Die Landtagswahlen sind nicht nur für Bayern wichtig. Wenn es wie erwartet zu großen Verschiebungen kommt, wird das auch für die Bundesregierung in Berlin Folgen haben.

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Mehr als 1.000 Journalisten werden am Sonntag aus dem Münchener Maximilianeum berichten, auch viele Bundespolitiker machen sich auf den Weg in die bayerische Landeshauptstadt.

Denn die Wahlen im zweitgrößten deutschen Bundesland sind nicht nur für die Menschen zwischen Aschaffenburg und Berchtesgarden von Bedeutung: Das Ergebnis wird auch für die Politik in Berlin von Bedeutung sein. Das sind die drei wichtigsten Aspekte:

CSU: Muss Seehofer abtreten?

Was Wahlniederlagen in der CSU bewirken können, lässt sich an der Landtagswahl 2008 ablesen: Die Partei rutschte um 17 Prozentpunkte auf 43,4 Prozent ab und verlor die absolute Mehrheit. Kurz darauf sahen sich Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein zum Rücktritt gezwungen.

In diesem Jahr sehen die letzten Umfragen die Christsozialen sogar bei unter 35 Prozent. "Wenn die CSU wirklich krachend verliert, wird es für Seehofer sehr schwer, den Parteivorsitz zu behalten. Weil dann nach einem Schuldigen gesucht wird und viele Seehofer für den Schuldigen halten", erklärt Oskar Niedermayer, früherer Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ministerpräsident Markus Söder hat den von Seehofer angezettelten Koalitionsstreit in der Hauptstadt schon unverhohlen für die schlechten Umfragewerte in Bayern verantwortlich gemacht.

Muss Seehofer als Parteichef abtreten, wäre auch sein Amt als Bundesinnenminister in Gefahr. Für die Bundeskanzlerin und ihre Große Koalition hätte das womöglich angenehme Folgen: Das Regieren könnte ohne Seehofer einfacher werden.

Ob es wirklich so kommt, ist nach Niedermayers Einschätzung aber noch nicht ausgemacht. Seehofer habe deutlich gemacht, dass er Minister bleiben will. Womöglich könnte ihm die bayerische Verfassung sogar vorerst den Parteivorsitz retten: Die sieht nämlich vor, dass vier Wochen nach der Wahl eine neue Regierung stehen muss. "Vielleicht wird sich die Partei überlegen, ob es sinnvoll ist, in dieser Zeit auch noch über den Vorsitzenden zu diskutieren", sagt Niedermayer. Alles hängt wohl davon ab, wie schlecht das Ergebnis am Sonntag wirklich ausfällt.

SPD: Auftrieb für die GroKo-Kritiker?

"Alle schauen derzeit gebannt auf die CSU. Doch wenn es so kommt, wie die Umfragen andeuten, wird die SPD prozentual gesehen noch mehr Wähler verlieren als die CSU", sagt Oskar Niedermayer.

Die letzten Umfragen sehen die Sozialdemokraten zwischen 10 und 13 Prozent. Würden sie tatsächlich von 20 auf rund 12 Prozent abstürzen, hätte sie 40 Prozent ihrer Wähler verloren. "Es muss dann auch eine Diskussion in der Bundes-SPD geben", so Niedermayer.

Denn auch bei den Sozialdemokraten wird die Landespartei schnell die Schuldigen in Berlin suchen: Spitzenkandidatin Natascha Kohnen hatte in der Diskussion um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ihre Wut auf Parteichefin Andrea Nahles kaum verbergen können. Die GroKo-Kritiker könnten weiteren Auftrieb bekommen: Die Koalition mit der Union ist in weiten Teilen der Partei unbeliebt.

Oskar Niedermayer rechnet den GroKo-Kritikern aber eher schwache Argumente zu, falls sie mit einem schlechten Ergebnis in Bayern für ein Ende der Koalition in Berlin werben: "Der bayerische Landesverband gehört eher zum linken Parteiflügel und hat sich rund 40 Jahre in der Opposition erneuern können – trotzdem könnte er das historisch schlechteste Ergebnis in Bayern einfahren."

Grüne: Weiter auf dem Weg nach oben?

Die Grünen steuern in Bayern auf einen großen Erfolg zu: Um die 18 Prozent und der zweite Platz vor SPD und AfD könnten für die Öko-Partei drin sein. Dann wäre Bayern nach Baden-Württemberg das zweite Bundesland, in dem sie mehr Stimmen bekommt als die Sozialdemokraten.

Sind die Grünen auf dem Weg, der SPD die Führungsrolle im linken Lager abspenstig zu machen? "Es ist ganz klar, dass sich da etwas verschiebt", sagt Niedermayer.

Das habe mit der Polarisierung der Gesellschaft zu tun: "Die Diskussion um die Flüchtlingsfrage stärkt die Parteien, die bei dem Thema die deutlichsten Standpunkte vertreten – das sind die AfD und die Grünen." Auch im Bund rechnet er in den kommenden Jahren mit einem Machtzuwachs der Grünen. "Allerdings hängt ihre momentane Stärke auch mit der desolaten Lage der SPD zusammen."

Zudem weist der Experte darauf hin, dass die Grünen in den kommenden Wochen sogar formell gesehen an Einfluss verlieren könnten. Das hängt vor allem mit der Wahl in zwei Wochen in Hessen zusammen, wo die Grünen in der Regierung sitzen. Sollte es dort für eine erneute Regierungsbeteiligung nicht reichen, hätte das Folgen für die Zusammensetzung des Bundesrats.

Dort haben die Landesregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, derzeit noch eine Mehrheit. So kann die Partei etwa die Ausweisung der nordafrikanischen Staaten als sichere Herkunftsländer und damit die schnelle Abschiebung von Flüchtlingen in diese Länder blockieren. Würden es die Grünen weder in Bayern noch in Hessen in die Regierung schaffen, wäre diese Mehrheit dahin.

Quellen:

  • Gespräch mit Prof. Dr. Oskar Niedermayer, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin
  • Wahlrecht.de: Umfragen Landtagswahl Bayern
  • Welt.de: "Ich habe ein großes Werk zu verrichten"
  • Zeit.de: CSU will Koalitionsverhandlungen offenbar ohne Seehofer führen


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