Mit einem mehr als 40 Jahre alten Hit versucht Bodo Ramelow, im Thüringer Wahlkampf zu punkten. Ist das zum Fremdschämen – oder Instagram-taugliche Selbstironie?
Das VHS-Band ziept, Kostüme und Szene wirken wie eine Kitschversion der Achtzigerjahre. Als die ersten Töne zu hören sind, wissen zumindest Ältere, was ihnen beim neuen Musikvideo der Band Donata bevorsteht: eine Neuauflage des legendären Trio-Hits "Da Da Da" von 1982.
Dann schwenkt die Kamera nach rechts auf den 68-jährigen Aushilfssänger, der betont lässig und mit Sonnenbrille die erste Liedzeile zum Besten gibt: "Was ist los mit dir mein Schatz? Aha." Nach Informationen des "Spiegel" handelt es sich um Thüringens Ministerpräsidenten
Schnell wird klar: Es geht um kein Quatschprojekt, sondern um Wahlkampf. Am ersten September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt, und Ramelow inszeniert sich als einzige gangbare Alternative zum Vormarsch der Antidemokraten.
Genial oder zum Fremdschämen?
Passend zum phlegmatischen Sprechgesang werden Schlagzeilen aus den vergangenen Monaten eingeblendet. Etwa "Die Brandmauer ist eingestürzt" von der "Thüringer Allgemeinen" – begleitet von Ramelows Zeile "Geht es immer nur bergab?". Und zur Einschätzung seines Vorgängers Bernhard Vogel (CDU), dass Ramelow gefährlicher sei als die AfD, singt dieser sicher nicht ganz zufällig: "Geht nur das, was du verstehst? Aha."
Auch wenn der Text im Original recht kryptisch ist, lässt Donata – Selbstbeschreibung: "Antifaschismus ist Landarbeit" – keinen Zweifel daran, worum es bei der Neuauflage geht. Nach dem großen Finale des Songs wird der Satz eingeblendet: "Du musst mich nicht lieben, Demokrat sein reicht."
Ist der Song zum Fremdschämen oder Instagram-taugliche Selbstironie? Das muss das Publikum entscheiden. Die bisherige Bilanz politischer Popsongs in Deutschland ist bestenfalls gemischt. Konnte etwa Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) mit einer Hymne auf ihn 2001 noch ein paar Sympathiepunkte einfahren, bekam Sänger Campino für die CDU-Version von "Tage wie diese" eine telefonische Entschuldigung von Angela Merkel. © DER SPIEGEL
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