Eine Versicherung für alle: Das ist, zumindest im Kern, die Idee hinter dem Konzept der Bürgerversicherung. Der Meinung einiger Parteien zufolge soll sie das bisherige Zwei-Klassen-Modell in der Krankenversicherung und die das doppelte System bei der Rente nach der Bundestagswahl ablösen. Was die Bürgerversicherung genau bedeutet und wie die Parteien zu ihr stehen.
Beim Arzt stundenlang im Wartezimmer sitzen, währen Privatversicherte im Minutentakt zur Untersuchung gerufen werden? Die Bürgerversicherung will das ändern.
Abseits eines zweigeteilten Versicherungssystem plädiert das Modell für eine gemeinsame Krankenversicherung mit grundsätzlich denselben Leistungen für alle Versicherten. Das gleiche könnte in der Rentenversicherung gelten.
Im Zuge der Bundestagswahl 2017 ist die Debatte um dieses solidarische Versicherungskonzept erneut ausgebrochen. Wie genau die Bürgerversicherung funktioniert und wie die einzelnen Parteien zu ihr stehen, erfahren sie hier.
Die Idee hinter der Bürgerversicherung
Egal ob Müllmann, Freiberufler oder Beamter: Im klassischen Modell der Bürgerversicherung zahlt jeder den gleichen Prozentsatz seines Einkommens in die Versicherung ein.
Ausgenommen davon werden nur besonders niedrige Einkommen bis zu gewissen Freibeträgen. Die Ausstiegsoption bzw. Möglichkeit zur privaten Versicherung für Besserverdienende, Selbstständige, Freiberufler oder Beamte entfällt aber.
Während die Beiträge bei der aktuellen gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung jeweils am Arbeitsentgelt festgemacht werden, sollen bei der Bürgerversicherung auch andere Einkünfte miteinbezogen werden. Dazu zählen beispielsweise Mieteinnahmen und Kapitalerträge.
Wer zuvor bereits Mitglied einer privaten Krankenversicherung war, kann dies auf seinen Wunsch hin bleiben, zahlt aber trotzdem denselben Satz wie alle anderen. Ob die Beiträge ab einer maximalen Summe gedeckelt werden sollen, ist allerdings strittig.
Die Bürgerversicherung verspricht allen Einzahlern einheitliche Bedingungen und Leistungen. Darüber hinaus soll es aber möglich sein, private Zusatzversicherungen abzuschließen.
Verfechter des Modells versprechen sich von ihm eine finanzielle Verbesserung für die Krankenkassen. Dadurch sollen die Leistungen für die Versicherten abgesichert werden und in der Qualität steigen.
Zudem sorgt die Bürgerversicherung ihrer Ansicht nach für eine gerechtere Verteilung der Kosten, weil sie Personen mit höheren Einkommen stärker miteinbezieht.
Daran anknüpfend wird argumentiert, dass sich durch die höheren Beiträge der Besserverdienenden die Beitragssätze insgesamt senken lassen.
Union
Die Union will am heutigen Prinzip nichts ändern. “Die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung lehnen wir ab“, heißt es im CDU/CSU-Wahlprogramm.
Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung mit dem Instrument der Zusatzbeiträge zu Lasten der krankenversicherten Beitragszahler soll also bestehen bleiben.
Auch beim Thema Rente soll es erst einmal keine Veränderungen geben. Stattdessen schlägt die Union eine Kommission vor, die sich mit der Zukunft der Rente erst einmal ausführlich beschäftigen soll.
SPD
Die SPD fordert in ihrem Programm eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte, Selbstständige und Freiberufler eintreten können.
Die private Krankenversicherung soll nicht abgeschafft werden, Privatversicherte sollen aber die Wahl haben, in die Bürgerversicherung zu wechseln.
Arbeitgeber und -nehmer sollen wieder gleiche Beiträge zahlen und nicht - wie heute - die Arbeitnehmer über Zusatzbeiträge stärker belastet werden.
Die Arzthonorare sollen angeglichen werden. Dann würde die heutige Bevorzugung der Privatversicherten durch höhere Arzthonorare beendet, hofft die SPD.
Beim Thema Rente soll die Kasse ebenfalls für weitere Personenkreise geöffnet werden, so dass nicht mehr nur Angestellte einzahlen und vom gesetzlichen System profitieren können.
Die Linke
Die Linken plädiert in ihrem Wahlprogramm für eine “Solidarische Gesundheitsversicherung", die im Prinzip dem Konzept der Bürgerversicherung entspricht.
Auch hier sollen alle in Deutschland lebenden Menschen in eine gemeinsame Krankenversicherung einzahlen.
Private Krankenversicherungen will die Partei auf Zusatzleistungen beschränken. Die dort beschäftigten Personen sollen nach der Umstellung bei den gesetzlichen Krankenkassen eingestellt werden.
Berechnungsgrundlage für die Versicherungsbeiträge soll das Gesamteinkommen des jeweiligen Bürgers sein. Eine Deckelung der abzuführenden Versicherungssummen lehnt die Linke ab.
Ein ähnliches Modell schwebt der Linken im Rentensystem vor. Dabei soll beispielsweise die Beitragsbemessungsgrenze, bis zu der Beiträge gezahlt werden, erst angehoben, dann sogar abgeschafft werden.
Bündnis 90/Die Grünen
“Wir werden die Zwei-Klassen-Medizin abschaffen und stattdessen mit einer Bürger*innenversicherung eine gute Gesundheitsversorgung für alle ermöglichen“, schreiben die Grünen in ihrem Wahlprogramm.
Daran sollen sich alle Bürger Deutschlands beteiligen. Das aktuelle Versicherungssystem ist ihrer Ansicht nach “ungerecht und nicht solidarisch“.
Wie die SPD wollen die Grünen gleiche Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie eine Angleichung der Arzthonorare.
Darüber hinaus sollen auch auf Aktiengewinne und Kapitaleinkünfte Beiträge erhoben werden.
das gilt auch für die Rente, in die in Zukunft auch Abgeordnete, Selbständige und Beamte einzahlen sollen. In einem ersten Schritt sollen aber erst einmal nur "die nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen, Minijobberinnen und Minijobber, Langzeitarbeitslose und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen", heißt es im Programm.
FDP
Die FDP bezeichnet die Bürgerversicherung in ihrem Wahlprogramm als getarnte staatliche Zwangskasse und spricht sich klar gegen sie aus.
Weiterhin heißt es dort: “Staatlich organisierte und rationierte Zuteilungsmedizin führt langfristig zu einer drastischen Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung und verschärft die demografischen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung.“
Die Partei betont, dass jeder Deutsche frei zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wählen und damit dass für ihn jeweils am besten geeignete Modell in Anspruch nehmen können soll.
Auch beim Thema Rente ist die FDP für das aktuelle Modell.
AfD
Laut dem Wahlprogramm der AfD wird das deutsche Gesundheitssystem "durch allgemeine politische Fehlentwicklungen bedroht".
Diese sieht die Partei vor allem bei den finanziellen Aufwendungen für Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern. Um das System allgemein zu verbessern schlägt die Alternative für Deutschland verschiedene Maßnahmen vor. Zum Konzept der Bürgerversicherung äußert sich die AfD allerdings nicht.
Auch zum Thema Rente und Bürgerversicherung äußert sich die AfD nicht.
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