CDU-Chef Friedrich Merz verspricht viel für den Fall eines Sieges der Union bei der Bundestagswahl. Die Umfragen sehen derzeit gut für die Unionsparteien aus. Ist sich die CDU zu sicher?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Laura Czypull sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz will ins Kanzleramt. Für den Fall seines Sieges hat er auch schon genaue Vorstellungen: Es brauche dringend einen "Politikwechsel", Merz will mit Deutschland "wieder nach vorn". Stattdessen klingen viele seiner Forderungen nach "wieder zurück".

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Gerade erst machte eine "Streichliste" die Runde. Ihr Inhalt verdeutlicht: Friedrich Merz will zahlreiche Ampel-Gesetze abschaffen. Darunter etwa, klar, die Cannabis-Teilfreigabe, aber auch das Bürgergeld oder der Atomausstieg. Ein Vorhaben, das mindestens schwierig werden könnte.

Die Christdemokraten verkaufen es unter dem Schlachtruf "CDU pur". Am 17. Dezember stellen sie das Wahlprogramm vor – und wollen damit im besten Fall direkt ins Kanzleramt durchmarschieren. In den Umfragen verharren die Unionsparteien aber mehr oder weniger auf der 30-Prozent-Marke. Ein nennenswerter Aufschwung in Sachen Beliebtheit blieb nach dem Ampel-Ende bisher aus. Laut ZDF-Politbarometer liegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Merz in der K-Frage zudem fast gleichauf. Kein Grund also für Merz, sich auszuruhen.

Sieg für Merz? Auf die Inszenierung kommt es an

Am Ende geht es darum, wer bei den Wählerinnen und Wählern besser ankommt. Dabei hat Scholz den Weihnachtsmarkt-Wahlkampf auf seiner Seite. Denn: "Was Merz im Wahlkampf vermeiden sollte: sich als bürgernaher Politiker zu inszenieren. Das kaufen ihm die Wählerinnen und Wähler nicht ab", sagt Dennis Steffan im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist Wahlkampfforscher und Kommunikationsexperte an der Freien Universität Berlin.

Steffan erklärt: "Wer mit einem Privatflugzeug zur Hochzeit eines anderen Spitzenpolitikers reist, Millionen verdient hat und sich trotzdem zur gehobenen Mittelschicht zählt, ist nicht unbedingt das beste Beispiel für einen bodenständigen Politiker, der die Sorgen und Nöte der normalen Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen kann."

Das hat offenbar auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Hinterkopf. Jüngst stellte er nämlich klar, dass Weihnachtsmärkte nicht der richtige Ort für einen Wahlkampf seien. "Die Leute würden nur den Kopf schütteln."

"Merz geht als klarer Favorit ins Rennen"

"Merz werden vor allem zwei wichtige Eigenschaften zugeschrieben, die zur Ausübung eines politischen Spitzenamts notwendig sind: Führungsqualität und Sachkompetenz", sagt Steffan. Beziehungsweise in Bezug auf diesen Wahlkampf: Wirtschaftskompetenz.

Wirtschaft, Migration und Sicherheitspolitik spielen für Wählerinnen und Wähler aktuell in Umfragen die größte Rolle. Ein Vorteil für die CDU: In diesen Themenfeldern hat die Ampel in den Augen der Bevölkerung nicht geliefert – Merz hingegen gilt genau hier als besonders kompetent. Es ist daher erwartbar, dass die Partei in ihrem Wahlkampf auf ebenjene Themen setzen wird.

Laut Steffan geht Merz als klarer Favorit ins Rennen und müsste sich schon einige Patzer leisten, um diesen Vorsprung zu verspielen. "Das ist zwar nicht komplett ausgeschlossen, die Wahrscheinlichkeit ist aber gering", meint der Wahlkampfexperte.

Merz bereitet sich auf Kanzleramt vor: "Lockerungsübungen"

Ein möglicher Fallstrick: Merz' scharfe Wortwahl. Hinter den Kulissen klingen seine Forderungen allerdings längst nicht mehr so alternativlos. Man müsse Erwartungsmanagement betreiben, forderte Merz etwa vor einigen Tagen im Vorfeld einer Sitzung des Bundesvorstands.

