Rechtsruck vor den Europawahlen: In vielen EU-Staaten rechnen sich rechtsextremistische Parteien gute Chancen bei der bevorstehenden Wahl des Europaparlaments aus. Wer hinter den rassistischen, ausländerfeindlichen und anti-islamischen Parolen steckt – ein Überblick über die wichtigsten Akteure.
Ungarn
Seit 2010 hat Premier Viktor Orban Ungarn gehörig umgekrempelt: Er hat die Verfassung geändert, Bürgerrechte verstümmelt und die Notenbank entmachtet. Trotzdem gaben 45 Prozent der Wähler dem 50-Jährigen und seinem Bündnis Fidesz am Sonntag erneut ihre Stimme. Auch für die rechte Jobbik-Partei, die dem Land aktuell einen Rechtsruck beschert hat, gibt es eine breite Anhängerschaft. Erschreckend dabei: Offenbar hat Parteichef Gábor Vona mit Roma-feindlichen Äußerungen vielen Ungarn imponiert. Beide inszenieren sich als EU-Kritiker. Über europäische Werte, sagte Orban 2013 in einem Interview, sie seien "konfliktbeladen".
Österreich
Mit 20,50 Prozent der Stimmen wurde die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) bei den letzten Parlamentswahlen 2013 drittstärkste Kraft. Für die Europawahl werden ihr ebenfalls knapp über 20 Prozent zugerechnet. Damit könnte die FPÖ als große Wahlgewinnerin hervorgehen. Parteichef Heinz-Christian Strache ließ sich bereits 2005 mit den Worten zitieren: "Wissts, was eine Maul- und Klauenseuche ist? Wenn osteuropäische Arbeiter im Westen arbeiten müssen, dann maulen sie, und wenn sie nicht arbeiten, dann klauen sie."
Italien
"Regionalen Nationalismus", Föderalismus und Autonomie. So lauten die Schlagworte der Lega Nord. Sie zählt zu den klassischen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Bei den Europawahlen 2009 konnte Lega Nord ihr bestes europäisches Ergebnis erzielen: 10,2 Prozent der Stimmen und damit neun Mandate. 2012 sprach sich Partei-Chef Roberto Maroni überraschend gegen ein Gesetz aus, das muslimischen Frauen das Tragen eines Schleiers verbietet. Die Einführung einer Islamstunde in der Schule lehnte Maroni 2009 trotzdem ab. "Die katholische Kirche hat sehr gut definierte Werte, sodass man sie auf jeden übertragen kann, der Islam ist eine ganz andere Welt."
Niederlande
16,6 Prozent der Stimmen, oder fünf Sitze, soll es Umfragen zufolge für die Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders geben. Damit könnte die PVV als stärkste Kraft aus der Europawahl hervorgehen. Daheim läuft es dagegen nicht so gut: Nach enttäuschend verlaufenen Kommunalwahlen tat sich Wilders deshalb Ende März bei einer Parteiveranstaltung in Den Haag mit dem hervor, was er am besten kann: Gegen Ausländer hetzen. Wörtlich sagte Wilders: "Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner in dieser Stadt und in diesem Land?" Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) fühlte sich nicht ohne Grund an die "Sportpalast-Rede" Goebbels erinnert. Gemeinsam mit der Vorsitzenden des französischen Front National, Marine Le Pen, will Wilders ein neues Rechtsbündnis im EU-Parlament schmieden.
Frankreich
Seit Partei-Chefin Marine Le Pen den Front National (FN) öffentlich von rechtsradikalem Gedankengut distanziert hat, ist die Partei für viele konservative Franzosen wieder wählbar geworden. Zumindest hat der FN die Kommunalwahlen Ende März in elf Städten gewonnen, obwohl er davon zuvor keine regiert hatte. Le Pens wichtigste Forderung: Die gewählten FN-Bürgermeister sollten in Schulen und Kantinen Menüs mit Schweinefleisch wieder einführen, sollten diese abgeschafft worden sein. Denn es gebe "absolut keinen Grund dafür, dass die Religion in die öffentliche Sphäre eintritt". Bei der Europawahl könnte der FN laut Umfragen zweitstärkste oder sogar stärkste französische Partei werden.
Großbritannien
Auch für die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party (UKIP) um Parteichef Nigel Farage könnte die Europawahl mit 26 Prozent der Stimmen ein Erfolg werden – nur um dann den Austritt Großbritannien aus der EU zu proklamieren. Führend in den Umfragen ist allerdings noch die Arbeiterpartei. Schlagzeilen machte der charismatische Farage in der Vergangenheit mit ausländerfeindlichen Forderungen. So sollen Einwanderer in den ersten fünf Jahren keinen Anspruch auf Sozialleistungen und ihre Kinder kein Recht auf freie Bildung haben.
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