Am Sonntag wird in Thüringen und Sachsen gewählt, der Wahlkampf geht zu Ende. Letzte Umfragen zeigen wenig Bewegung bei den Parteipräferenzen – trotz des Anschlags von Solingen.

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Endspurt vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: An diesem Sonntag stehen dort Abstimmungen an, die eine historische Zäsur bedeuten könnten. Zwei Umfragen sehen die AfD in Thüringen als stärkste Kraft, womit eine äußerst komplizierte Regierungsbildung drohen dürfte.

In Sachsen kann sich die CDU berechtigte Hoffnungen auf den erneuten Wahlsieg machen, womöglich könnte ihre Koalition mit SPD und Grünen Bestand haben.

Scholz reist durch Sachsen – Wagenknecht muss Auftritt unterbrechen

Am Freitag warben die Parteien noch einmal kräftig um Zustimmung. Zu abschließenden Kundgebungen reisen auch Spitzenpolitiker der Bundesparteien in die beiden Länder. So wurde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping beim Wahlkampfabschluss der sächsischen Sozialdemokraten in Chemnitz erwartet.

Scholz war zuvor bereits in dem Bundesland unterwegs, in Freiberg beim Sächsischen Oberbergamt informierte er sich über ein Projekt zum Abbau von Lithium im Erzgebirge. Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) war in Sachsen auf Wahlkampftour.

Für Aufregung sorgte kurz vor dem Wahlsonntag ein Zwischenfall bei einer Veranstaltung von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht am Donnerstag. Sie musste einen Auftritt in Erfurt kurzzeitig unterbrechen, nachdem auf die 55-Jährige mit einer roten Flüssigkeit gespritzt worden war. Wagenknecht wurde leicht getroffen, sie setzte nach kurzer Unterbrechung ihren Auftritt fort.

Ramelow macht BSW-Anfrage öffentlich

In Thüringen liegt die AfD laut ZDF-Politbarometer bei 29 Prozent und damit klar auf dem ersten Platz vor der CDU mit 23 Prozent und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 18 Prozent. Die Linke, die dort mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, steht nach der Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen bei 13 Prozent.

Dass Ramelow weiterhin an der Spitze der Linken ist und nicht das politische Lager gewechselt hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Wie Ramelow gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärte, soll es im Januar 2024 nämlich einen ernsthaften Versuch gegeben haben, ihn für die Landtagswahl in Thüringen zur Wagenknecht-Partei abzuwerben. Der Linken-Politiker entschied sich allerdings gegen einen Parteiwechsel.

Grüne wackeln – SPD laut Umfrage bei 6 Prozent

Die SPD könnte 6 Prozent erhalten. Die Grünen könnten mit 4 Prozent den Einzug in den Landtag verpassen. Die Werte sahen ganz ähnlich aus in einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der TV-Sender RTL und ntv.

"Damit hätte eine Koalition aus CDU, BSW und SPD aktuell eine knappe Mehrheit, andere nicht ausgeschlossene Koalitionen hingegen nicht", hieß es beim ZDF. Rein rechnerisch hätten den Angaben zufolge zwar Koalitionen aus AfD und CDU sowie aus AfD und BSW eine Mehrheit, aber auch eine aus CDU, BSW und Linke. Solche Optionen wurden aber entweder von der CDU oder dem BSW ausgeschlossen. Ein Bündnis der CDU mit dem aus der Linken hervorgegangenen BSW der Russland-freundlichen Namensgeberin Sahra Wagenknecht könnte die Partei allerdings in tiefe interne Turbulenzen stürzen. Zugleich wissen laut Umfrage derzeit 29 Prozent der Befragten noch nicht sicher, wen und ob sie wählen wollen.

CDU hält in Sachsen Vorsprung vor der AfD

In Sachsen liegt die CDU von Regierungschef Michael Kretschmer laut Forschungsgruppe Wahlen mit 33 Prozent deutlich vor der AfD mit 30 Prozent. Die Linke wäre laut der Umfrage mit 4 Prozent nicht im Landtag vertreten – die Grünen und die SPD kämen jeweils auf 6 Prozent. Das BSW steht in der Umfrage bei 12 Prozent.

"Neben der Fortsetzung der Regierung aus CDU, Grünen und SPD gäbe es auch eine genauso knappe Mehrheit für ein Bündnis aus CDU und BSW", teilten die Wahlforscher mit. Reichen würde es demnach auch für eine Koalition aus CDU und AfD, die wurde von der CDU aber ausgeschlossen. Auch in Sachsen wissen derzeit 24 Prozent der Befragten noch nicht sicher, wen oder ob sie wählen wollen. Die Forsa-Umfragewerte vom Freitag sahen auch in Sachsen sehr ähnlich aus.

Parteipräferenzen kaum verändert – trotz Solingen

Die Werte für die einzelnen Parteien haben sich seit dem Politbarometer vom 23. August kaum verändert – obwohl die neuen Befragungen nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen durchgeführt wurden. Am vergangenen Freitag hatte ein Angreifer auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Düsseldorf in Untersuchungshaft sitzt.

Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.

Forsa-Chef: Unsicherheit vor Wahl in Sachsen und Thüringen

Aus Sicht des Meinungsforschers Manfred Güllner ist der Ausgang in Sachsen und Thüringen ungewöhnlich schwer absehbar. Die beiden Ministerpräsidenten - Ramelow und Kretschmer - seien jeweils sehr beliebt. Das gelte auch für Anhänger anderer Parteien, doch die stimmten nicht für die Amtsinhaber. "Das ist eine Situation, eine Entscheidungsmatrix, die wir auch so in den alten Bundesländern nicht gewohnt sind", sagte Güllner am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der Dresdner Politologe Hans Vorländer äußerte die Erwartung, dass die CDU in Sachsen mit der Migrationsdebatte punkten könnte. Zum einen vermittle CDU-Bundeschef Friedrich Merz den Eindruck, dass er das Heft des Handelns übernehme. Zum anderen habe Sachsens Ministerpräsident Kretschmer das Thema selbst immer gesetzt. "Das wird die CDU, wenn ich mich nicht ganz schwer täusche, doch wieder ein bisschen nach oben ziehen", sagte Vorländer. "Ob es reicht, dass er stärker wird als AfD, ist eine andere Frage." (dpa/bearbeitet von lag)

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