- Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würden laut einer aktuellen Forsa-Umfrage 17 Prozent der jungen Wähler der FDP ihre Stimme geben.
- Nach den Grünen sind die Liberalen damit zweitstärkste Kraft in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen.
- Woran liegt das? Wir haben mit zwei Politikwissenschaftlern gesprochen. Neben Hemden ohne Krawatte, Instagram und liberaler Drogenpolitik spielt auch die Pandemie eine Rolle.
Dass sich die Ansichten von jungen und alten Menschen oft unterscheiden, ist allseits bekannt. Kein Wunder also, dass sie auch auf die Frage: "Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, welcher Partei würden Sie dann Ihre Stimme geben?" ganz unterschiedlich antworten.
Würden in Deutschland im September nur die 18- bis 29-Jährigen das Parlament wählen, gäbe es – wohl wenig überraschend – eine grüne
FDP auf Platz 2
Deutlich überraschender aber ist der zweite Spitzenreiter: Denn hinter den Grünen würde mit 17 Prozent die FDP landen. Die war 2013 noch an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Bei der Altersgruppe der über 60-Jährigen sieht die Wählergunst für die Liberalen ganz anders aus: Hier würden nur 9 Prozent der FDP ihre Stimme geben. Das zumindest legen die jüngsten Umfrageergebnisse des Instituts "Forsa" nahe.
Im Gesamtschnitt liegt die FDP bei stabilen 12 Prozent. Womit aber punktet die FDP gerade bei den jungen Wählern? Politikwissenschaftler Volker Best hat Antworten auf diese Frage. Vorab aber warnt er: "Man darf die 17 Prozent, die die FDP bei den jungen Wählern erreicht, nicht überbewerten".
Ungewöhnliche Reihenfolge
Der Abstand zu den Erstplatzierten Grünen sei immer noch sehr groß, der Abstand zum Drittplatzierten – der Union mit 16 Prozent – wiederum sehr gering. "Trotzdem ist die Reihenfolge natürlich sehr ungewöhnlich", so der Experte.
Dass die FDP besonders bei jungen Menschen gut ankommt, sei nicht neu: "Bei der letzten Bundestagswahl 2017 hat jeder sechste männliche Wähler unter 25 Jahre die FDP gewählt", erinnert Best. Schon damals seien die jungen Wähler von der FDP strategisch ins Visier genommen worden, um aus dem parlamentarischen Aus zurück in den Bundestag zu kommen.
Englische Begriffe
"Die Kampagne war frisch und frech, mit englischen Begriffen wie "German Mut", sagt Best. Die FDP hätte sich damals besonders um die jungen Wähler bemüht, weil sie noch weniger stark an eine Partei gebunden seien als ältere Wähler.
Doch auch aktuell gibt es Gründe, warum die FDP bei den Jungen punktet: "Sie will den Grundwert der Freiheit verkörpern, das ist natürlich für junge Menschen attraktiv und besonders jetzt in der Pandemie noch einmal zum Thema geworden“, so der Politikwissenschaftler.
Corona spielt eine Rolle
Junge Menschen hätten sich stark einschränken müssen, obwohl sie ein geringeres Risiko hätten, schwer an Corona zu erkranken als ältere Teile der Bevölkerung. "Eine Partei, die sich stark dafür ausspricht, zu lockern, ist für junge Menschen besonders attraktiv", meint Best.
Das sieht auch Politikwissenschaftler Uwe Jun so. "Die FDP geht das Thema der Corona-Pandemie mit mehr Offenheit an, was eher der Position der jüngeren Bevölkerung entspricht", sagt auch er.
Bildungs- und Drogenpolitik
Weitere Inhalte dürften den Jungen zusagen: "Nachdem die Erfolgswelle der Piratenpartei abgeebbt war, konnte die FDP mit dem Thema Digitalisierung vielen eine neue politische Heimat geben", sagt Best. Auch, dass die FDP das Thema Bildung weit oben auf die Agenda setze und eine liberale Drogenpolitik befürworte, trage zur Attraktivität für junge Wähler bei, meinen die Experten.
