.
Ganz am Schluss dann noch die Frage nach dem Verhältnis zur kleinen Schwester, der CSU.
Die Themen, die Merkel nicht so mag, Flüchtlingsobergrenzen, Mütterrente, bundesweite Volksentscheide, sie stehen bei der CSU im Programm.
Ob die kleine Schwester nun "so 'ne bayerische 'bad bank'" werde, bei der man die kniffeligen Themen "entrümpelt", fragt Tina Hassel.
Und wirklich: Zum zweiten Mal huscht ganz kurz ein Lächeln über das Gesicht der Kanzlerin: "So, wie Sie das dargestellt haben, sehe ich das nicht." Die Unterschiede gehörten eben dazu.
Klares Nein zur Obergrenze? "Absolut!"
Wieder nichts Konkretes? Bei diesem Punkt dann doch: "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar, das heißt, ich werde sie nicht akzeptieren."
Klar und deutlich, doch Thomas Baumann kann es nicht so recht glauben: Horst Seehofer wolle doch keinen Koalitionsvertrag ohne Obergrenze unterzeichnen – "dann bleiben Sie beim Nein?" – "Absolut!", bekräftigt Merkel.
Und besinnt sich erst danach wieder auf den Konsens: Man habe auch bei diesem Thema Gemeinsamkeiten, die Bekämpfung der Fluchtursachen etwa.
Ob das Horst Seehofer tröstet?
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