Die Union will Migrationsverschärfungen durchsetzen. Und das noch vor der Bundestagswahl. Dafür nimmt sie sogar die Zustimmung der AfD für ihre Anträge in Kauf. Wie passt das zu Merz' strikter Abgrenzung zu der Rechtsaußen-Partei?
Nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg will die Union in der kommenden Woche im Bundestag Anträge zur Verschärfung der Einwanderungspolitik einbringen – und in Kauf nehmen, dass es Mehrheiten mit der AfD geben könnte.
"Wir werden nächste Woche in den Deutschen Bundestag Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen", sagte Unionsfraktionschef
Der Unionskanzlerkandidat betonte: "Wir stimmen keinem einzigen AfD-Antrag zu, weil wir sämtliche Themen, die wir für richtig halten, von uns aus in den Bundestag einbringen." Merz ergänzte: "Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."
Seine Haltung zur AfD sei und bleibe klar, sagte Merz: "Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen." Dies bedeute erstens: "Wir gehen mit denen nicht zusammen in eine Regierung. Zweitens: Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge." Dies gelte auch für das BSW von
Er brauche "hier keine Aufforderungen von wem auch immer, auch nicht von irgendeinem Vorsitzenden der Grünen".
Merz: Keine Mehrheit von Union und AfD
Merz hatte am Donnerstag für den Fall seiner Wahl zum Kanzler deutlich mehr Abschiebungen und an allen Grenzen ein "faktisches Einreiseverbot" versprochen. Er machte deutlich, dass es sich dabei um Bedingungen für mögliche Koalitionspartner handelt, und formulierte: "Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht."
Merz kritisierte nun, es werde von der AfD "der Eindruck erweckt, es gäbe irgendwo im Deutschen Bundestag eine Mehrheit zwischen AfD und uns". Der CDU-Chef fügte an: "Ich weiß nicht, können die Leute nicht rechnen oder wollen die uns hier bewusst hinter die Fichte führen? Es gibt keine Mehrheit im Deutschen Bundestag zwischen CDU, CSU und AfD."
Es gebe auch keine Mehrheit von CDU, CSU, AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Es gebe keine andere Mehrheit im Bundestag als jene von SPD, Grünen und FDP oder von SPD und CDU, CSU oder von CDU, CSU, FDP und Grünen.
Was Merz nicht erwähnte, ist eine mögliche Mehrheit von Union, FDP, AfD und der Gruppe BSW – diese Konstellation käme im Bundestag auf 372 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 367 Stimmen. Und es ist durchaus möglich, dass die Anträge von dieser Mehrheit beschlossen werden könnten.
Weidel macht Merz Angebot
Zumal ein AfD-Sprecher gegenüber "Bild" auf die Frage, ob man Unions-Anträgen auch dann zustimme, wenn die Union AfD-Anträgen die Zustimmung verweigere, erklärte: "Ja. Das ist, was die AfD schon die ganze Zeit so handhabt. Das Land geht vor."
Bereits zuvor hatte AfD-Kanzlerkandidatin und Parteichefin
Die FDP hatte sich ebenfalls offen für Verschärfungen gezeigt. Parteichef Lindner sprach davon, dass Merz einen "radikalen Kurswechsel" angekündigt habe. "Diese Abkehr von der Merkel-Politik fordere ich seit Jahren".
Partei-Vize Wolfgang Kubicki sagte gegenüber "Bild": "Mir doch Latte, wer da sonst noch zustimmt! Wir können doch unsere Zustimmung zu für das Land notwendige Maßnahmen nicht daran koppeln, wer mitstimmt."
Auch aus dem BSW, mit dem die Union offiziell die Zusammenarbeit ebenfalls ablehnt, waren nach der Tat von Aschaffenburg Rufe nach einer Verschärfung der Asylpolitik laut geworden. Das BSW ist generell für weniger Einwanderung und fordert dies auch im Parteiprogramm.
In Thüringen hatte die CDU in der Vergangenheit Steuersenkungen mithilfe von AfD-Stimmen durchgesetzt. Dafür war sie scharf kritisiert worden. Die CDU argumentierte damals, es sei keine Zusammenarbeit, wenn die AfD Anträgen, die man selbst eingebracht habe, zustimme. Auf eine ähnliche Argumentation dürfte sich Friedrich Merz stützen, sollten die Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik eine Mehrheit im Bundestag finden.
CDU-Chef: Schluss mit taktischen Spielchen
Der Unionsfraktionschef sagte: "Jetzt ist Schluss mit irgendwelchen taktischen Spielchen." Wenn "die SPD nichts Besseres zu tun hat, als mir zu erklären, was alles nicht geht, dann werde ich nächste Woche den Bundeskanzler (Olaf Scholz, SPD) mal fragen, ob er überhaupt noch die Absicht hat, irgendetwas in diesem Land zu ändern, damit die Dinge wieder in Ordnung kommen", oder ob er sich "darin erschöpft, jetzt alle möglichen Erklärungen abzugeben, was nicht geht in Deutschland. Davon haben die Leute die Nase voll. Punkt."
Grünen-Politiker: Merz auf den Spuren von Trump
Grünen-Kanzlerkandidat
Auch für die Zeit nach der Wahl habe Merz immer wieder betont: "Eine Zusammenarbeit unter seiner Führung wird es mit der CDU in Deutschland nicht geben, er knüpfe sein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort. Ich nehme Friedrich Merz beim Wort, dieses Wort darf nicht gebrochen werden – ich fürchte nur, Friedrich Merz steht kurz davor, das zu tun", so Habeck.
Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz erklärte, Merz' Vorschläge seien größtenteils "weder verfassungs- noch europarechtskonform". Bei der Union schienen alle Dämme zu brechen. "Merz wandelt offenkundig auf den Spuren von Donald Trump."
Miersch: "Hier bahnt sich ein politischer Dammbruch an"
Auch von der SPD kam Kritik an Merzs Vorhaben. "Hier bahnt sich ein politischer Dammbruch an" erklärte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch der dpa. Vor Wochen sei es unter den demokratischen Parteien noch Konsens gewesen, dass keine Gesetze mit AfD-Stimmen zustande kommen dürfen. "Offenbar kündigt Friedrich Merz diesen Konsens nun auf und durchbricht damit nicht nur die Brandmauer, sondern sendet ein fatales Signal."
Miersch sagte, jede Zusammenarbeit mit der AfD gefährde die Demokratie. Merz habe erst jede Kooperation mit der AfD ausgeschlossen, jetzt breche er sein Wort. "Auch sein Duell-Angebot an Alice Weidel war offenbar mehr als ein rhetorischer Ausflug, es scheint Teil einer gefährlichen Annäherung zu sein. Die Union muss sofort klarstellen, wo sie steht."
Der Co-Parteivorsitzende der Linken, Jan van Aken, erklärte im Sender Phoenix, nach Ereignissen wie in Aschaffenburg dürfe es nicht um Abschiebungen gehen: "Das ist doch keine Asylfrage. Das ist doch eine Frage, wie gehen wir mit psychisch kranken Gewalttätern um."
Statt Lösungen für den Umgang mit hoch traumatisierten Menschen aus Kriegsgebieten zu entwickeln, werde das Thema politisch ausgenutzt, "um gegen Ausländer zu hetzen". (dpa/bearbeitet von thp)
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