Image der Erneuerung
Experte Jun sagt: "Die FDP will das Image der Erneuerung nicht den Grünen überlassen. Mit dem Spruch "Nie gab es mehr zu tun", wollen sie ein hohes Aktivitätsniveau zeigen und sich als die präsentieren, die für künftige Generationen anpacken."
Jun sagt aber auch: "Die Stärke der FDP ist auch eine Schwäche der anderen Parteien im bürgerlichen Lager." Die Union gelte bei jungen Leuten als relativ verstaubt, wer sich keiner linken Position annähern wolle, fühle sich deshalb von der FDP am stärksten angesprochen.
Jugendlicher Politikstil
"Die FDP ist in ihren Forderungen außerdem sehr voluntaristisch, sie nimmt sich Großes vor und kommt mit einer gewissen Kompromisslosigkeit daher", analysiert Best. Die Absage an die Jamaika-Koalition "Besser nicht regieren, als falsch regieren", habe eine Anmutung von Konsequenz gehabt.
"All das passt zu einem gewissen jugendlichen Überschwang und einer Altersgruppe, die vielleicht weniger geneigt ist, Kompromisse einzugehen", so der Experte. Die FDP sei aber nur in der Lage, diese Rolle der attraktiven Opposition zu spielen und weitreichende Reformen zu versprechen, weil sie in den letzten Jahren wenig Regierungsverantwortung übernehmen musste oder durfte. "Der Lackmus-Test in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sieht dann nämlich noch mal anders aus", so Best.
Politiker unter 40
Der Experte sieht aber nicht zuletzt auch das Personaltableau der FDP verantwortlich für die junge Wählergunst: "Die FDP hat eine Reihe an jungen, charismatischen und Social-Media-affinen Politikern in ihren Reihen. Das kommt gut an", sagt er. Dem Parteichef Christian Linder folgen auf "Instagram" knapp 233.000 User – während Olaf Scholz (SPD) auf gerade einmal 30.700 und Armin Laschet (CDU) auf 70.800 Follower kommen. Nur Baerbock liegt auch hier vorne: Sie hat 247.000 Abonnenten.
Die FDP allerdings hatte laut den letzten Daten des Bundestags (Stand 2017) mit 45,5 Jahren den jüngsten Altersdurchschnitt aller Parteien im Parlament: Der ehemalige Vorsitzende der FDP-Jugendorganisation "Junge Liberale", Johannes Vogel ist mit gerade einmal 39 Jahren mittlerweile stellvertretender Bundesvorsitzender, Konstantin Kuhle – Mitglied im FDP-Bundesvorstand – ist erst 32 Jahre alt. Auch die FDP-Bundestagsabgeordneten Gyde Jensen (31) und Benjamin Strasser (34) sind deutlich jünger als der Bundestagsdurchschnitt, der bei knapp 50 Jahren liegt.
Hemdsärmlig, ohne Krawatte
"Das Signal lautet: Junge Menschen werden ernst genommen – in den Themen, dem Führungspersonal und der Kommunikation", analysiert Best. Die jungen FDPler kämen mit einem gewollt lockeren Habitus daher – würden beispielsweise hemdsärmlig und ohne Krawatte auftreten.
Wohl der Inbegriff dessen: Christian Lindner. "Er ist immer noch das Erkennungsmerkmal der FDP", meint Jun. Sein Image habe zwar durch die geplatzten Koalitionsverhandlungen 2017 gelitten – allerdings eher bei der älteren Bevölkerung. Jun hält aber fest: "Der Anteil an jungen Leuten ist in der Bevölkerung zu gering, um die wichtigste Wählerklientel der FDP zu sein. Sie wird versuchen, im Wechselwählerbereich mit der Union zu punkten – über alle Altersgruppen hinweg."
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