• Die Unterhändler von SPD, Grünen und FDP streben Koalitionsgespräche zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung an.
  • Man sei davon überzeugt, einen "ambitionierten und tragfähigen Koalitionsvertrag" schließen zu können.
  • Bevor tatsächlich über die erste Ampel-Koalition auf Bundesebene verhandelt wird, muss noch eine letzte Hürde genommen werden.

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Drei Wochen nach der Bundestagswahl gehen SPD, Grüne und FDP den nächsten Schritt zur Bildung einer Ampel-Regierung. Die Unterhändler der Parteien streben Koalitionsgespräche an.

"Wir sind davon überzeugt, dass wir einen ambitionierten und tragfähigen Koalitionsvertrag schließen können", heißt es in einem gemeinsamen Papier der drei Parteien zu den Ergebnissen der Sondierungen, das am Freitag veröffentlicht wurde.

"Die Sondierungsgespräche waren von Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt. Das wollen wir fortsetzen", heißt es in dem Papier. Auch die Parteivorsitzenden Saskia Esken (SPD), Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bestätigten den Schritt am Freitag in Berlin.

Regierungsbildung: Grüne wollen noch kleinen Parteitag

Bei den Grünen soll sich mit dem Ergebnis der Sondierungen noch ein kleiner Parteitag befassen, der kurzfristig am Wochenende tagen könnte. Auch die FDP will Parteigremien mit dem Ergebnis der Sondierungen befassen.

Der Start von Koalitionsverhandlungen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung. In den bisherigen Sondierungsgesprächen haben SPD, Grüne und FDP unverbindlich Differenzen und Gemeinsamkeiten ausgelotet. Wer Koalitionsverhandlungen aufnimmt, tut das hingegen mit der klaren Absicht, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Ein Scheitern ist aber auch in dieser Phase nicht ausgeschlossen.

Scholz blickt optimistisch auf Koalitionsverhandlungen

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte sich zuletzt jedoch zuversichtlich gezeigt, dass die Ampel-Regierung zügig stehen werde. "Die Sondierungen finden in einer sehr, sehr guten und konstruktiven Atmosphäre statt", sagte er in Washington. Deswegen sei er sicher, dass das Vorhaben von SPD, Grünen und FDP realisiert werden könne. "Nämlich, dass wir vor Weihnachten eine neue Regierung haben."

Auch am Freitag zeigte sich Scholz optimistisch. Nach seinem Eindruck sei "ein Aufbruch möglich" getragen von den drei Parteien. Er machte deutlich, dass es um Fortschritt und Modernisierung in vielen Bereichen gehe. Scholz hob es zudem als sehr "bemerkenswert" und "wohltuend" hervor, wie vertrauensvoll die Sondierungsgespräche verlaufen seien.

Der SPD-Kanzlerkandidat nannte als wichtige Themen unter anderem einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, um so schnell wie möglich auf fossile Energien verzichten zu können. Es gehe um die größte industrielle Modernisierung, die Deutschland seit 100 Jahren gesehen habe.

Scholz nannte außerdem Zusammenhalt und Respekt als Ziele. Er verwies unter anderem auf angestrebte Verbesserungen beim Wohnungsbau, beim Mindestlohn und bei stabilen Renten. Dafür solle die Rentenversicherung mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden.

Lindner sieht Chance für tiefgreifende Reformen

Ähnlich äußerte sich auf FDP-Chef Christian Lindner. Er sei nach den Sondierungsgesprächen überzeugt, "dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren", sagte Lindner am Freitag in Berlin.

Lindner beschrieb die Gespräche mit Vertretern der anderen beiden Parteien als diskret und sehr ernsthaft. Sie hätten bei allen Beteiligten "den Möglichkeitsraum erweitert" und "neue politische Phantasie möglich gemacht". Allein dieser neue Stil markiere bereits eine Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands.

Die neue Konstellation aus SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene könne das Land zusammenführen. "Wir haben intensiv gesprochen, und wir haben uns nicht um Formelkompromisse bemüht."

Die Vertreter der Parteien hätten sich auf "klare finanzielle Leitplanken" verständigt, sagte Lindner. Es gebe aber auch eine Perspektive für Entlastungen bei den Stromkosten. Er sprach von einem "sozial-ökologischen Ordnungsrahmen" für die Marktwirtschaft.

Baerbock: Keine Politik des "kleinsten gemeinsamen Nenner"

Es sei in sehr vertrauensvollen Gesprächen gelungen, "einen Vorschlag für eine Reform- und Fortschrittskoalition auf den Weg zu bringen, um das nächste Jahrzehnt wirklich als Jahrzehnt der Erneuerung zu nutzen", Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock.

Die Grünen-Chefin betonte, dass das Land "eine wirkliche Erneuerung" brauche und keinen "kleinsten gemeinsamen Nenner". Bei drei unterschiedlichen Parteien sei es wichtig, "dass jeder auch mal was gibt", erklärte Baerbock weiter.

Die Zukunftsfragen erforderten Mut, sagte Baerbock. Das gelte vor allem für den Wandel hin zu einer klimagerechten Gesellschaft und einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Dafür seien Investitionen in Forschung und Digitalisierung nötig, die eine künftige Bundesregierung angehen wolle. Europa müsse zum klimaneutralen Kontinent werden, gleichzeitig solle Deutschland ein wettbewerbsfähiger Industriestandort bleiben, versicherte Baerbock.

Die SPD hatte die Bundestagswahl am 26. September mit 25,7 Prozent knapp vor der Union (24,1 Prozent) gewonnen. Scholz hatte daraufhin angekündigt, er wolle die Möglichkeiten der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene ausloten.

Grüne und FDP galten nach der Wahl als Königsmacher. Sie hätten rechnerisch sowohl zusammen mit der SPD eine Ampel-Koalition, als auch mit der Union ein Jamaika-Bündnis eingehen können. Beide Optionen schlossen sie zunächst nicht aus, beschlossen nach mehreren Gesprächsrunden aber, zunächst intensiver mit den Sozialdemokraten zu sondieren. (dpa/thp)

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