SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz steckt im Umfragetief, während die Beliebtheit von Außenminister Sigmar Gabriel zunimmt. Der Politologe Jörg Siegmund erklärt, ob das Parteichef Schulz im Wahlkampf schaden kann und warum er die Aufgabenteilung in der SPD für richtig hält.

Ein Interview

Herr Siegmund, ist die zunehmende Beliebtheit von Sigmar Gabriel für Martin Schulz ein Problem?

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Jörg Siegmund: Das wird für Schulz kein Problem sein, weil Gabriel ja nicht mehr als Konkurrent zu ihm wahrgenommen wird.

Im Gegenteil denke ich, dass die Beliebtheit eines anderen sozialdemokratischen Spitzenpolitikers eher auch Schulz ein bisschen helfen kann, weil es Rückhalt für die SPD bedeutet.

Stünde Schulz als alleiniger starker Mann nicht besser da?

Ich würde es anders sagen: Es wäre für Schulz viel einfacher, wenn er bessere Umfragewerte hätte.

Aber dass es andere starke Sozialdemokraten gibt, schadet ihm nicht, solange die nicht als Rivalen im Kampf um die Kanzlerkandidatur auftreten. Und das ist ja hier nicht der Fall.

Könnte Schulz denn umgedreht sogar von Gabriels Beliebtheit profitieren?

Durchaus. Es wäre ein kluger Schachzug, ihn auch im Wahlkampf stärker einzubinden.

Das ist sicherlich auch eine Strategie der SPD, da der Kanzlerkandidat die Wählerschaft ja nicht mehr sonderlich in Euphorie versetzt.

Allerdings hat der Wahlkampf ja auch noch nicht so richtig begonnen.

In den nächsten Monaten kann noch viel passieren, wie die Vergangenheit gezeigt hat.

Warum ist Sigmar Gabriel plötzlich beliebter als zu seiner Zeit als SPD-Chef?

Zunächst sind die aktuellen Zustimmungswerte Gabriels im Politbarometer mit 1,0 Punkten zwar etwas besser als im Januar (0,7), aber auch nicht überragend gut.

Er ist nicht dramatisch beliebter geworden, aber er ist beliebter als Martin Schulz im Moment.

Hat Gabriel vom Amt als Außenminister profitiert, das ihm viele schöne Bilder und wichtige Termine rund um den Globus beschert? Oder findet er einfach den genau richtigen Ton?

Beides. Der deutsche Außenminister genießt einen Amtsbonus und stößt in der Bevölkerung in der Regel auf große Beliebtheit.

Gabriels Auftreten trägt ebenfalls dazu bei. Das hat viele Menschen positiv überrascht, weil er in der Vergangenheit durchaus ein impulsiver Politiker war, der vor deutlichen Worten nicht zurückgeschreckt hat.

Im Außenamt hat er aber schnell in eine sehr staatsmännische Rolle hineingefunden.

Kann es Auswirkungen auf den Wahlkampf haben, dass Gabriel beliebter ist als Schulz?

Problematisch sind vor allem die relativ schlechten Umfragewerte von Schulz. Das ist das Entscheidende.

Bei Bewertungen wie Glaubwürdigkeit und Sachverstand schneidet er in der Bevölkerung deutlich schlechter als Angela Merkel ab.

Will er seine Wahlchancen verbessern, muss er aufschließen.

Es ist vor diesem Hintergrund völlig irrelevant, was für eine Bewertung Sigmar Gabriel hat.

War die Aufgabenteilung – Gabriel als Außenminister, Schulz als Kanzlerkandidat und SPD-Chef – ein Fehler?

Nein, das war eine gute Entscheidung. Schulz besitzt so viel mehr Freiheiten, auch kritische Positionen zu äußern und Alternativen deutlich zu machen, weil er kein Ministeramt übernommen hat und damit nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist.

Aber hätte Schulz als Außenminister nicht ein paar extra Punkte sammeln und seine Beliebtheit steigern können?

Theoretisch schon. Aber als Außenminister sind Sie ständig unterwegs, Sie führen viele Gespräche und sind permanent am Telefonieren.

Da bleibt wenig Zeit für Wahlkampf.

Die Punkte, die Schulz vielleicht im Außenamt gesammelt hätte, wären womöglich an anderer Stelle wieder verloren gegangen.

Zur Person: Jörg Siegmund (43) ist wissenschaftlicher Assistent für Demokratie- und Wahlforschung sowie Politikevaluation an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Sein Aufsatz "Wahlen in Deutschland. Kritische Anmerkungen zur Schlüsselinstitution unserer Demokratie" (mit Ursula Münch) erschien im Sammelband "Die neue Offenheit. Wahlverhalten und Regierungsoptionen im Kontext der Bundestagswahl 2013".
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