Sein Programm passt auf eine DIN-A4-Seite, seine Partei hat nur ein einziges Mitglied. Trotzdem ist Geert Wilders gerade im Ausland der bekannteste Politiker der Niederlande. Ein Porträt.
Geert Wilders ist in Venlo aufgewachsen, direkt an der deutsch-niederländischen Grenze. Im Internet kursieren Bilder aus seiner Jugendzeit. Sie zeigen ihn mit dunklen Locken und Schnurrbart. Im alternativen Jugendzentrum der Stadt soll er damals öfter gesehen worden sein.
Kritik an Wilders: "So sät man Hass"
Heute ist aus dieser Zeit allenfalls noch sein Dialekt geblieben. In Venlo und dem Rest der an Deutschland grenzenden Provinz Limburg kann die PVV bei der Niederlande-Wahl an diesem Mittwoch mit besonders vielen Stimmen rechnen. Auch wenn Wilders' eigener Bruder ihn wohl kaum wählen wird.
Als Geert Wilders nach den Terror-Anschlägen von Berlin ein Bild von einer blutverschmierten
Geert sei schon als Kind ein "Rotzbub" gewesen, erzählte Paul Wilders der belgischen Zeitschrift "Knack". Mit dem Merkel-Bild habe sein jüngerer Bruder eine Grenze überschritten. "Das ist keine Politik mehr, so sät man Hass."
Grenzen zu überschreiten und nach Grenzen zu rufen – das ist das Konzept von Geert Wilders. Seit elf Jahren nimmt der Niederländer mit seiner "Partei für die Freiheit" (PVV) an Wahlen teil.
Beim Urnengang am Mittwoch will er die meisten Stimmen holen. Ob das funktioniert, ist längst nicht mehr sicher. Aber große Aufmerksamkeit, auch in ausländischen Medien, erfährt Wilders allemal.
"Kein Geld für Kunst und Innovation"
Er sei "der Radikalste unter den rechten Verführern" schrieb die Wochenzeitung "Die Zeit" kürzlich über den Mann mit der auffälligen Frisur. "Alle Moscheen und muslimische Schulen schließen, Islam verbieten", ist eine Forderung aus dem Wahlprogramm der PVV, das gerade mal elf Punkte umfasst.
Zusammen passen sie auf nur eine DIN-A4-Seite. "Niederlande wieder unabhängig, also raus aus der EU", lautet ein anderer Punkt. Oder: "Kein Geld mehr für Entwicklungshilfe, Windräder, Kunst, Innovation, Rundfunk und so weiter." Das klingt nach Satire, ist es aber nicht.
Einen innerparteilichen Richtungsstreit wie die AfD in Deutschland muss Wilders nicht fürchten: Er selbst ist das einzige Mitglied seiner Partei, auch die PVV-Abgeordneten im Parlament haben kein Parteibuch. Wilders will so sicherstellen, dass keine Konflikte über den richtigen Kurs ausbrechen.
Ins Parlament in Den Haag war der Jurist zunächst über die VVD gekommen – die konservativ-liberale Partei des amtierenden niederländischen Ministerpräsidenten
Seine harsche Kritik am Islam, seine Forderungen nach der Ausweisung von kriminellen Einwanderern fielen in weiten Teilen der niederländischen Wählerschaft auf fruchtbaren Boden.
"Märtyrer" Wilders: Immer auf der Flucht
Im vergangenen Dezember verurteile ein niederländisches Gericht Wilders wegen Diskriminierung und Beleidigung marokkanischer Einwanderer. Doch politisch schadete ihm nicht, dass er seine Ansichten mit der Zeit immer radikaler formulierte. Täglich beliefert er seine rund 800.000 Follower auf Twitter mit Botschaften gegen die politische Elite, Einwanderer und vor allem Muslime.
Twitter ist auch im Wahlkampf sein wichtigstes Kommunikationsmittel. Interviews gibt er nur Medien, von denen er glaubt, dass sie ihm wohlgesonnen sind. Auch an vielen Fernsehdiskussionen vor der Wahl hat Wilders nicht teilgenommen, auf der Straße tritt der 53-Jährige ebenfalls nur selten auf. Offiziell wegen Sicherheitsbedenken.
Denn seine Parolen haben Wilders Morddrohungen eingebracht, er gilt als bestbewachter Mann des Landes. Angeblich haben er und seine ungarische Frau keinen dauerhaften Wohnsitz, müssen mal hier, mal da in hochgesicherten Gebäuden wohnen, um Anschlägen zu entgehen. Auch das gehört zur "Marke" Wilders: Er kann sich als Märtyrer der Meinungsfreiheit stilisieren. Als Mann, der sagt, was viele Menschen denken.
In der Tat hat er die Niederlande verändert, auch wenn er noch nie ein Regierungsamt innehatte. Auch andere niederländische Politiker schlagen gegenüber Einwanderern inzwischen einen harten Ton an.
Zum Beispiel Ministerpräsident Mark Rutte. Der veröffentlichte im Januar einen offenen Brief an sein Volk, in dem er gegen junge Migranten austeilte, die sich nicht an gesellschaftliche Regeln halten: "Benehmt euch normal, oder haut ab", lautete Ruttes Botschaft.
Die niederländischen Medien sind sich zudem einig: Auch Ruttes harte Reaktion auf geplante Auftritte türkischer Minister hätte es ohne den Wahlkampf nicht gegeben. Rutte wollte Wilders kein populäres Wahlkampfthema überlassen.
Geert Wilders PVV verliert an Boden
Vor einigen Monaten hatte Wilders noch wie der sichere Sieger der Parlamentswahlen ausgesehen. Da war auch in den Niederlanden die Flüchtlingskrise ein wichtiges Thema. "Wenn es in den Medien viel um Einwanderungspolitik geht, dann profitiert die PVV davon", erklärt Tom Louwerse, Politikwissenschaftler an der Universität im niederländischen Leiden, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Inzwischen allerdings nehmen die Wähler das Thema als weniger akut wahr, so Louwerse. Im sogenannten Peilingwijzer, für den der Politologe die Daten verschiedener Umfragen kombiniert, stand die Wilders-Partei am Montag bei 14 Prozent – etwa sechs bis sieben Prozent weniger als im vergangenen Sommer.
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