- Nachdem FDP und Grüne sich einander bereits angenähert haben, stehen nun Sondierungen mit den beiden großen Parteien an.
- Grünen-Chef Habeck ist zuversichtlich, dass seine Partei die Politik in den nächsten vier Jahren "maßgeblich mitbestimmen" wird.
- Am Sonntag trifft sich die SPD erst mit der FDP, dann mit den Grünen. Die FDP wechselt nach der SPD gleich zu Gesprächen mit der Union.
Eine Woche nach der Bundestagswahl starten nun auch SPD und Union in konkrete Sondierungen für eine Regierungsbildung. Die SPD-Spitze will an diesem Sonntag jeweils etwa zwei Stunden lang getrennt mit FDP und Grünen über eine von Kanzlerkandidat Olaf Scholz angestrebte Ampel-Koalition beraten. Am Abend wollen dann die Spitzen von CDU und CSU erstmals mit der FDP Chancen für ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen ausloten. Nach dem historischen Wahldebakel der Union gerät Kanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet parallel zu den Sondierungen in den eigenen Reihen immer weiter unter Druck.
Die Grünen zeigten sich zuversichtlich, einer künftigen Koalition anzugehören. "Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen", sagte Parteichef
Über den Koalitionsvertrag entscheiden bei den Grünen die Mitglieder
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, ihre Partei sei von sieben Millionen Menschen gewählt worden, darunter viele junge Leute. Dies gebe einen Auftrag, als Teil der Regierung für eine wirkliche Erneuerung des Landes zu sorgen. "Wir haben in Deutschland erst einmal mitregiert", sagte sie mit Blick auf die rot-grüne Koalition unter SPD-Kanzler
Die SPD setzt auf zügige Fortschritte in den Gesprächen mit FDP und Grünen. "Ich glaube, es kann gelingen, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen", sagte Fraktionschef Rolf Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. "Wir werden uns alle auf Augenhöhe begegnen". SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte der "Welt am Sonntag": "Wir müssen diesmal nicht bis zum Umfallen sondieren, denn wir wollen eine Ampel, in die alle drei Partner ihre Stärken einbringen. So gesehen könnten wir im Oktober mit den formellen Koalitionsverhandlungen beginnen und sie bis Dezember abschließen."
Die SPD trifft sich erst mit der FDP
Die SPD war bei der Bundestagswahl mit 25,7 Prozent stärkste Kraft geworden. Die Union stürzte auf den Tiefpunkt von 24,1 Prozent. Die Grünen kamen als Nummer drei auf 14,8 Prozent. Dahinter lag die FDP mit 11,5 Prozent. Grüne und FDP waren in dieser Woche bereits vorab zwei Mal zu vertraulichen Runden zusammengekommen.
Am Sonntag trifft sich die SPD zunächst um 15.30 Uhr mit der FDP und dann mit den Grünen um 18.00 Uhr in einem Büro- und Konferenzgebäude in Berlin. Für die SPD soll eine Sechser-Delegation kommen. Grüne und FDP schicken jeweils Zehner-Delegationen. Die FDP-Gruppe um Parteichef Christian Lindner kommt dann am Abend um 18.30 Uhr auch noch zu einer ersten Gesprächsrunde mit der Union zusammen.
Schröder hat sich bereits entschieden: "Das, was man Ampel nennt"
Altkanzler Schröder sieht nach der Wahl einen klaren Auftrag für eine Regierung aus SPD, Grünen und FDP. "Für mich gibt es eigentlich nur eine Konstellation: Das ist das, was man Ampel nennt", sagte er in seinem Podcast "Die Agenda" vom Samstag. Dies wäre eine Chance, Deutschland in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie zu erneuern. Die SPD müsse den Regierungsauftrag für sich in Anspruch nehmen. "Aber natürlich nicht mehr mit Koch und Kellner", sagte er mit Blick auf frühere eigene Äußerungen zum Kräfteverhältnis zwischen der größeren SPD und den kleineren Grünen. Dieses Wort habe er damals in einer anderen Situation gebraucht, um Ängste vor seiner rot-grünen Regierung von 1998 zu reduzieren. "Inzwischen ist doch klar, dass sowohl die Grünen wie auch die FDP regierungsfähig sind."
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Mehrere CDU-Politiker forderten ein Mitgliedervotum über eine personelle Neuaufstellung, wenn die Jamaika-Sondierungen scheitern sollten. Der Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann sagte der "Bild": "Um die Einbindung der Mitglieder werden wir bei der nächsten Entscheidung über den Vorsitz nicht herumkommen." Die "Bild" hatte am Freitagabend berichtet, der bereits zwei Mal erfolglos als Kandidat angetretene Friedrich Merz wolle sich wieder um den Parteivorsitz bewerben, sollte es eine Mitgliederbefragung oder Basiswahl geben. (best/dpa)
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