• Der Kanzlerkandidat der Union will mit einem Zukunftsteam neuen Schwung in den Wahlkampf bringen.
  • Zu den acht Personen gehören unter anderem Friedrich Merz, Musikmanager Joe Chialo und CSU-Politikerin Dorothee Bär.
  • Der Schritt sei eine Reaktion auf schlechte Umfragewerte, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun. In der Vergangenheit hatten solche Teams aber kaum messbare Effekte.
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"Es sind noch 23 Tage bis zur Bundestagswahl", sagte Armin Laschet am Freitagmorgen in Berlin. Unerwähnt ließ der CDU-Kanzlerkandidat dabei, dass seine Partei aktuell in Umfragen bei weniger als 23 Prozent steht. Der Wahlkampf des NRW-Ministerpräsidenten verläuft holprig. Neuen Schwung verspricht er sich von seinem "Zukunftsteam".

Vier Frauen und vier Männer sollen in den wenigen verbleibenden Wochen öffentlich auftreten. Laschet erhofft sich von ihnen "originelle, neue Ideen" an Stelle von "ideologischen Experimenten". Mit dem Slogan "Keine Experimente" hatte schon Konrad Adenauer 1957 für sich geworben.

Schattenkabinette in der Vergangenheit oft wenig wirksam

"Ein Kanzlerkandidat will mit einem Team deutlich machen, dass er nicht der einzige Repräsentant seiner Partei ist, sondern dass es in der Partei viele Gruppen und Themen gibt", sagt Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Man geht so einen Schritt vor allem, wenn man selbst als Kandidat nicht so gut dasteht", so Jun. Bei Armin Laschet sei das wahrscheinlich der Fall: "Sein Zukunftsteam ist die Reaktion auf die schlechten Umfragewerte der Union, die auch mit seiner Person zusammenhängen."

In der Vergangenheit hätten sich solche Schattenkabinette bei den Wählerinnen und Wählern als nicht besonders wirksam erwiesen, sagt Jun. Die "Troika" aus Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder konnte der SPD 1994 keinen Wahlsieg bescheren. Auch aus Edmund Stoibers Kompetenzteam 2002 und Franz-Walter Steinmeiers 19-köpfigem Schattenkabinett 2009 landete nach den Wahlen niemand in der folgenden Bundesregierung – weil die Siege ausblieben.

Sicherheitsexperte Peter Neumann als Überraschung

Eine Personalie hatte sich bereits abgezeichnet: Friedrich Merz, Unions-Fraktionschef von 2000 bis 2002 und Laschets unterlegener Konkurrent um den Parteivorsitz, steht für das Thema Wirtschaft. Merz hatte sich nach seiner Niederlage eingereiht und ist für Laschet wichtig, um konservative und wirtschaftsliberale Mitglieder zu motivieren.

Überraschender ist der Name Peter Neumann. Der renommierte Sicherheits- und Terrorismusexperte forscht am King’s College in London. Die "Bild" feierte seine Benennung bereits als "Wahlkampf-Coup". Neumann ist zwar kein Politiker, aber bekennender Laschet-Fan: Der NRW-Ministerpräsident gehöre zu den Politikern, die wirklich zuhören und an den Themen interessiert sind, sagte er bei seiner Vorstellung.

Merz und Neumann stehen für klassische CDU-Themen. Doch Laschet war es offenbar wichtig, auch moderne Akzente zu setzen. Joe Chialo soll sich um Kreativwirtschaft und Innovationen kümmern. Der Ex-Grüne und frühere Musikmanager von Alvaro Soler und der Kelly Familiy kandidiert in Berlin-Spandau für die CDU. "Gestaltungsmöglichkeiten und Beinfreiheit" will er der Kulturbranche verschaffen.

Verschiedene Parteiflügel vertreten

Für liberale Töne in Partei steht auch Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und Widersacherin des rechten Parteiflügels. Ausgewogenheit der Geschlechter, Parteiflügel und Regionen war Laschet bei der Zusammenstellung seines Teams offenbar wichtig: Ostdeutschland verkörpert dort die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch. Ihr Thema sind gleichwertige Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik.

Bleiben noch drei Mitglieder aus dem Berliner Politikbetrieb: Die stellvertretende Parteivorsitzende Silvia Breher aus Niedersachsen steht für das Thema Familie, der Fraktionsvize und Finanzfachmann Andreas Jung soll sich um den Klimaschutz kümmern.

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung vorantreiben soll die Frau, die dafür bereits seit 2018 an höchster Stelle zuständig ist: Dorothee Bär, derzeit Staatsministerin im Bundeskanzleramt und das einzige CSU-Mitglied im Zukunftsteam. "Wir wollen dem Staat ein Update verpassen", sagte sie am Freitag.

"Rettungsteam" der CDU

Bär ist in der Achter-Gruppe auch das einzige Mitglied der aktuellen Bundesregierung. "Wenn amtierende Minister wie Andreas Scheuer und Anja Karliczek nicht mal gut genug für das Laschet-Rettungsteam der CDU sind – warum sind sie dann angeblich gut genug, um unser Land zu regieren?", schrieb der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle auf Twitter.

Die politische Konkurrenz reagiert erwartungsgemäß mit Kritik und Häme auf das Zukunftsteam: Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach im Interview mit der Rheinischen Post von "hilflosem Aktionismus". FDP-Fraktionsvize Michael Theurer bezeichnete die Auswahl im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen" als "peinlich".

Fehlende Prominenz

Laschets Team ist zwar deutlich übersichtlicher als zum Beispiel das schulklassengroße Schattenkabinett von Steinmeier 2009. Allerdings kann er mit acht Köpfen nicht alle Themen abdecken, für die gute Ideen nötig sind: Zur Zukunft von Verkehr, Landwirtschaft, Europäischer Union oder Bundeswehr hat er zum Beispiel keine Expertinnen oder Experten benannt.

Ob das Zukunftsteam Laschets Wahlkampf neuen Schwung verleiht, werde sich zeigen, sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun. "Zweifel sind angebracht, denn bis auf Friedrich Merz und Dorothee Bär fehlt es dem Team an Prominenz. Die anderen sechs Mitglieder sind einer breiten Öffentlichkeit eher nicht bekannt."

Laschet war am Freitag aber sichtlich zufrieden mit seiner Truppe. Sie passt zu seinem Teamplayer-Image. Zum Ende der Vorstellung sagte er: "Ich freue mich, zu sehen, welche weiteren Personen denn die SPD zu bieten hat."

Die Sozialdemokraten wollen jedoch nicht nachziehen. Für sie steht Kanzlerkandidat Olaf Scholz ganz im Mittelpunkt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte nach der Vorstellung von Laschets Team: "Unser Zukunftsteam hat 400.000 Mitglieder."

Über den Experten: Uwe Jun ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier und beschäftigt sich vor allem mit Parteienforschung. 2020 war er Mit-Herausgeber des Sammelbands "Die Parteien nach der Bundestagswahl 2017 - Aktuelle Entwicklungen des Parteienwettbewerbs in Deutschland".

Quellen:

  • Gespräch mit Prof. Dr. Uwe Jun, Universität Trier
  • dpa
  • Twitter-Account der CDU-Deutschlands
  • Twitter-Account von Lars Klingbeil
  • Twitter-Account von Konstantin Kuhle
  • Bild.de: Das ist Laschets Terror-Experte
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