Die Ampel-Parteien können bei der EU-Wahl insgesamt nur rund ein Drittel aller Stimmen holen. Die Union hingegen geht als klarer Sieger hervor und die AfD landet auf Platz zwei. Im Osten liegt sie sogar vorn.
Kantersieg für die Union, Klatsche für die Ampel und deutliche Gewinne für die AfD: Bei der Europawahl ist Deutschland nach rechts gerückt. Die AfD landet nach Auszählung aller 400 Kreise bundesweit auf Platz zwei - im Osten sogar auf Platz eins.
SPD, Grüne und FDP müssen Verluste einstecken und kommen zusammen nur auf ein knappes Drittel der Wählerstimmen. Auch die Linke bricht ein - und wird von der neuen Partei BSW von Sahra Wagenknecht überholt.
Wie die Bundeswahlleiterin am frühen Montagmorgen auf ihrer Homepage mitteilte, steigert sich die Union leicht auf 30,0 Prozent (2019: 28,9). Die AfD erreicht mit 15,9 ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung (2019: 11) - es fällt allerdings niedriger aus als zwischenzeitliche Umfragewerte.
In Ostdeutschland ist die Partei mit großem Abstand stärkste Kraft. Die SPD, die im Wahlkampf auch auf Kanzler
Die Linke landet bei mageren 2,7 Prozent (5,5) - ihr schlechtestes Ergebnis bei Europawahlen. Die Partei BSW erreicht aus dem Stand 6,2 Prozent. Die Freien Wähler kommen auf 2,7 Prozent (2,2), die Partei Volt liegt bei 2,6 Prozent (0,7).
Bei der Europawahl in Deutschland gilt anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen keine Sperrklausel, also etwa eine Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung liegt laut Hochrechnungen bei 65 Prozent. 2019 waren es 61,4 Prozent, damals lag Deutschland auf Platz 5 im Vergleich der 27 EU-Staaten. Erstmals durften in Deutschland bei einer Europawahl auch 16- und 17-Jährige abstimmen.
Söder: Ampel de facto abgewählt
SPD-Chef
CDU-Chef
Die Koalition von SPD, Grünen und FDP schade Deutschland. Das gelte für die Innenpolitik, beispielsweise mit den Entscheidungen zu Migrationsfragen, aber auch für die Wirtschaftspolitik. CSU-Chef
AfD-Chef Tino Chrupalla nannte das Ergebnis seiner Partei "historisch". "Ich höre, wir sind im Osten bei dieser Wahl jetzt stärkste Kraft, mehr Rückenwind gibt's ja nicht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September.
Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang reagierte enttäuscht auf die Stimmenverluste ihrer Partei. "Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind, und wir werden das gemeinsam aufarbeiten", sagte die Co-Parteichefin in der ARD.
Die FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann betonte, dass die Partei ihr Ergebnis der letzten Europawahl in etwa gehalten habe. "Das es jetzt eine stabile fünf Prozent ist, ist eine gute Nachricht", sagte sie in der Parteizentrale in Berlin. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wich der Frage aus, ob er noch Vertrauen zum Bundeskanzler habe. "Darum geht es doch jetzt nicht", sagte Djir-Sarai in der ARD.
Linke enttäuscht, BSW zufrieden
Linken-Parteichef Martin Schirdewan sprach von einem bitteren Abend. Es sei der Linken nicht gelungen, mit ihren Themen durchzudringen, obwohl diese an den Alltagssorgen der Menschen angedockt seien - Löhne, Mieten, die Preisentwicklung, die Umverteilung von oben nach unten, sozialer Klimaschutz und Friedenspolitik. Man habe sich gegen den Rechtsruck und gegen die Beharrungskräfte der anderen Parteien nicht durchsetzen können.
BSW-Parteigründerin
Europaweit zeichnet sich Mitte-Rechts-Sieg ab
In ganz Europa gewann das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen. Nach einer ersten offiziellen Prognose des Europäischen Parlaments kann die CDU-Politikerin trotz starker Zugewinne von Rechtsaußen-Parteien auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission hoffen. Insgesamt bleibt das klar proeuropäische Lager weiter das mit Abstand größte.
In vielen EU-Staaten, darunter Deutschland, war bereits vor der Wahl ein Plus für rechte Parteien erwartet worden. So hatten Umfragen die AfD zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gesehen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten. Beide gerieten wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in die Schlagzeilen, im Fall Krah geht es zudem um mögliche China-Verbindungen.
Gegen Bystron wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche ermittelt. Krah, seit 2019 Europaabgeordneter, erntete zuletzt massive Kritik für verharmlosende Äußerungen über die SS, die sogenannte Schutzstaffel der Nationalsozialisten.
Der Bundesvorstand der AfD forderte Krah daraufhin dazu auf, im Wahlkampf nicht mehr aufzutreten. Die rechte Fraktion ID (Identität und Demokratie) im Europaparlament schloss als Konsequenz alle deutschen AfD-Abgeordneten aus.
In den 27 EU-Staaten waren rund 360 Millionen Bürger wahlberechtigt, davon knapp 61 Millionen Deutsche. Gewählt wurden von Donnerstag bis Sonntag - je nach Land - 720 Abgeordnete für das neue Europäische Parlament, davon am letzten Tag 96 in Deutschland. Abgesehen von der Parlamentswahl in Indien ist es die größte demokratische Abstimmung weltweit - und die einzige Direktwahl über Staatsgrenzen hinweg.
Kommissionspräsidentin von der Leyen strebt zweite Amtszeit an
Nach der Wahl schließen sich die meisten Abgeordneten einer der Fraktionen im EU-Parlament an, also der christdemokratischen EVP, den Sozialdemokraten, den Liberalen, Linken, Grünen oder einer der beiden rechtsgerichteten Gruppen.
Eine der ersten Aufgaben des neuen Parlaments ist die Bestätigung der neuen EU-Kommission, der Exekutive der Union. Die bisherige Kommissionspräsidentin von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit an. Die frühere Bundesverteidigungsministerin bewarb sich im Gegensatz zu den anderen Kandidaten nicht um einen Sitz im Europäischen Parlament.
Parallel zur Europawahl wurde in acht Bundesländern auch auf kommunaler Ebene gewählt: in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Thüringen wurde zudem in Stichwahlen über zahlreiche Landräte und Oberbürgermeister entschieden. (dpa/thp) © dpa
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