- Nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington am Mittwoch wird über die Rolle der Polizei diskutiert.
- Prominente US-Amerikaner, darunter viele Sportler, werfen der Polizei vor, sie habe die radikalen Trump-Anhänger gewähren lassen, wohingegen sie im vergangenen Jahr mit aller Härte gegen die Black-Lives-Matter-Demonstranten vorgegangen sei.
- Auch USA-Experte Josef Braml bewertet den Einsatz kritisch, allerdings aus ganz anderen Gründen.
Wie konnte es passieren, dass Anhänger des Noch-US-Präsidenten
Polizei stand gewaltbereitem Mob gegenüber
Klar, die Polizei war mit großem Aufgebot vor Ort, stellte sich dem Mob in den Weg. Auch die Nationalgarde war im Einsatz. Eine Frau wurde angeschossen und starb später im Krankenhaus. Es gab mehr als 50 Festnahmen. Doch eine solche Härte, wie sie sie im vergangenen Jahr wiederholt gegen Demonstranten der Black-Lives-Matter-Proteste gezeigt hat, legte die Polizei am Mittwoch nicht an den Tag.
Allein für den Zeitraum vom 26. Mai bis zum 5. Juni 2020 hatte Amnesty International USA-weit 125 Fälle von Polizeigewalt im Zusammenhang mit den Anti-Rassismus-Protestens dokumentiert. Am Mittwoch zeigte die Polizei in Washington, dass es auch anders geht, auch dann, wenn die Demonstranten gewaltbereit sind, wie jener Mann, der einen dpa-Reporter wissen ließ, er sei hier, "um die Verräter zu hängen".
Boston Celtics empört über "drastischen Unterschied"
Vor allem Sportler aus der nordamerikanischen Basketballliga NBA prangern diese Ungleichbehandlung an. "Keine Polizeihunde, die gegen Menschen eingesetzt wurden, keine Schlagstöcke, die Menschen treffen. Leute, die friedlich aus dem Kapitol eskortiert werden. Das zeigt, dass man eine Menge auch friedlich auflösen kann", sagte der Trainer der Philadelphia 76ers, Doc Rivers. Er sprach von einem "Beweis für ein privilegiertes Leben" und fragte: "Können Sie sich heute vorstellen, was passiert wäre, wenn das alles Schwarze gewesen wären, die das Kapitol gestürmt hätten?"
In einer Stellungnahme der Boston Celtics heißt es: "Der drastische Unterschied zwischen der Art, wie Demonstranten im vergangenen Frühjahr und Sommer behandelt wurden, und der Ermunterung für die Demonstranten heute, die illegal gehandelt haben, zeigt, wie viel mehr Arbeit wir zu erledigen haben." Die US-Fußballerin Megan Rapinoe und die Turnerin Simone Biles teilten mehrere Tweets, die das Verhalten der Sicherheitskräfte im Vergleich zu deren Umgang mit den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt kritisierten.
Chris Evans blutiges Gedankenspiel
Ähnlich äußerte sich Rapperin Cardi B auf Twitter. Jene Menschen, die jetzt ohne jedes Recht das Kapitol gestürmt hätten, hätten jene, die vergangenes Jahr für Gleichheit und Gerechtigkeit demonstriert haben, "Tiere, Plünderer und Schläger" genannt.
Schauspieler Chris Evans schrieb gar: "Stellt euch das Gemetzel vor, wenn sie nicht weiß gewesen wären."
USA-Experte: "Bedenklich, wie leicht Polizei überwältigt werden konnte"
USA-Experte Josef Braml beschäftigt etwas anderes, seit er am Mittwochabend die Bilder vom Sturm auf das Kapitol gesehen hat. "Es stimmt sehr bedenklich, dass die Sicherheitsbehörden so einfach überwältigt werden konnten. Nachdem der noch amtierende Präsident Trump seine Unterstützer auf die Barrikaden geschickt und mehr oder weniger zur Gewalt aufgerufen hatte, hätte es nicht überraschend sein dürfen, dass es einen Ansturm auf Washington und den Kongress geben würde", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion.
Die Debatte um rassistisch motivierte Polizeigewalt spielt für ihn in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. "Mir machen vielmehr die 74 Millionen Wählerinnen und Wähler Sorgen, die Trump trotz oder vielleicht sogar wegen seines teilweise rassistischen Wahlkampfes gewählt haben", sagt Braml. "Sie werden politisch relevant bleiben – auch für andere Scharfmacher."
Verwendete Quellen:
- Interview mit Dr. Josef Braml. Der USA-Experte ist Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission und forscht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Er bloggt unter usaexperte.com.
- "USA: Schluss mit rechtswidriger Polizeigewalt gegen "Black Lives Matter"-Proteste." Amnesty International vom 23. Juni 2020.
- dpa
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