Armin Laschet wähnte sich am Montag schon als Kanzlerkandidat der Union. Doch in Wahrheit hat er bislang nur die Rückendeckung seiner Partei-Führung. Söder ist Favorit der Basis und will nun die Fraktion entscheiden lassen - wie 1979 Franz Josef Strauß.
Wer verstehen will, was
Seine Kanzlerkandidatur war spektakulär, weil er - obwohl ein umstrittener Polarisierer - sich gegen die Landesverbände und Gremien der CDU durchsetzen musste. Das konnte nur gelingen, weil Strauß die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur aus den Parteigremien heraus und in die Bundestagsfraktion hinein verlagerte. Am 2. Juli 1979 war es soweit. Es kam zur Kampfabstimmung: Strauß erhielt 135 Stimmen der 237 anwesenden Abgeordneten (57 Prozent). 102 Abgeordnete stimmen für Ernst Albrecht (43 Prozent).
Söder hofft auf ähnliches Ergebnis
In der heutigen Unionsfraktion könnte Söder ein ähnliches Ergebnis erwarten. Söder hat unter den Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU deutlichen Rückhalt. Von den 245 Abgeordneten gehören 45 der CSU an, sie stehen geschlossen hinter Söder, dazu sind erklärtermaßen etwa 60 CDU-Abgeordnete offen für Söder, mindestens weitere 30 neigen ihm zu.
Sollte die Fraktion offen abstimmen, würde Söder wahrscheinlich in ähnlicher Größenordnung gewinnen wie Strauß 1979. Die Fraktion ist nicht nur das bundespolitische Machtzentrum der Union, sie verkörpert für einen Wahlkampf auch das Gremium mit höchster Legitimität, denn just um diese Mandate geht es.
Gelingt Söder der Coup in der Fraktion, wäre die Aktion der vergangene Tage ein machtpolitisches Meisterstück. Denn
Doch in Wahrheit war der Ablauf der Ereignisse von Söder geschickt eingefädelt - eine Falle. Der CSU-Chef konterte die eine CDU-Präsidiumsentscheidung mit der anderen CSU-Präsidiumsentscheidung und erklärte den Spielstand forsch auf unentschieden.
Damit nahm er Laschet dessen wichtigsten Trumpf aus der Hand - eben die Abstimmung im Präsidium. Dieser Trumpf ist nun ausgespielt, die Entscheidung aber noch nicht da. Damit hat Söder ein scheinbar aussichtsloses Spiel wieder geöffnet. Nun rückt die Fraktion ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Söder hat gepokert und alles auf Fraktion gesetzt.
Dort wird er auf seine glänzenden Umfragewerte verweisen. Er liegt nicht bloß knapp vor Laschet, sondern haushoch. Er führt nicht nur momentan sondern seit Monaten stabil und mit steigender Tendenz. In dieser Woche meldet Forsa sogar einen gigantischen Vorsprung Söders. Hätten die Deutschen die Möglichkeit, einen Kanzler frei zu bestimmen, würden sich 36 Prozent für Söder, aber nur 3 Prozent für Laschet aussprechen.
Auch bei der Basis von CDU und CSU ist er der klare Kandidatenfavorit. Nur 32 Prozent der Wähler, die bei der Bundestagswahl 2017 CDU oder CSU gewählt haben, würden jetzt wieder CDU wählen, wenn Laschet Kanzlerkandidat der Union wäre, meldet das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die Fraktionsmitglieder entscheiden also viel konkreter über ihre eigne berufliche Zukunft, wenn sie sich für Söder oder Laschet positionieren.
Laschet mit Ruf als guter Brückenbauer
Laschet ist allerdings nicht wehrlos. Er kann daran erinnern, dass die gesamte Parteiführung brüskiert wäre, sollte die Fraktion Söder nominieren. Er wird also an die Loyalität appellieren, die in der CDU mehr gilt als in anderen Parteien.
In der CDU herrscht - anders als in der CSU oder der SPD - traditionell eine große institutionelle Grundruhe und Loyalität zu gewählten Vorsitzenden. Selbst wenn einige CDUler Laschet nicht für den besten Kandidaten halten, wollen sie ihn doch nicht beschädigen und entmachten.
Zudem hat Laschet seinem Ruf als guter Brückenbauer zurecht. Er hat seit dem Januar-CDU-Parteitag geschickt die zerstrittenen Flügel der Partei wieder zusammen geführt. Ihm ist es gelungen den Wirtschaftsflügel, die Ostdeutschen und die Südwestdeutschen wieder hinter sich zu bringen.
Sogar Friedrich Merz und Wolfgang Schäuble stellen sich demonstrativ auf Laschets Seite. Gerade diese beiden verschaffen Laschet im entscheidenden Moment wichtige Rückendeckung. Das wirkt tief in die Partei hinein und auch in die Fraktion.
Egal wie die Entscheidung in der Fraktion ausgeht, am Ende wird der Sieger darauf achten müssen, den Verlierer nicht vollends zu demontieren. So wie 1979. Um 23.30 Uhr nach dem Sieg von Strauß trafen sich die siegreichen Bayern zu Schweinebraten und Bier. Doch Triumphgeheul wollte der Bonner CSU-Stabschef Friedrich Zimmermann nicht aufkommen lassen. Seine Order an die Truppe: "Kein Besäufnis, keim Verbrüderung."
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