"Lockerungsübungen", nennt Steffan das. So lehne der Kanzlerkandidat etwa Reformen bei der Schuldenbremse nicht mehr ganz so entschieden ab. Sollte Merz sich bei der Bundestagswahl im Februar tatsächlich durchsetzen, braucht er Koalitionspartner. Und das wird im Zweifel nicht nur eine Partei der zerbrochenen Ampel sein, sondern unter Umständen sogar zwei. Die werden Merz' Rückabwicklung der eigenen Gesetze vermutlich nicht ohne Weiteres zustimmen.

Steffan sagt dazu: "Merz weiß: Wenn er in Regierungsverantwortung ist, muss er gegebenenfalls Zugeständnisse an die oder den Koalitionspartner machen und kann seine Wahlkampfversprechen nicht alle durchsetzen."

Spätestens das EU-Recht und internationale Regelungen werden den CDU-Chef daran hindern, einige Ampel-Gesetze einfach wieder einzukassieren. Auch der schon jetzt begrenzte finanzielle Spielraum für die nächste Regierung wird die Gestaltungsmöglichkeiten von Friedrich Merz stark einschränken. Denn obwohl es noch keinen verabschiedeten Haushalt gibt, ist bereits klar, dass erneut rund 90 Prozent des Ausgabevolumens faktisch gebunden sind – etwa durch langfristige Zusagen oder Pflichtausgaben.

Wenn es der CDU-Kanzlerkandidat also ernst meint mit seinem "Politikwechsel" und der Wirtschaftswende nach Unionsvorstellungen, muss er das mit knapp einem Zehntel der Mittel umsetzen – und noch dazu mit einer Haushaltslücke von knapp 65 Milliarden Euro klarkommen. Dieses Loch klafft bislang in der mittelfristigen Finanzplanung von SPD, Grünen und FDP für die Jahre 2026 bis 2028. Gründe für Merz, sich nicht überall festzulegen.

Doch dort, wo Friedrich Merz sich taktisch "lockert", wie Steffan es beschreibt, wirkt es so, als würde CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die dadurch entstehenden Diskussionen wieder einfangen. "Es wirkt teilweise wie eine Good Cop/Bad Cop-Strategie zwischen Linnemann und Merz", sagt der Kommunikationsexperte. Der eine sei für die Kernklientel der Partei zuständig und zeige klare Kante beispielsweise gegen die Grünen (in dem Fall Linnemann) – und der andere gebe sich staatsmännisch.

Der Schwachpunkt von Friedrich Merz

Damit kommt die Union allerdings bei vielen Frauen und jungen Menschen im Land nicht an. Dort sieht Steffan auch den großen Schwachpunkt des CDU-Chefs: "Merz hat ein Frauenproblem – und zwar ein doppeltes." Damit meint der Experte einerseits sein reaktionäres Frauenbild. Andererseits könne Merz auch parteiinterne Probleme bekommen: "Er hält offenbar wenig von Geschlechterparität in seinem Kabinett. Einige Unionspolitikerinnen erheben jedoch auch einen Anspruch auf Ministerinnenämter. Hier ist die Frage, welche Posten Merz ihnen gibt. Sind es eher die für die harten Themen oder doch die weicheren Ressorts?"

Ist sich die CDU also zu sicher mit ihrem Sieg? Schließlich ließ sich bereits beobachten, wie Unionspolitikerinnen und -politiker schon jetzt Ansprüche auf bestimmte Ministerien erhoben haben. "Das könnte von der Bevölkerung in einem so frühen Wahlkampfstadium als unangemessen eingestuft werden", meint Steffan. Frühere Wahlen haben gezeigt, dass gute Umfragewerte noch keinen Kanzler machen müssen. Der Sieg von Merz ist keineswegs gesetzt.

Verwendete Quellen:

"Kein Habeck als Wirtschaftsminister": Merz-Äußerung ruft Söder auf den Plan

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Dass der CDU-Vorsitzende Merz und CSU-Chef Söder eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen etwas anders sehen, ist bekannt. Das wird nun an der Person von Wirtschaftsminister Habeck erneut deutlich.
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