Der Sieg der Union bei der Europawahl ist ein Riesenerfolg für CDU-Chef Friedrich Merz. Er ist der Kanzlerkandidatur damit ein Stück näher gekommen. Doch die Landtagswahlen im Osten könnten die Stimmung nochmal drehen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie-Christine Fischer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Wir sind mit dieser Europawahl wieder zurück, und zwar mit großem Abstand auf Platz eins unter den deutschen Parteien", sagte Friedrich Merz am Sonntagabend sichtlich zufrieden im Konrad-Adenauer-Haus, der Berliner Parteizentrale. So groß die Katastrophe für Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist, so groß ist der Erfolg für den CDU-Chef. Schließlich sagen einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zufolge 49 Prozent der Befragten, für ihre Entscheidung bei der Europawahl sei die Bundespolitik ausschlaggebend gewesen, nur für 46 Prozent war es die EU-Politik.

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Merz hatte als Wahlziel für die Union nicht etwa 24 Prozent wie bei der letzten Bundestagswahl oder 29 Prozent wie bei der letzten Europawahl ausgegeben, sondern 30 Prozent. Und er hat geliefert. 2022, als Merz den Parteivorsitz übernommen hat, lag die Union in Umfragen hinter den Sozialdemokraten. Nach dem ersten deutschlandweiten Urnengang seit seinem Amtsantritt ist die Union doppelt so stark wie die Partei des Kanzlers.

Man könnte also meinen, dass Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl im Herbst 2025 gesetzt ist. Doch so klar ist die Sache nicht. Merz ist nach dem Wahlsonntag in seiner Favoritenrolle gestärkt. Und bleibt doch der Noch-Nicht-Kanzlerkandidat.

Söder und Wüst betonen: K-Frage noch nicht entschieden

Die Konkurrenten in den eigenen Reihen geben sich noch nicht geschlagen. "Nein, das war keine Vorentscheidung", antwortete CSU-Chef Markus Söder (57) am Montag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv auf die Frage nach der K-Frage. Söder, dem selbst Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden, wertete das Wahlergebnis als Erfolge der jeweiligen Kandidaten sowie der beiden Parteivorsitzenden, "die insgesamt das Ganze vorangebracht haben". Er ließ es sich dann auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass es ja auch in der CDU noch Diskussionen gebe.

Söder spielte damit offensichtlich auf Äußerungen von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (48) an. Der hatte zuvor der ARD gesagt, er sehe keinen Grund, das Rennen auf Merz und Söder zu verengen. "Alle Ministerpräsidenten haben die Regierungserfahrung und auch die Fähigkeit zur Kanzlerkandidatur." Nun träumt wohl auch Wüst von einem Bundeskanzler Wüst. Doch die verklausulierten Bewerbungsreden seiner parteiinternen Konkurrenten sind nicht Merz' einziges Problem.

Friedrich Merz bei den Wählern noch unbeliebter als Scholz

Viele Wähler überzeugt Merz nicht, das zeigt der Vergleich zum vermeintlich so unbeliebten Kanzler. So sagten in einer Forsa-Umfrage Ende Mai 33 Prozent der Befragten, dass sie sich für Scholz entscheiden würden, könnten sie den Bundeskanzler direkt wählen. 31 Prozent sprachen sich für Merz aus. Gerade Frauen versagten Merz ihre Unterstützung.

Auch bei den jungen Wählern zieht Merz nicht. Laut einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen vom Sonntag kam die Union bei der Europawahl in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen nur auf 17 Prozent und liegt damit gleichauf mit der AfD.

Merz' Strategie gegen AfD geht bislang nicht auf

Und so scheint es fast ein bisschen, als habe Merz zu sich selbst gesprochen, als er am Wahlabend sagte, er nehme das Ergebnis als "große Ermutigung und Ermunterung" für die nächsten Wochen und Monate. Am 1. September wird in Sachsen und Thüringen ein neuer Landtag gewählt, am 22. September in Brandenburg. Die Union hat sich darauf verständigt, den Kanzlerkandidaten erst nach den Landtagswahlen im Osten zu benennen. Doch so rosig wie dieser Tage wird die Stimmung in der Union dann kaum mehr sein. Denn den von Merz im Januar angekündigten "sehr klaren, sehr harten Auseinandersetzungen" mit der AfD zum Trotz haben die Rechtsextremisten in allen drei ostdeutschen Bundesländern Chancen, stärkste Kraft zu werden. Die Konfrontations-Strategie des CDU-Chefs geht bislang nicht auf.

Nicht auszuschließen, dass Söder dann nochmal angreift. Schließlich wird seine CSU keine Schlappe zu verkraften haben. Sie steht ja nicht zur Wahl.

Verwendete Quellen

  • dpa
  • afp
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz äußert sich nach der Europawahl während einer Pressekonferenz

Friedrich Merz überlässt der AfD im Osten nicht kampflos das Feld

CDU-Chef Friedrich Merz geht nach der Europawahl auf das starke Ergebnis der AfD in Ostdeutschland ein. Dort finden im September 2024 in drei Bundesländern Landtagswahlen statt. Merz betrachtet das Ergebnis der Europawahl als "Denkzettel" für die gemäßigten Parteien und ist vom Erfolg der CDU über die AfD überzeugt.
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