30 Minuten Polittalk - kann das funktionieren? Maybrit Illner versucht es und setzt bei "Illner intensiv" drei Politiker auf nur ein Thema an. Nach der gestrigen Doppelfolge zu Einwanderung und Rente kann man festhalten: Ja, kann tatsächlich funktionieren - wenn man die richtigen Gäste hat.

Christian Vock
Eine Kritik
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Gleich vorneweg: Nein, Alice Weidel war nicht da. Doch dazu später noch genug. Erst einmal zu den Sachthemen, denn darum sollte es ja eigentlich in einem Express-Polittalk wie "Illner intensiv" gehen.

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Kurz und knackig, das soll "Illner intensiv" sein. Ein Thema, drei Parteienvertreter und 30 Minuten Zeit, darüber zu diskutieren.

So ein Konzept kann im besten Fall gut funktionieren, wenn es alle schaffen, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren. Im schlechtesten Fall ist es einfach zu wenig Zeit für eine gute Diskussion.

Den Aufschlag der gestrigen Doppelfolge machte Illner mit den Gästen Christian Lindner (FDP), Joachim Herrmann (CSU) und Aydan Özoguz (SPD) mit dem Thema "Flucht, Einwanderung, Integration - wer hat ein Konzept?"

"Illner intensiv": kurz und knapp

Und ausgerechnet bei diesem hochgekochten Thema zeigte sich, dass so ein 30-Minuten-Konzept tatsächlich funktionieren kann - und das lag vor allem an den Gästen.

Diese diskutierten leidenschaftlich, kamen aber trotzdem aufgrund des knappen Zeitbudgets häufig auf den Punkt ohne dieses ganze "Aber Ihre Partei hat doch damals"-Gezeter.

Lediglich an zwei Stellen wurde es unsachlich. Etwa als Joachim Herrmann Aydan Özoguz nach einem Einwurf von oben herab tadelte, dass einander aussprechen zu lassen, "sich in Europa bewährt habe".

An anderer Stelle raunzte Özoguz wiederum Christian Lindner an: "Ich kann nichts dafür, wenn Sie keine Ahnung haben." Beides hat mit seriöser Diskussion nichts zu tun.

Ebenso wenig, aber aus anderen Gründen, wie das Themengehetze von Maybrit Illner. Europäische Verteilungsquote, Obergrenze, Einwanderungsrecht, ungarischer Grenzzaun - es war ein einziges Stichwortrauschen, das die Grenzen des Formats zeigte.

Zwar wurden durch die Kürze der Zeit die Positionen der Parteien für den Zuschauer eindeutiger, Nachfragen, Gegenargumente oder Hintergrundinformationen blieben dabei aber auf der Strecke.

Besonders absurd wurde dieses oberflächliche Themenhopping, als Illner Özoguz allen Ernstes fragte, ob diese sich auch eine Flüchtlingsuntergrenze vorstellen könne. Etwas perplex antwortete Özoguz: "Wir sind doch alle froh, wenn Menschen nicht fliehen müssen."

In Runde zwei forderte Illner ihre Gäste dann zum Thema "Angst vor Armut und Krankheit - wer schützt uns im Alter?"

Die SPD schickte dafür ihre stellvertretende Vorsitzende und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, und die CDU den NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann.

AfD: Rentendiskussion ohne Rentenkonzept

Ebenfalls eingeladen war eigentlich auch AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. Nach ihrem, von verschiedenen Medien-Experten als kalkuliert eingeschätzten, vorzeitigen Abgang in der Polittalkshow "Wie geht’s, Deutschland?", sagte Weidel nach ZDF-Angaben die Teilnahme an "Illner intensiv" aber kurzfristig wieder ab.

Stattdessen schickte die AfD ihren Rechtsaußen André Poggenburg. Der hatte gestern die aus AfD-Sicht undankbare Aufgabe, das Rentenkonzept seiner Partei zu präsentieren.

Undankbar deshalb, weil die AfD einen "wirklichen Konsens" zur Rente überhaupt nicht hat, wie Poggenburg, Landesvorsitzender seiner Partei in Sachsen-Anhalt, gleich bei der ersten Frage zugeben musste.

Ein fehlendes Rentenkonzept ist natürlich für eine Talkshow zum Thema Rente eher ungünstig und diese Konzeptlosigkeit merkte man seinen Beiträgen dann auch an.

Wo Schwesig und Laumann die Vorstellungen ihrer Parteien erklären konnten, musste Poggenburg immer wieder die Entschuldigung bemühen, dass die AfD eben noch eine sehr junge Partei sei und das Thema Rente immer noch in der Partei diskutiert werde.

Für Wähler, die Angst vor Altersarmut haben, kann so ein Verweis natürlich nicht als Rechtfertigung taugen.

Vielmehr zeigte sich hier, dass die AfD es inhaltlich vielleicht allzu oft zu monothematisch mag.

Für eine Partei, die Poggenburg gestern Abend als "neue Partei der sozialen Gerechtigkeit" bezeichnete, ist ein fehlendes Rentenkonzept jedenfalls mehr als dünn.

"Illner intensiv": Spickzettel für die Wahl

Für "Illner intensiv" war dieser inhaltliche Ausfall der AfD natürlich auch nicht gerade zuträglich, weil von dem eigentlichen Diskussionstrio so nur noch ein Duo übrig blieb.

Trotzdem kann "Illner intensiv" insgesamt als Format bestehen. Aber nur dann, wenn man sich als Zuschauer davon keine tiefe Diskussion erhofft, bei der sich politische Kontrahenten intensiv in Rede und Gegenrede zu einem Thema austauschen.

Wenn man aber zu einzelnen Sachthemen noch einmal die Standpunkte der jeweiligen Parteien hören möchte, dann kann "Illner intensiv" vielleicht ein kleiner Spickzettel für die eigene Wahlentscheidung sein.

Zumindest, wenn die eingeladenen Parteien dann auch etwas zum Thema zu sagen haben.

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