- Langsam, aber stetig beginnt der Wahlkampf zur Bundestagswahl Fahrt aufzunehmen.
- Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, erklärt im Interview, warum die Abstimmung am 26. September eine Richtungsentscheidung darstellt.
- Außerdem verrät er, mit welchen Problemen Union und Grüne zu kämpfen haben und warum die CDU vor einem Dilemma steht.
Herr, Binkert, FDP-Chef
Hermann Binkert: Umfragen, wie wir sie bei Insa erheben, spiegeln tatsächlich immer nur die Stimmung zum Zeitpunkt der Erhebung wider. Wir machen keine Prognosen. Wir sagen nicht, wie das Ergebnis der Bundestagswahl in vier Monaten aussieht. Seriös kann man das auch gar nicht machen, weil Stimmungen innerhalb kurzer Zeit umschwenken können. Trotzdem wollen die Politiker natürlich wissen, wie die Stimmung aktuell ist – sodass sie darauf reagieren können.
Jeder Politikerin und jedem Politiker dürfte bewusst sein, dass Umfragen immer nur den Ist-Zustand abbilden. Nichtsdestotrotz wird natürlich gerne auf Umfragen verwiesen, wenn sie für die eigene Partei positiv ausfallen. Umgekehrt wird versucht die Prozentzahlen kleinzureden, wenn sie weniger rosig ausfallen. Kann die Politik überhaupt aus diesem Erhebungs-Kreislauf ausbrechen?
Ich rate Politikern immer dazu, sich nicht zu sehr an Umfragen zu klammern. Ein zentraler Fehler ist, nicht mehr das zu sagen, was sie selbst richtig finden, sondern, was sie meinen, sagen zu müssen, damit sie gewählt werden. Die Meinungsforschung kann ihren Teil dazu beitragen, dass Politiker die Themen kennen, die die Menschen umtreibt. Und sie spiegelt die gegenwärtige Stimmung, die Politiker können dann darauf reagieren.
Und die Öffentlichkeit?
Ich glaube, die Wähler erkennen schon, ob die Politik ihnen aufs Maul schaut oder ob sie ihnen nach dem Mund redet. Das Auf-das-Maul-schauen ist das, was gewünscht wird. Aber nur nach dem Mund zu reden, reicht eben nicht aus. Der Wähler will, dass Politiker sie umwerben und etwas aus Überzeugung sagen. Parteien haben den verfassungsrechtlichen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken.
Insa-Chef Binkert: "Die Bundestagswahl wird zur Richtungsentscheidung"
Insbesondere die Opposition beschwört eine "Richtungswahl" hervor. Aber wird die Abstimmung am 26. September tatsächlich in der Bevölkerung so wahrgenommen?
Es geht wirklich um eine Richtungsentscheidung, das zeigen unsere Umfragen. Es ist jetzt nicht mehr nur die Frage, wer koaliert, damit diese eine Person Kanzler wird. Sondern es gibt tatsächlich eine Auswahl. Das wird sich im Laufe des Wahlkampfes noch zuspitzen, schließlich kann keine Partei gleichzeitig links und rechts orientierte Wähler gewinnen. Jede Partei muss für sich schauen, welche Zielgruppe sie hauptsächlich anspricht.
Wird das eher für die Union oder die Grünen zum Problem? Schließlich haben CDU/CSU als selbsternannte Volkspartei schon immer den Anspruch, eine möglichst breite Masse anzusprechen. Zugleich haben aber die Grünen das Problem, ihre Stammwähler nicht zu vergraulen, während sie versuchen, neue Wählerschichten zu erschließen.
Beide Parteien stehen vor der Herausforderung. Die Grünen sind neu in dieser Lage, sie sind aktuell die mit Abstand stärkste Kraft links der Mitte. Sie übernehmen nun die Funktion, die die SPD vorher innehatte. Allerdings kann die Union als führende Regierungspartei auf ihre Erfahrung setzen.
Das Merkel-Dilemma der CDU
Die CDU profitiert also trotz allem noch immer vom Merkel-Bonus?
An
Das heißt, die CDU steckt in einem Dilemma...
Es ist für die Union ein Neuanfang. Die Abstimmung am 26. September ist auch ein Stück weit eine Entlastungs-Abstimmung, was die 16-jährige Kanzlerschaft von Angela Merkel angeht.
Das überrascht mich. Viele glauben, dass Laschet eher Merkels Politik fortführt.
Das stimmt, man sagt, Laschet sei Merkel 2.0. Trotzdem hat er ja in einigen Punkten durchaus eine andere Richtung eingeschlagen. Im Gegensatz zu CSU-Chef
Die klassische Arbeitsteilung zwischen CDU und CSU
Friedrich Merz hat den Dualismus zwischen CDU und CSU als großen Pluspunkt dargestellt. Er sagte, dies habe der Union als einziger christdemokratischer Partei in Europa das Überleben als Volkspartei gesichert. Helfen also insgeheim die immer wieder aufflammenden und öffentlich ausgetragenen Konflikte?
Im Grundsatz hat Friedrich Merz recht. Ich würde aber sagen, im Moment ist es eher ein Problem der Union, dass die Eigenständigkeit der CSU, was die inhaltliche Ausrichtung angeht, nicht mehr da ist. Früher haben die eher Konservativen CDU gewählt, weil sie wussten, dass da in Bayern noch die CSU ist. Doch dieses Profil der CSU ist verloren gegangen. Die klassische Arbeitsteilung, wie sie Merz beschrieben hat, funktioniert im Moment nicht.
Vielleicht auch, weil sich generell der Zeitgeist in Deutschland geändert hat?
Vielleicht hängt es damit zusammen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Parteien noch genug versuchen, die Wähler von sich zu überzeugen, oder ob sie eher anstreben, die mutmaßliche Haltung der potenziellen Wähler zu übernehmen. Manchmal schadet es sicher auch nicht, wenn Parteien einen Pflock einsetzen, für ihre Überzeugung werben.
Die Südthüringer CDU hat Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zu ihrem Direktkandidaten gekürt. Ist das ein solcher Pflock?
In der Union gab es schon immer eine große Bandbreite, also von Norbert Blüm bis Alfred Dregger. Auch Helmut Kohl hat Rita Süßmuth wahrscheinlich nicht zur Ministerin gemacht, weil er persönlich so von ihr begeistert war, sondern weil er die Breite in der Partei spiegeln wollte. Wie die Grünen, die von Wertkonservativen bis hin zu Öko-Sozialisten wählbar sind, muss auch die Union die Breite ihrer Wählerschaft inhaltlich und personell abbilden.
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