In Berlin ringt die neue GroKo aus Union und SPD um die Posten im nächsten Kabinett. Vor allem das Finanzministerium gilt als strategisch wichtig.

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In ihren Koalitionsverhandlungen streiten CDU, CSU und SPD nicht nur um Inhalte. Entscheidend für die strategische Ausrichtung der Parteien und die Karrieren einzelner Politiker ist auch die Frage, welche Partei welche Ressorts besetzt. "Die Minister und ihr mediales Auftreten prägen die Arbeit eines Ministeriums und dessen öffentliche Wahrnehmung", erklärt Marc Debus, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim. Vor allem die Partei, die nicht die Kanzlerin oder den Kanzler stellt, versucht in Koalitionsverhandlungen stets, sich wichtige Posten im Kabinett zu sichern. Welche sind das?

Finanzminister mit großer Macht

Das Finanzministerium ist derzeit gleich aus mehreren Gründen besonders beliebt. Die SPD will es auf jeden Fall besetzen, um ein Gegengewicht zur Union in den Händen zu haben. Denn erstens hat der Finanzminister traditionell eine starke Stellung. "Im Prinzip kann der Bundeshaushalt und damit die Haushalte der Ministerien nicht ohne die Zustimmung des Finanzministers verabschiedet werden", erklärt Politikwissenschaftler Debus.

Hinzu kommen zwei aktuelle Entwicklungen: Vor 15, 20 Jahren war das Amt des obersten Kassenwarts noch weniger attraktiv – denn zu dieser Zeit musste sich der Finanzminister mit Sparauflagen und Einschnitten unbeliebt machen. Für Haushaltsdisziplin ist er zwar auch weiterhin zuständig, allerdings: "In Zeiten, in denen es viel Geld zu verteilen gibt, steht ein Finanzminister tendenziell in besserem Licht", so Debus.

Drittens hat die europäische Haushalts- und Eurokrise dem Amt eine weitere Bühne verschafft. Der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe es geschafft, dem Ministerium ein klares Profil und auch eine außenpolitische Note zu geben, erklärt Richard Hilmer. Der Mitbegründer des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap berät mit seinem Unternehmen "policy matters" inzwischen Parteien und Ministerien.

Außenministerium: geringere Relevanz, aber hohe Zustimmungswerte

Verändert hat sich in den vergangenen Jahren auch die Stellung des Außenministers. In den meisten Kabinetten war der deutsche Chef-Diplomat auch Vizekanzler und damit der wichtigste Vertreter des kleineren Koalitionspartners im Kabinett. "Da jedoch die Europapolitik auch von der Bundeskanzlerin gemacht wird, hat die Relevanz des Außenministeriums in den vergangenen Jahren etwas abgenommen", glaubt Marc Debus.

Trotzdem: "Außenminister haben meist hohe Zustimmungswerte", sagt Richard Hilmer. Das Auswärtige Amt bleibe damit ein attraktiver Arbeitsplatz für Politiker: "Sigmar Gabriel hat gezeigt, dass man in unruhigen Zeiten dort auch sehr pointiert Politik machen und deutsche Interessen vertreten kann – was ihm als Wirtschaftsminister nicht im gleichen Maße gelungen ist."

Lieblingsressorts der Parteien

Abgesehen von diesen beiden Schlüsselministerien sind die Vorlieben der Parteien auch von den Themen abhängig, die sie im Schwerpunkt vertreten. "Statistisch lässt sich zeigen: Je größer der Raum für einen Politikbereich in einem Wahlprogramm ist, desto eher strebt die Partei auch das passende Ministerium an", erklärt Marc Debus.

Für die SPD ist das Arbeits- und Sozialministerium deshalb in der Regel gesetzt. Hätte es eine Jamaika-Koalition gegeben, hätten sich die Grünen wohl das Umweltressort gesichert, die FDP wahrscheinlich das Bildungsministerium. Der Posten des Innenministers gehe wiederum meistens an die Unionsparteien, sagt Richard Hilmer: "Parteien versuchen manchmal, ein bestimmtes Ministerium zu besetzen, um dem politischen Gegner bei diesem Thema kein Einfallstor zu bieten."

Die strategische Bedeutung eines Ministeriums ist aber auch von aktuellen Entwicklungen abhängig. Die Parteien versuchen immer wieder, die einzelnen Häuser neu zuzuschneiden und damit aufzuwerten. Ein Wirtschaftsministerium, das auch für Energie und Digitalisierung zuständig ist, wäre zum Beispiel ein echtes Superministerium – und könnte dem Politiker an seiner Spitze eine große Präsenz in der Öffentlichkeit verschaffen.

Sprungbrett ins Kanzleramt

Führen sie ihr Ministerium erfolgreich, bietet es Politikern häufig auch ein Sprungbrett und die Möglichkeit, sich zu profilieren. Willy Brandt zeigte als Vizekanzler und Außenminister in der Großen Koalition 1966 bis 1969 zum Beispiel, dass die SPD auch reif fürs Kanzleramt war. Sein Nachfolger Helmut Schmidt bereitete sich erst als Verteidigungs-, danach als Wirtschafts- und Finanzminister auf die Arbeit als Regierungschef vor.

Dafür muss es gar nicht immer ein Schlüsselministerium sein. "Politiker haben immer wieder auch die Gelegenheit, in Ministerien zu glänzen, die nicht so sehr im Rampenlicht stehen", sagt Richard Hilmer. Letztendlich komme es darauf an, was ein Politiker aus seinem Amt mache: "Ein guter Minister muss kommunizieren und mit Überzeugung und Verve versuchen, konkrete Ziele zu erreichen. Die reine Verwaltung reicht nicht."


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