- Politiker, die niedrigere Steuern versprechen, machen sich leicht beliebt. Kein Wunder also, dass Steuererleichterungen in allen Wahlprogrammen zur Bundestagswahl Thema sind.
- Bei der Frage, welche Wähler entlastet werden sollen, gibt es dann aber große Unterschiede. Wissenschaftler haben errechnet, für wen sich welches Kreuz auf dem Wahlzettel lohnen könnte.
Wenn die Kassen voll sind, kann man viel versprechen. Niedrigere Steuern zum Beispiel kommen beim Wähler ziemlich sicher gut an. Doch die Corona-Pandemie hat gewaltige Löcher in die deutschen Staatskassen gerissen: statt Spielraum gibt es Schulden. Trotzdem versprechen alle großen Parteien vor der Bundestagswahl Steuersenkungen. Wie geht das auf? Und für wen lohnt sich auf dem Wahlzettel welches Kreuz?
Wahlprogramme lassen Interpretationsspielraum
Nicht alle Parteien geben auf diese Fragen in ihren Programmen eindeutige Antworten. Während Linke und FDP recht konkret Zahlen auf den Tisch legen, bleiben SPD, Grüne, Union und AfD eher bei vagen Skizzen einer Steuerreform. Man habe ein Prinzip festgelegt, sagt Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD). Der Kandidat der Union, Armin Laschet, spricht von Zielvorgaben.
Mehrere Forschungsinstitute haben trotzdem berechnet, welche Wähler mit welcher Partei in der Regierung am meisten sparen würden. Weil genaue Angaben fehlen, stützen sich die Wissenschaftler auch auf Annahmen, die sich aus den Programmen nicht ableiten lassen. Bei ihren Zahlen ist daher Vorsicht geboten - doch die Tendenz ist durchaus aussagekräftig.
Alle Parteien versprechen Bürgern mit kleinen und mittleren Einkommen eine Entlastung. Doch die Gewichtung fällt unterschiedlich aus, das zeigen übereinstimmend Studien des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) und des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der "Süddeutschen Zeitung".
SPD, Linke und Grüne entlasten kleine Einkommen am stärksten
Demnach entlasten SPD, Linke und Grüne in den Einkommensklassen bis 20.000 und bis 50.000 Euro deutlich stärker als bei Bürgern mit hohen Einkommen. "Ein Ehepaar, das bis zu 200.000 Euro im Jahr verdient, wird weniger Steuern zahlen müssen", verspricht SPD-Kanzlerkandidat
Die Wissenschaftler kommen zu etwas anderen Grenzwerten: Demnach müssten Haushalte ab einem Jahreseinkommen von 150.000 Euro bei allen drei Parteien draufzahlen. Dazu führen etwa neue Grenzen für den Spitzensteuersatz und eine Vermögensteuer von einem Prozent, die bei der Linken ab einer Million, bei SPD und Grünen ab zwei Millionen Vermögen anfiele.
FDP und Union bevorteilen Topverdiener
FDP und Union dagegen versprechen den Topverdienern prozentual höhere Entlastungen als den Geringverdienern und der Mittelschicht. Zwar sollen auch die Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen mehr Geld in der Tasche haben - bei den Reicheren fällt das Plus aber höher aus. Dazu trägt etwa die Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für die einkommensstärksten zehn Prozent bei. Steuererhöhungen - auch für die Reichsten - lehnen beide Parteien strikt ab.
FDP-Chef Christian Lindner verteidigt das Prinzip: Bei den Profiteuren handele es sich nicht um diejenigen, "die Jachten in Südfrankreich besitzen, Villen und Sportwagen, sondern es sind die Menschen, die Arbeitsplätze in unserem Land schaffen", sagte er im Sommerinterview der ARD. Seine Partei schlägt über alle Einkommensklassen zusammen die bei weitem höchsten Entlastungen vor.
Für Steuersenkungen muss Wirtschaftswachstum her
Dass Steuerpolitik schon in Wahlkampfzeiten rasch zum Minenfeld werden kann, spürt derzeit vor allem die Union. CDU und CSU stritten zwei Monate vor dem Wahltag noch darüber, ob die im Wahlprogramm angepeilten Steuersenkungen überhaupt zu bezahlen seien. "Wir wollen stabile Staatsfinanzen und keine unseriösen Versprechen", betonte
Denn die Steuersenkungspläne der Union und auch der FDP kosten viel Geld: Je nach Rechenweise bräuchte die FDP 75 bis 88 Milliarden Euro extra, die Union 20 bis 33 Milliarden. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betont, bezahlbar sei das nur mit Wirtschaftswachstum - denn sonst wäre die schwarze Null nicht zu halten, die der Union sehr wichtig ist. "Das Grundprinzip muss lauten, dass Steuersenkungen grundsätzlich nicht auf Pump finanziert werden, sondern durch wirtschaftliches Wachstum", betont Altmaier. Im Augenblick sei deshalb Schuldentilgung wichtiger.
Scholz: "Finde es ok, wenn jemand wie ich mehr zahlt"
Die Pläne von Grünen, SPD und Linken würden den Untersuchungen zufolge dagegen eher noch Geld in die Kassen spülen. Das liegt daran, dass die drei Parteien auf eine klassische Umverteilung setzen: Die Entlastung für Geringverdiener und Mittelschicht wollen sie mit höheren Steuern bei Gutverdienern und Reichen finanzieren.
"Nicht einmal fünf Prozent werden etwas mehr aufbringen müssen, damit wir die Entlastungen für alle anderen hinkriegen", sagt etwa Scholz. "Nur so geht es. Ich finde es richtig, wenn jemand mit einem so hohen Einkommen wie ich mehr Steuern zahlt." Die Ideen von CDU und CSU dagegen seien angesichts der Pandemieausgaben und der Schuldenbremse nicht finanzierbar und "unmoralisch". "Angesichts der derzeitigen Finanzlage, der hohen Ausgaben im Kampf gegen die Pandemie und wegen der Schuldenbremse kann man einfach nicht so hohe Steuerreduzierungen für die an der Spitze der Einkommensskala realisieren", betont er. Auch die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, bezeichnete die Unions-Pläne als unsozial.
Thema mit Sprengkraft
Im Grunde lassen die Pläne der Parteien nur einen Lagerwahlkampf zu: Links gegen konservativ. Das könnte ein Problem geben, gibt es realistische Koalitionsoptionen doch eher über die Lagergrenzen hinweg: Schwarz-Grün etwa, ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP oder eine Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP. Doch andererseits haben die Parteien auch in den vergangenen Wahlkämpfen bereits große Reformen der Einkommensteuer angekündigt - gekommen ist aber keine. (dpa/mcf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.