• Am 26. September wählt Deutschland einen neuen Bundestag - ein gewöhnlicher Vorgang in ungewöhnlichen Zeiten.
  • Nicht nur die Corona-Pandemie macht diese Wahl besonders. Schließlich sind da noch der Briefwahl-Boom und eine nie dagewesene Ausgangssituation.

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Deutschland steuert auf eine ungewöhnliche Bundestagswahl zu. Und zwar nicht nur, weil Wahlkampf und Stimmabgabe wegen der Corona-Pandemie diesmal mit mehr Abstand laufen als sonst.

Es ist auch das erste Mal, dass ein Bundeskanzler - in diesem Fall eine Bundeskanzlerin - nicht mehr selbst antritt, um das Amt zu verteidigen. Und, schaut man auf aktuelle Umfragen, so erscheint es zumindest möglich, dass erstmals seit der Nachkriegszeit jemand ins Kanzleramt einziehen könnte, der nicht CDU oder SPD angehört.

Wahlkampf in Zeiten der Pandemie

Die Corona-Pandemie hat den Wahlkampf verändert. Viele Parteiveranstaltungen liefen in den vergangenen Monaten digital ab. Die Möglichkeiten, etwa die frisch nominierten Spitzenkandidaten auf großer Bühne lautstark zu bejubeln, waren bei Video-Konferenzen sehr eingeschränkt. Die Delegierten der AfD trafen sich zwar in Dresden zum Präsenzparteitag. Sie bestimmten ihr Spitzenteam allerdings erst später per Online-Befragung der Mitglieder.

Da es mit Abstand und Maske schwierig ist, fremde Menschen anzusprechen, hat der Bundestag den kleineren Parteien die Zulassung zur Wahl am 26. September erleichtert. Sie müssen dafür nur noch ein Viertel der sonst vorgeschriebenen Unterstützer-Unterschriften vorlegen. Die Regelung gilt für Parteien, die im Bundes- oder in einem Landtag seit der letzten Wahl nicht ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind.

Doppelte Premiere bei den Spitzenkandidaten

Bei den Spitzenkandidaten gibt es diesmal eine zweifache Premiere: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat früh angekündigt, dass sie auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Sie hat dies allerdings getan, ohne das Kanzleramt vorzeitig zu verlassen, auch damit der Kanzlerkandidat der Union - CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet - mit Amtsbonus in den Wahlkampf geht. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik, in der fünf CDU-Mitglieder und drei SPD-Politiker ins Kanzleramt einzogen - noch nicht gegeben.

Ein Novum ist zudem die Spitzenkandidatur der Grünen. "Kanzlerkandidat" ist zwar kein Titel, der irgendeine formale Bedeutung hätte. Schließlich stehen in Deutschland Parteien zur Wahl und keine Kanzler. Traditionell stellen allerdings nur solche Parteien einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin auf, die auch tatsächlich Aussicht darauf haben, die Regierung zu bilden. Das waren bislang ausschließlich die Union und die Sozialdemokraten.

Mit einer Ausnahme: Die FDP hatte mit Guido Westerwelle 2002 auch einen Kanzlerkandidaten ins Rennen geschickt. Angesichts eines Wahlergebnisses von 7,4 Prozent ernteten die Liberalen dafür allerdings so viel Spott, dass es bislang bei diesem einen Versuch blieb. Diesmal ist es eher die SPD, die sich fragen lassen muss, ob sie es mit der Kanzlerkandidatur von Bundesfinanzminister Olaf Scholz denn wirklich ernst meint. In jüngsten Umfragen liegen die Sozialdemokraten bei rund 15 Prozent.

Die Grünen stehen dagegen aktuell - ebenso wie CDU und CSU - stabil über 20 Prozent, und haben damit zumindest theoretisch eine echte Machtoption. Sollte ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock (40) Kanzlerin werden, wäre sie die bislang jüngste Person auf diesem Posten. Merkel war bei ihrem Amtsantritt 51 Jahre alt und damit jünger als alle vorherigen Kanzler der Bundesrepublik.

Der Briefwahl-Boom und seine Folgen

Für die Briefwahl werden sich wahrscheinlich mehr Wählerinnen und Wähler entscheiden als früher. Das war schon bei den zurückliegenden Kommunal- und Landtagswahlen so. "Ich erwarte, dass der Briefwähler-Anteil diesmal deutlich höher sein wird als bei der Bundestagswahl 2017 - auch wenn die Pandemie im September schon weitgehend unter Kontrolle sein sollte", sagt der Chef des Meinungsforschungsinstitutes Forsa, Manfred Güllner.

Er sei kein Freund der Briefwahl, "weil zum einen die Entscheidung von einem Stichtag auf einen mehrwöchigen Zeitraum verlagert wird". Zum anderen sei die geheime Stimmabgabe dabei nicht gewährleistet, "wenn zum Beispiel in einem Haushalt quasi kollektiv abgestimmt wird". Einzelne Briefe könnten bei der Zustellung verloren gehen. Der Wahlforscher sagt: "Außerdem sind vielfältige Manipulationen möglich, allerdings nicht - so wie die AfD es behauptet - bei der Auszählung der Stimmen."

Söder

Söder erwartet viel Arbeit: "Schwierigster Wahlkampf der Union seit 1998"

CSU-Chef Markus Söder sagt der Union einen jarten Bundestagswahlkampf voraus. Er erwartet den wohl "schwierigsten Wahlkampf der Union seit 1998". Die Ausgangslage sei laut Söder "relativ schwierig". (Teaserbild: IMAGO / Sven Simon)

Zudem erschwert ein hoher Briefwahl-Anteil die Prognosen am Wahltag. Denn da können ja nur die Menschen nach ihrem Stimmverhalten befragt werden, die im Wahllokal gewählt haben. Güllner erklärt: "Da es unter den Anhängern der AfD viele Briefwahl-Skeptiker gibt, gab es beispielsweise bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg bei der Prognose um 18.00 Uhr höhere Werte für die AfD als sie dann letztlich nach Auszählung aller Stimmen hatte."

Die Coronakrise als beherrschendes Thema

Mit der Coronakrise und ihrer Bewältigung gibt es bei dieser Wahl nach Einschätzung des Forsa-Chefs ein Thema, das alles andere überstrahlt. "Ich denke, dass die Bewältigung der Corona-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise die entscheidenden Themen bei dieser Wahl sein werden", sagt der Meinungsforscher. Ob der Klimaschutz diesmal ein wahlentscheidendes Thema sein werde, da sei er sich dagegen nicht so sicher.

An mehreren Schaltstellen der Pandemie-Bekämpfung sitzen Unionspolitiker - allen voran Gesundheitsminister Jens Spahn und die Kanzlerin. Damit zahlen Erfolg oder Misserfolg hier wohl vor allem bei CDU und CSU ein. Wenn es mit dem Impfen und der Rückkehr zur ökonomischen "Normalität" also bis September gut vorangehen sollte, steigen die Chancen der Schwesterparteien. Geht da noch mehr schief, könnten sich CDU und CSU dagegen in der Opposition wiederfinden. (dpa/mcf)

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