Fast fünf Millionen Aufrufe im Internet: Ein Anti-CDU-Video beschäftigt derzeit Spitzenpolitiker der Union. Die Vorwürfe des Youtubers Rezo sind gravierend, doch laut CDU-Politikern stellt er falsche Behauptungen auf. Der Urheber geht in die Gegenoffensive.
Ein millionenfach aufgerufenes Anti-CDU-Video empört Spitzenpolitiker der Partei. In dem Video heißt es, die CDU zerstöre "unser Leben und unsere Zukunft". Es wurde bis Donnerstagmittag rund fünf Millionen mal angeklickt.
Der Youtuber Rezo wirft den Christdemokraten unter anderem vor, beim Klimawandel untätig zu sein, Politik für Reiche zu machen und "krasse Inkompetenz" beim Thema Urheberrecht und Drogenpolitik an den Tag zu legen.
Partei will Reaktionsvideo nicht veröffentlichen
Die CDU wollte ursprünglich mit einem eigenen Internet-Video auf die Anschuldigungen des Youtubers reagieren, doch der Clip, in dem der 26 Jahre alten Bundestagsabgeordneten
Stattdessen veröffentlichte die CDU am Donnerstag ein Antwortschreiben an den Youtuber auf ihrer Webseite. Darin bestätigte die CDU indirekt, dass sie sich gegen ein Video als Antwort auf die Vorwürfe Rezos entschieden habe.
Man habe mit dem Video zwar ein "klasse Produkt" erstellt, aber abgewogen, ob dies für die Partei "die angemessene Antwort" sei und ob es der "notwendigen politischen Auseinandersetzung hilft oder Politik zum Spektakel macht."
CDU wirft Rezo indirekt Populismus vor
Zugleich wirft die Partei dem Youtuber vor, in seinem Video Kritikpunkte zuzuspitzen und verkürzt darzustellen, um "zu provozieren".
In dem Schreiben wird zwar betont, dass dieses Vorgehen "nichts Neues in der politischen Auseinandersetzung" sei und die freie Meinungsäußerung von hohem Wert. Implizit wirft die Partei dem Youtuber aber vor, mit seinem Video Populismus zu betreiben.
"Verkürzen, verzerren, verdrehen - das ist Populismus", so der Text. "Überzeichnen, übertreiben, überspitzen: wir distanzieren uns zu Recht von dieser Art, Politik zu machen." Die CDU sei darauf bedacht "nicht mit vereinfachten Schlüssen" auf die "kühne Interpretation von Statistiken" zu reagieren, wobei letzteres eine klare Anspielung auf das Video des Youtubers darstellt, der darin seine Aussagen mit Studien sowie Publikationen von Stiftungen und Medien untermauert.
Eigenen Angaben zufolge hat Rezo mit seinen Mitarbeitern Hunderte Stunden in die Recherche und Produktion des Videos investiert.
Zudem betont die CDU in ihrem Antwortschreiben: "Die Währung von Youtubern sind Klickraten. Die Währung einer Volkspartei wie der CDU ist Vertrauen".
CDU-Generalsekretär hält Video für "gefährlich"
Schon zuvor hatte es massive Kritik an dem Video aus den Reihen der CDU gegeben. "Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab", sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Mittwoch in Kiel.
Generalsekretär Paul Ziemiak bezeichnete die Aussagen des Youtubers, dessen zweiter Kanal - auf dem das Video veröffentlicht wurde - "Rezo ja lol ey" heißt, als Falschbehauptungen.
"Er macht von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Journalismus ist das aber nicht", sagte Ziemiak dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Mittwoch. Auf welche Aussagen er sich konkret bezieht, teilte Ziemiak nicht mit.
Rezos Video: Wie ein 26-Jähriger "die CDU zerstört"
Seine zuvor veröffentlichten Videos beschäftigten sich vor allem mit Musik und nur selten mit Politik. Über sich selbst sagte er der Deutschen Presse-Agentur: "Ich bin neben Planung, Dreh und Postproduktion solcher Webvideoinhalte in erster Linie als Informatiker und Musiker tätig."
Ziemiak sagte, Rezo tue so, als sei nur seine Meinung richtig. Das sei gefährlich. "Populismus, Beleidigungen und falsche Vereinfachungen haben wir in den sozialen Netzwerken und in der Politik leider schon mehr als genug."
Reaktionen von Lob bis Morddrohungen
Auf die konkreten Vorwürfe Ziemiaks ging Rezo zunächst nicht ein. Zu Kritik von anderen CDU-Politikern sagte er der dpa: "Dass die CDU mit belegloser Diskreditierung auf inhaltliche Kritik antwortet, ist natürlich nichts Überraschendes."
In dem Video sagt Rezo mit Blick auf die aus seiner Sicht ungleich verteilte Steuerlast in Deutschland: "Die Regierung, also in dem Zeitraum vor allem die CDU, hat ganz viele Möglichkeiten und Stellschrauben, wie sie solche Sachen beeinflussen kann."
An der Umweltpolitik kritisierte er, Klimaziele seien nicht eingehalten worden: "Ziele setzen und nicht einhalten ist was für Leute, die abnehmen wollen."
Als Reaktion auf das Video habe er bereits Morddrohungen gegen sich und seine Familie erhalten, berichtet er. "Das sind nicht meine ersten Morddrohungen und werden wahrscheinlich auch nicht die letzten sein."
Doch nicht alle CDU-Politiker sehen das Video derart kritisch. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek etwa schreibt auf Twitter: "Die Debatte um das Video von #rezo zeigt, dass wir in der @CDU in den letzten Jahren zu viel über Flüchtlinge und zu wenig über Klimaschutz geredet haben."
Rückendeckung für Rezo gibt es vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven Kindler. Er schreibt, dass Rezo zwar zuspitze, "aber in vielen Punkten trifft er den Kern". (dpa/fte/ank)
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