Während SPD und CDU noch ums Kanzleramt raufen, ergreifen Christian Lindner und Robert Habeck kurzerhand die Macht. Beide erkennen die Gunst der Stunde, zeichnen miteinander den Bauplan der neuen Republik und entwaffnen die Volksparteien. Sie bilden die Achse der neuen Zeit - und erinnern an ein altbekanntes Doppel
Das Vakuum des Volksparteienpatts nutzen sie zum selbstbewussten Griff nach der Macht. Beide wissen, dass sie das Zentrum der neuen Regierung bilden werden und beide greifen beherzt zu. In ihrer Machtintelligenz sind sich beide so ähnlich, dass sie so vorgehen, als hielten sie sich unsichtbar an der Hand. Sie wissen - sie werden nur miteinander die beiden Prägefiguren der grün-gelben Republik. Die beiden Parteien können SPD und CDU gewaltige Bedingungen stellen - und sich aussuchen, wer ihnen das bessere Angebot macht.
Lindner und Habeck demonstrieren die Machtverschiebung 2021
Indem Lindner und Habeck den üblichen Spieß der Koalitionsverhandlungen einfach umdrehen und erst einmal miteinander verhandeln, demonstrieren sie der Republik die Machtverschiebung 2021. Nicht mehr CDU oder SPD bestimmen die Spielregeln, sondern FDP und Grüne sagen an, wo es langgeht. Dieser erste Coup ist beiden schon gelungen.
Habeck hat einen zweiten Handstreich - die Entmachtung von Annalena Baerbock - im Vorbeigehen erledigt. Er ist ab sofort die klare Nummer eins seiner Partei, er gibt die Strategie nun vor, nur er soll Vizekanzler werden. Linder spricht in Pressekonferenzen schon gar nicht mehr von
Lindner und Habeck duzen sich nicht bloß, sie verstehen sich wirklich. Obwohl beide aus politischen Gegenwelten kommen, sprechen sie die gleiche Sprache konzilianter Machtingenieure, beide pflegen den Habitus einer Machtausübung aus sanfter Sympathie, beide sind politische Popstars ihrer Milieus und fühlen sich in diesen Rollen instinktiv nahe. Beide eint rhetorische Kraft und schiere Intelligenz. Beide haben einen kumpelhaften Modus miteinander, den man im Showbusiness von Schauspielern hinter dem Vorhang kennt. Vor allem aber wollen beide die Republik pragmatisch modernisieren und eine neue digital-nachhaltig-liberale Generation gerne auch verkörpern.
Lindner und Habeck - ein Hauch von Strauß und Schiller
Damit weht ein Hauch von Strauß und Schiller durchs Land. Von Dezember 1966 bis Oktober 1969 regierten die einstigen Vollgegner Union und SPD zusammen. Im Kabinett von Kurt Georg Kiesinger (CDU) stachen die jungen Politstars, Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) und Finanzminister Franz Josef Strauß, (CSU) heraus. Die beiden ungleichen Politiker suchten miteinander neue Wege in der Marktwirtschaft und erfanden die aktive Konjunkturpolitik. Sie verkörperten damit den Aufbruch zu neuen Ufern in der Wirtschaftspolitik. Strauß und Schiller wurden bald nach Wilhelm Buschs frechem Hundepaar "Plisch und Plum" benannt.
Mit Lindner und Habeck bekommt Deutschland nun eine Neuauflage von "Plisch und Plum". Beide werden sich um den Begriff der "Modernisierung" ein Programm der Erneuerung bauen und beide werden - wie weiland Strauß und Schiller - den Kanzler dabei alt aussehen lassen.
Seinerzeit war Kiesinger der schwache Kanzler, heute werden Scholz oder Laschet keine rechte Kanzlerstärke gewinnen können - weil sie jeweils schwache Ergebnisse erreicht haben, weil sie jeweils heikle Parteifreunde hinter sich wissen, weil sie erstmals eine Dreierkonstellation führen müssen. Vor allem aber werden Scholz oder Laschet es mit Plisch und Plum zu tun haben - die beiden Publikumslieblinge, die ihre Macht schon vor der Regierungsbildung offensiv demonstrieren.
Zwei Risiken lauern auf Plisch und Plum
Habeck und Lindner werden die eigentlichen Architekten einer neuen Bundesregierung. Sie leuchten. Neben ihnen wird jeder Kanzler wie ein farbloser Bauherr wirken.
Zwei Risiken allerdings lauern auf Plisch und Plum 2021. Zum einen die latente Konkurrenz, die einer Zweckallianz zweier Stars innewohnt. Wilhelm Busch schrieb dazu: "Jeder möchte vorne stehen, um entzückt hinauf zu spähen. Hat sich Plisch hervorgedrängt, fühlt der Plum sich tief gekränkt. Drängt nach vorne sich der Plum, nimmt der Plisch die Sache krumm." Zum anderen die Frage, wer Finanzminister wird und wie man in der Finanzpolitik kluge Kompromisse findet. Als hätte es Busch geahnt: "Der Gedanke macht ihn blass. Wenn er fragt: Was kostet das?"
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